Ende September beschrieb US-Verteidigungsminister Pete Hegseth in einer Rede vor Generälen und Admirälen sehr anschaulich seine Vision, wie man Kriege gewinnt. Soldaten und Matrosen stehen bereit, sich in Marsch zu setzen, „in tiefster Nacht, bei gutem oder schlechtem Wetter, und sich an gefährliche Orte zu begeben, um die ausfindig zu machen, die unserer Nation Schaden zufügen wollen, und im schonungslosen Nahkampf im Namen des amerikanischen Volkes für Gerechtigkeit zu sorgen, wenn es nötig ist“, erklärte Hegseth. „In diesem Beruf“, so Hegseth weiter, „machst du es dir in der Gewalt bequem, damit unsere Bürgerinnen und Bürger in Frieden leben können. Letalität ist unsere Visitenkarte, und der Sieg ist für uns das einzig akzeptable Endergebnis.“

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden im industriellen Maßstab geführte Kriege durch Überlegenheit in Sachen Produktionskapazitäten, Logistik und technologische Kompetenz gewonnen.

Die nachdrückliche Betonung von Tapferkeit und Letalität im Kampf Mann gegen Mann weckte Assoziationen an die Krieger Spartas oder des alten Roms, die ihren Feinden Auge in Auge gegenüberstanden und sie mit Speeren oder Schwertern töteten. Doch das US-Militär wird in seinem nächsten Krieg nicht gegen Athener oder Karthager antreten, und der Ausgang dieses Krieges wird nicht durch den Heldenmut des Einzelnen entschieden. Sollten die Vereinigten Staaten wirklich Krieg gegen China führen – ihren engsten Konkurrenten und größten geopolitischen Herausforderer –, dann wird es weitgehend irrelevant sein, wie tapfer die Soldaten auf beiden Seiten sind. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden im industriellen Maßstab geführte Kriege durch Überlegenheit in Sachen Produktionskapazitäten, Logistik und technologische Kompetenz gewonnen.

Wenn Hegseth und andere US-Militärstrategen glauben, sie würden China durch erbitterten Einsatz im Nahkampf besiegen, machen sie sich etwas vor. Der Verlauf des russischen Krieges gegen die Ukraine – der sich zunehmend wie der Prototyp für die Kriege der nahen Zukunft ausnimmt – richtet sich nicht danach, wie tapfer oder letal der durchschnittliche Infanterist kämpft, sondern danach, ob die Ukraine und ihre Verbündeten in der Lage sein werden, der russischen Wirtschaft zuzusetzen und die russischen Ressourcen auf dem Schlachtfeld und an der Heimatfront zu verschleißen, indem sie Millionen von Drohnen, Artilleriegranaten und Langstreckenwaffensysteme herstellen. Das sind die Waffen, mit denen heute Ölraffinerien, Kraftwerke und andere Ziele attackiert werden, die sich Hunderte oder Tausende von Kilometern hinter den Frontlinien befinden.

Wie ich in meinem neuen Buch War and Power: Who Wins Wars – And Why aufzeige, leisten führende Militärs mächtiger Nationen sich seit Generationen fundamentale Denkfehler in der Frage, was einen Staat in die Lage versetzt, einen Krieg zu gewinnen. Viele dieser Fehler sind Ausdruck eines Konfliktverständnisses, das wir „gefechtszentriert“ nennen könnten und bei dem davon ausgegangen wird, dass das Ergebnis davon abhängt, was geschieht, wenn die Soldaten auf dem Schlachtfeld aufeinandertreffen. Nach diesem Verständnis kann ein Krieg – oft in einem frühen Stadium – durch eine entscheidende Schlacht eine Wendung nehmen, bei der eine Seite die andere Seite in eine Situation bringt, die sie nicht durchhalten kann.

