Wie werden Kriege beendet? Eine recht banale, aber empirisch belegbare Erkenntnis aus der Friedens- und Konfliktforschung lautet, dass Friedensverträge bessere Chancen auf einen Erhalt haben, wenn sie möglichst konkret und sorgfältig ausverhandelt wurden. Gemessen daran ist der pompös angekündigte „Trump-Plan für einen „ewigen Frieden“ eine Farce: Er wurde nach Gutdünken des Präsidenten und seiner Vertrauten weitgehend ohne die Konfliktparteien erarbeitet. Zumindest eine Partei, die Hamas, wurde vorher noch nicht einmal konsultiert, sondern im Nachhinein per Ultimatum aufgefordert, zuzustimmen.

Immerhin enthält der Plan die Möglichkeit einer „Amnestie“ für jene Hamas-Anführer, welche die Waffen niederlegen. Dieser Ansatz hätte schon vor Monaten verfolgt werden können, doch stattdessen sprachen Netanjahu und seine Verbündeten stets von der völligen „Vernichtung“ der Hamas – einem von Beginn an unrealistischen und unsinnigen Ziel, denn es handelt sich nicht nur um eine Miliz, sondern auch um eine breit verankerte politische und gesellschaftliche Bewegung. Schlimmer noch: Verhandlungsansätze wurden in den letzten Monaten aktiv von Israel zunichtegemacht, eine in Doha befindliche Verhandlungsdelegation der Hamas gar von Israel bombardiert. Das war möglicherweise der Punkt, an dem Trump sich bemüßigt fühlte, einzugreifen, nachdem er Israels verheerende Offensive über Monate toleriert und unterstützt hatte.

Nach der Veröffentlichung des „Trump-Plans“ ging Israels verheerender Militäreinsatz in Gaza-Stadt jedoch weiter: Massive Angriffe, ausgeführt vermehrt durch automatisierte Waffensysteme, zerstören die wenigen verbliebenen medizinischen und humanitären Einrichtungen und die zivile Infrastruktur; die katastrophale Versorgungslage macht das Überleben für die verbliebenen Zivilisten praktisch unmöglich – eine Gemengelage, die zuletzt nach allen großen Menschenrechtsorganisationen auch eine UN-Untersuchungskommission als Genozid bezeichnete.

Die dystopische Lage in Gaza und die Monstrosität der dort von der israelischen Armee verübten Verbrechen sind wohl der Grund dafür, dass Trumps in Teilen bizarrer Plan sogleich zum letzten Hoffnungsschimmer wurde, den Gazakrieg endlich zu beenden: Ein sofortiger Waffenstillstand, eine vollständige humanitäre Versorgung, eine sofortige Rückkehr aller israelischen Geiseln – das sind überfällige und richtige Forderungen dieses Plans, die bedingungslos zu unterstützen sind.

Nach der Veröffentlichung des „Trump-Plans“ ging Israels verheerender Militäreinsatz in Gaza-Stadt weiter.

Doch die zahlreichen anderen Passagen des „20-Punkte-Plans“ sind entweder äußerst vage gehalten oder enthalten hochproblematische Vorschläge, die nicht in Richtung einer Entspannung oder gar einer Konfliktregelung weisen. Dass unter anderem auch der deutsche Außenminister den Plan als „einmalige Chance“ lobte und dem US-Präsidenten überschwänglich dankte, ist daher nicht nur verwunderlich, sondern auch gefährlich.

Denn mit den von der EU vertretenen Parametern für eine Konfliktregulierung hat der Plan nichts zu tun. Wadephul und seine EU-Kolleginnen und -Kollegen wären gut beraten, wenn sie hier klar differenzieren würden: Unterstützung der Initiative zu einem Waffenstillstand, zu humanitärer Versorgung und zur Freilassung der Geiseln; deutliche Abgrenzung vom Rest des Plans und stattdessen klare Kommunikation der Parameter für den weiteren politischen Prozess.

Erinnert sei an dieser Stelle auch an Donald Trumps letzten „bahnbrechenden“ Nahostplan, den gewohnt bescheiden titulierten Deal of the century aus seiner ersten Amtszeit von 2020. Der maßgeblich von seinem Schwiegersohn Jared Kushner konzipierte Plan war ein ähnlich einseitiges Werk wie die jüngste Initiative. Trumps damaliges Agieren, das unter anderem die Anerkennung von Israels Hoheit über das palästinensische Ost-Jerusalem umfasste und die klassische US-Kritik an der Siedlungsbewegung kassierte, wirkte massiv konfliktverschärfend. So kam es in der Folge unter anderem zu ausufernder Gewalt in Ost-Jerusalem. Dass Trump sich jetzt erneut als ehrlicher Makler im Nahostkonflikt anbietet, ist an Chuzpe eigentlich kaum zu überbieten – schließlich wäre auch der israelische Militäreinsatz in Gaza ohne weitreichende US-Militär- und Finanzhilfe kaum möglich gewesen.

Abgestimmt wurde der Plan mutmaßlich mit den engen US-Verbündeten am Golf, die mit weiteren arabischen Staaten zu einer „internationalen Stabilisierungstruppe“ beitragen sollen (Punkt 15). Die Arabische Liga hatte bereits im März ihren eigenen Plan beschlossen, der ebenfalls einen Waffenstillstand und einen Wiederaufbau vorsah. Wohl durch ihre Einwirkung sind zumindest einige Forderungen enthalten, ohne die sie den Plan nicht hätten gutheißen können: Vor allem die Tatsache, dass die israelische Armee den Gazastreifen nicht dauerhaft besetzen oder annektieren darf (Punkt 16) und dass Palästinenserinnen und Palästinenser nicht dauerhaft vertrieben werden sollen (Punkt 12). Selbstverständlich ist das nicht, hatte doch Trump noch im Februar 2025 über eine Vertreibung und die Schaffung einer „Riviera des Nahen Ostens“ fantasiert.

Die damals im selben Atemzug geäußerte Aussicht, die USA könnten Gaza in Besitz nehmen („we will own it“) findet sich dagegen in modifizierter Form im Plan wieder: Da ist die Rede von einem „Friedensrat“ (Board of Peace), der Gaza verwalten solle (Punkt 9). Oberster Friedensfürst: Donald J. Trump. Ebenfalls mitwirken soll Tony Blair – der ehemalige britische Premierminister, der nicht nur wegen seiner maßgeblichen Rolle im Irakkrieg, sondern auch seiner wenig überzeugenden Arbeit als Sonderbeauftragter des „Nahostquartetts“ in der Region wenig Ansehen genießt.

Auch ohne die Vertreibung der Palästinenser sieht Trump den Küstenstreifen offensichtlich als lukratives Experimentierfeld für seine Immobiliengeschäfte.

Auch ohne die Vertreibung der Palästinenser sieht Trump den Küstenstreifen offensichtlich als lukratives Experimentierfeld für seine Immobiliengeschäfte. Unter seiner Aufsicht soll ein Entwicklungsplan von Experten entwickelt werden, die „einige der modernen Wunderstädte des Nahen Ostens“ geschaffen hätten; unter Hinzuziehung von „gutmeinenden internationalen Firmen“, die bereits „durchdachte Investment-Vorschläge“ gemacht hätten (Punkt 10). Wer diese Akteure nach Vorstellung von Trump sind, dürfte klar sein: Seine Geschäftspartner zu Hause und am Golf.

Die Palästinenser spielen in dem Plan ebenso wenig eine Rolle wie ihre verbrieften Rechte auf Selbstbestimmung. Durch welche ideologische Brille die Trump-Administration auf den Konflikt blickt, wird gleich im ersten Punkt eindrücklich dargelegt: Gaza solle eine „de-radikalisierte,Terror-freie Zone“ werden. Dass Trump – selbst Anführer einer in vielerlei Hinsicht radikalen Bewegung in den USA – die von zwei Jahren unter Bomben und Hungerblockade tief traumatisierte Zivilbevölkerung, die in der Mehrheit aus Kindern und jungen Erwachsenen besteht, in Gaza einem „Deradikalisierungsprogramm“ unterziehen will, lässt tief blicken.

Ein „technokratisches, unpolitisches Komitee“ soll die Tagesgeschäfte in Gaza erledigen (Punkt 9); die Palästinensische Autonomiebehörde soll keine Rolle spielen, bis ihre „Reform gewissenhaft umgesetzt“ wurde (Punkt 19) – eine schwammige Formulierung, mit der ohne weiteres ihr dauerhafter Ausschluss und die permanente Teilung des palästinensischen Gebietes begründet werden kann.

In weiten Teilen erinnern die vagen Formulierungen des Trump-Plans an jene der 1993 geschlossenen Oslo-Verträge. Die nannte Edward Said bereits 1993 ein „palästinensisches Versailles“, da laut seiner Analyse palästinensische Fremdbestimmung unter dem Anschein eines Friedensprozesses fortgeschrieben und sogar legitimiert worden sei. Wie in Oslo wird auch der Abzug der israelischen Armee in Trumps Plan unter Punkt 18 ohne konkrete Bedingungen oder einen verbindlichen Zeitplan formuliert. Die Kopie vergangener Verfehlungen scheint hier Methode zu haben.

Dass Trump den Gazastreifen de facto unter eine Art US-Mandat stellen will, ist bedenklich.

Dass Trump den Gazastreifen somit de facto unter eine Art US-Mandat stellen will, ist bedenklich und darf von der internationalen Gemeinschaft nicht hingenommen werden. Wenn überhaupt, wäre es Aufgabe der Vereinten Nationen, über einen Übergangsprozess zu wachen; doch das Gremium, das die USA und Israel gemeinsam zu delegitimieren suchen, taucht im Plan ebenso wenig auf wie das Völkerrecht und die Menschenrechte als Basis jeglicher Konfliktregelungen. Lediglich bei der Verteilung von Hilfsgütern wird den Vereinten Nationen eine Rolle zugestanden – neben weiteren „internationalen Institutionen“, mit denen die berüchtigte Gaza Humanitarian Foundation gemeint sein dürfte, die für die Tötung hunderter Hilfe suchender Palästinenser mitverantwortlich ist.

Dass dann auch der zentrale Punkt einer Rechenschaft und juristischen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen der israelischen Armee ebenso wie jener der Hamas nirgendwo in dem Dokument auftaucht, überrascht wenig – denn auch die Arbeit internationaler Gerichtshöfe wird ja von Trump und Netanjahu sabotiert.

Kein Wort verliert der Plan auch über die israelische Besatzung im Westjordanland, über die Siedlungstätigkeit, über die ausufernde Siedlergewalt. Es war bei israelisch-palästinensischen Verhandlungen stets Usus, dass die Siedlungspolitik eingefroren wurde; dazu ist Netanjahu schon seit Jahrzehnten nicht mehr bereit. Was er von einem palästinensischen Staat hält, machte er zuletzt vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen klar, als er ihn mit einem „Al-Qaida-Staat“ verglich. Der Plan von Trump kann sich lediglich dazu durchringen, palästinensische Selbstbestimmung und Staatlichkeit als „das Bestreben“ des palästinensischen Volkes anzuerkennen – eine Formulierung, die um Jahrzehnte hinter die internationale Anerkennung palästinensischer Ansprüche zurückfällt.

Nie war die Asymmetrie zwischen Israelis und Palästinensern größer als aktuell. Trumps abschließender Punkt, bald einen „Dialog zwischen Israelis und Palästinensern um einen politischen Horizont für eine Zukunft in Frieden und Wohlstand“ zu schaffen, ist ebenso entkoppelt von der Realität wie die Vorstellung, dass ausgerechnet die USA als „ehrlicher Vermittler“ auftreten könnten.

Auch die EU hat durch ihre Tatenlosigkeit schon viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren – sie darf jetzt nicht tatenlos am Spielfeldrand stehen. Sie muss international Verbündete suchen, um die anerkannten völkerrechtlichen Grundprinzipien für eine Konfliktregelung zum Rahmen für einen weiteren politischen Prozess machen. Der Ansatz, Israels extremistischer Regierung endlich mit echtem Druck und mit Sanktionen zu begegnen, ist ein wichtiges Gegengewicht zur Trumps Plan. Sollte dieser in der vorliegenden Form zur Blaupause werden, wird er sich nicht nur einreihen in die lange Liste gescheiterter Initiativen, sondern noch mehr Gewalt und Konflikte produzieren.