In den modernen Kriegen wird allerdings in den meisten Schlachten nicht um die Kontrolle von strategisch immens wichtigen Gebieten gekämpft, und fast nie werden dabei Rüstungsgüter in kriegsentscheidenden Mengen zerstört. Einzelne Schlachten sind nicht kriegsentscheidend, sondern geben Aufschluss über den Verlauf eines Krieges, indem sie sichtbar machen, wie verschiedene Armeen ihre Truppenstellung betreiben und sich an immer wieder veränderte Gegebenheiten anpassen. Die Kriege von heute werden weniger durch die militärischen Möglichkeiten entschieden, über die jede Seite bei Kriegsbeginn verfügt, sondern vielmehr durch die Fähigkeit der Beteiligten, neue Streitkräfte aufzubauen, sich auf neue Technologien einzustellen und koordiniert mit Verbündeten zusammenzuarbeiten.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges gingen viele große europäische Staaten davon aus, dass sie den Konflikt nach kurzer Zeit würden beenden können, indem sie ihren Feind in den ersten Schlachten niederringen. Das berühmteste Beispiel ist Deutschlands Schlieffen-Plan, der von der Prämisse ausging, dass die deutsche Armee die französische Armee rasch werde besiegen und Paris werde einnehmen können, sodass Frankreich aus dem Krieg ausschiede und die Deutschen das Gros ihrer Armee gegen das zaristische Russland aufbieten könnten. Es kam jedoch anders. Der Krieg war nicht vor Weihnachten 1914 beendet, wie Kriegsparteien beider Seiten prognostiziert hatten. Stattdessen entwickelte sich ein Zermürbungskrieg, der mehr als vier Jahre andauerte und Soldaten aus der ganzen Welt in den Krieg hineinzog und in dem viele Millionen Menschen getötet wurden.

Im Zweiten Weltkrieg wurde bei einzelnen Schlachten – selbst bei denen, die als die wichtigsten in Erinnerung geblieben sind – selten viel Material zerstört, wenn man es zu den damaligen Produktionsmengen ins Verhältnis setzt. 1943 zum Beispiel lieferten die Armeen Deutschlands und der Sowjetunion sich in Kursk die größte Panzerschlacht des Krieges, die oft als Wendepunkt im Kriegsverlauf bezeichnet wird. Doch in der intensivsten Phase der Kampfhandlungen – in den ersten zehn Tagen – verlor Deutschland nur rund 300 Panzer, bei denen es sich zumeist um ältere, weniger effiziente Modell handelte. Zu diesem Zeitpunkt produzierte Deutschland 11 000 Panzer pro Jahr. Schon bald wurden die in Kursk zerstörten, veralteten Modelle durch modernere Panzer ersetzt, durch die Deutschlands Panzerflotte sich – im Durchschnitt betrachtet – qualitativ verbesserte.

Entschieden wurde der Zweite Weltkrieg am Ende dadurch, dass es der Sowjetunion und ihren wichtigsten Verbündeten USA und Großbritannien gelang, eine so viel bessere Truppenstellung zu bewerkstelligen und durchzuhalten, dass es für Deutschland hoffnungslos war, sich damit messen zu wollen.

Ebenso wie der Zweite Weltkrieg hat sich der Krieg in der Ukraine zu einem langen, brutalen Ringen um Truppenstellung und Zerstörung entwickelt. Vor dem Beginn seines Großangriffs im Februar 2022 glaubte Russland ebenso wie zahlreiche externe Beobachter, dass es mit seinen überlegenen Beständen an Panzern, Kriegsschiffen und anderen Fahrzeugen die Ukraine in kurzer Zeit vernichtend schlagen werde. Der Krieg werde binnen Stunden entschieden sein und nach wenigen Tagen enden; die Russen würden Kyiv unter ihre Kontrolle bringen und die ukrainische Führung würde fliehen, um ihr Leben zu retten. Das war eine tragische Verkennung dessen, was Krieg ist. Stattdessen schlug die Ukraine erfolgreich zurück. Der Krieg zog sich in die Länge, bildete Metastasen und führte allein auf russischer Seite zu mehr als einer Million Toten und Verwundeten.

Die Armeen von 2025 haben nicht mehr viel mit den Armeen von 2022 gemein.

In den vergangenen dreieinhalb Jahren mussten beide Seiten permanent neue Streitkräfte mit neuen Waffen stellen und die Versorgung im Kampfgebiet aufrechterhalten. Die Armeen von 2025 haben inzwischen nicht mehr viel mit den Armeen von 2022 gemein. Anfangs waren Drohnen in den meisten Fällen Nebensache, und beide Seiten brachten Panzer, gepanzerte Mannschaftswagen und in einigen Fällen massierte Infanterie in die Frontgebiete. Die Ukrainer setzen Drohnen und Raketen ein, um die größten russischen Überwasserschiffe im Schwarzen Meer zu versenken, und zwangen die übrigen in die Häfen zurück. Beide Länder bombardieren sich nahezu jede Nacht gegenseitig mit Langstreckendrohnen. Wenn der Krieg eines Tages entschieden sein wird, werden beide Armeen viele Male zerstört und wiederaufgebaut worden sein. Genau das geschieht in den meisten Kriegen.

Für die Vereinigten Staaten verheißen diese Dynamiken im Falle eines langen Krieges gegen China nichts Gutes. Momentan haben die USA scheinbar die leistungsfähigere Armee, die auf jeden Fall mehr Kampferfahrung hat und technologisch höher entwickelt ist. Sie können den Chinesen zu Beginn überproportional große Verluste beibringen. Doch wegen ihrer geschrumpften Produktionskapazität hätten die USA Mühe, auch nur einen kleinen Teil der Verluste auf dem Schlachtfeld auszugleichen, die sie unweigerlich erleiden würden. China – das als Werkbank der Welt inzwischen das gleiche Niveau erreicht hat wie die Vereinigten Staaten einst im Zweiten Weltkrieg – wäre in der Lage, in beeindruckendem Tempo Waffennachschub zu produzieren.

Die erste Aufgabe für die US-Armee wäre vermutlich die Kontrolle des Schiffsverkehrs im Pazifischen Ozean. Doch in den USA ist eine Schiffbauindustrie weitgehend nicht vorhanden. Laut einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Center for Strategic and International Studies wurden zum Beispiel 2024 nur 0,1 Prozent der weltweiten Schiffstonnage von den Vereinigten Staaten und mehr als 50 Prozent von chinesischen Werften gebaut. Die USA hat tatenlos zugesehen, wie seine Schiffswerften stillgelegt werden, und Generationen von Schiffbau-Expertise verloren. Heute verfügen sie – abgesehen von einigen wenigen Schiffbaubetrieben, von denen die US-Marine beliefert wird – kaum über erfahrene Werftarbeiter. Bevor die USA anfangen könnten, auch nur einen Bruchteil des chinesischen Ausstoßes an Schiffen zu produzieren, müsste die ganze Expertise erst wiederaufgebaut werden, was Jahre dauern würde.

Ein Staat kann Probleme nicht einfach mit Geld zuschütten und in kurzer Zeit produktive strategische Industriezweige aufbauen.

Der Schiffbau ist nur einer der Industriezweige, in denen es den USA schwerfallen würde, bei der Produktion Schritt zu halten. Zum Beispiel kontrolliert China 90 Prozent der weltweiten Produktion kommerzieller Drohnen und liefert viele der Komponenten, die heute sowohl in ukrainischen als auch in russischen Drohnen verbaut werden. Der amerikanische Reichtum ist keine große Hilfe: Ein Staat kann Probleme nicht einfach mit Geld zuschütten und in kurzer Zeit produktive strategische Industriezweige aufbauen. Verschärfend kommt für die USA hinzu, dass ihre Verbündeten militärisch noch schlechter gerüstet sind und Washington gegenwärtig alles tut, um sie zu verprellen, statt den Zusammenhalt zu stärken, der erforderlich ist, um China abzuschrecken und gegen China zu kämpfen.

Hegseth mag sich lieber der Vorstellung hingeben, die Tapferkeit der amerikanischen Soldaten könnte alle anderen Nachteile wie eine geschrumpfte militärisch-industrielle Basis und bröckelnde Bündnisse wettmachen. Statt sich mit der eigenen Überlegenheit im Kampf Mann gegen Mann zu brüsten, sollten die USA sich daranmachen, ihre Armee auf einen Ansturm chinesischer Drohnen und auf einen Konflikt vorzubereiten, der möglicherweise Jahre dauern wird. Andernfalls gewinnt es vielleicht die ersten Schlachten – aber wird den Krieg auf der langen Strecke wahrscheinlich verlieren.

© The Atlantic

Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld