Das Ergebnis der Regionalwahlen wird häufig als krasse Niederlage des Front National (FN) gedeutet. Ist das eine zutreffende Analyse?

Diese Bewertung ist sicherlich zu euphorisch. Richtig ist dennoch, dass die Strategie des FN, sich nach den Erfolgen bei den Kommunal- und Departementswahlen nun auch auf regionaler Ebene zu etablieren und dort „Regierungsfähigkeit“ unter Beweis zu stellen, damit erst einmal durchkreuzt ist.

Festzuhalten bleibt auch, dass das gute Abschneiden des Front National gerade im ersten Wahlgang zum großen Teil auf die hohe Wahlenthaltung und auf eine mittlerweile stärkere lokale Verankerung der Kandidaten als noch vor wenigen Jahren zurückzuführen ist. Während die Wahlenthaltung im ersten Wahlgang noch bei über 50 Prozent lag, sank sie im zweiten jedoch auf 41-42 Prozent. Der hohe Mobilisierungsgrad der FN-Wähler konnte so gekontert werden.

Wenn man die besten nationalen Wahlergebnisse des FN aus der Vergangenheit mit dem Ergebnis vom 13. Dezember 2015 vergleicht, so ist der Zuwachs weniger spektakulär, als er im Vergleich zu der letzten Regionalwahl im Jahr 2010 erscheint. 2002 hatte Jean-Marie Le Pen im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 6,4 Millionen Stimmen errungen. Seine Tochter Marine Le Pen im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2012 ebenfalls 6,4 Millionen Stimmen. Bei den Regionalwahlen 2015 wurden 6,8 Millionen Stimmen für den FN gezählt.

Im Unterschied zu früheren Wahlen zeigt sich im Trend aber eine stärkere lokale und regionale Verankerung des FN. Die zum Teil verdreifachten Wahlergebnisse in manchen Regionen sind alleine durch die hohe Anzahl der Nichtwähler im ersten Wahlgang nicht zu erklären. Die seit April 2014 regierenden Bürgermeister des FN (in acht Städten) und die mehr als 1.000 Gemeinderäte haben ganz offensichtlich das Terrain bereitet für die Etablierung des FN auch in den Regionen.

Die Tatsache, dass der FN nun in keine Regierungsverantwortung gekommen ist, führt auch dazu, dass die Partei weiter populistisch Stimmung machen kann, ohne tatsächliche Politik umsetzen zu müssen. Ist das ein Vor- oder Nachteil?

Das stimmt nur zum Teil, ist der FN doch auf kommunaler und Departementsebene bereits etabliert. Die Kompetenzen auf regionaler Ebene sind ja nicht mit denen der deutschen Bundesländer vergleichbar, insofern hätte der Sieg des FN stärker symbolischen als realpolitischen Charakter gehabt. Und daraus wäre ein Argument im Sinne der „Normalisierungsstrategie“ Marine Le Pens geworden, weil sich aufgrund der primär administrativen Aufgaben auf regionaler Ebene bis zu den Präsidentschaftswahlen 2017 kaum Raum für politisches Versagen eröffnet hätte.

Die populistische Stimmungsmache wäre also sicher nicht durch die Machtübernahme in einer Region zum Erliegen gekommen. Darüber hinaus zeichnet sich der Populismus des FN ja vor allem durch seine Gegnerschaft zur Globalisierung, zur Europäischen Union und der Zuwanderung aus. So hat Marine Le Pen am Wahlabend auch zuspitzend formuliert, dass das französische Parteiensystem weiterhin ein Zweiparteiensystem sei, nämlich zwischen den „Mondialisten“, also Sarkozys Republikanern, den Sozialisten und anderen Linksparteien einerseits sowie den „Patrioten“, also dem FN andererseits. Dies alles sind Themen, die keinerlei konkrete Umsetzung durch die Regionalregierungen finden.

Die Sozialisten sind der moralische Sieger dieser Wahlen, indem sie zum Rückzug ihrer Kandidaten und ihrer Listen in drei Regionen aufgerufen hatten, in denen der FN die besten Aussichten auf einen Sieg hatte.

Die Parti Socialiste (PS) hat sich zum Wahlhelfer der Republikaner gemacht. Droht sich dieses Szenario bei den Präsidentschaftswahlen zu wiederholen?

Die Sozialisten sind der moralische Sieger dieser Wahlen, indem sie zum Rückzug ihrer Kandidaten und ihrer Listen in drei Regionen aufgerufen hatten, in denen der FN die besten Aussichten auf einen Sieg hatte. In allen dreien konnte so der Kandidat der Konservativen den Sieg einfahren. Darüber hinaus schnitt die PS besser ab als prognostiziert. Von neun Regionen (auf Korsika herrschen eigene Gesetzmäßigkeiten) konnten sie fünf gewinnen und in zwei weiteren scheiterten sie nur denkbar knapp. Angesichts einer generellen Stimmung und der massiven Wahlschlappen in den vorausgehenden Wahlen (Europa-, Kommunal-, Departement- und Senatswahlen) ist das eher eine Stabilisierung als eine weitere Niederlage.

Für die Präsidentschaftswahlen wird es entscheidend darauf ankommen, mit welchem Spitzenkandidaten die Konservativen ins Rennen gehen werden. Bei einer Urwahl im kommenden Frühjahr soll dies entschieden werden. Sollte Nicolas Sarkozy diesen Entscheid gewinnen, steigen die Chancen für den sozialistischen Kandidaten, in den zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 zu kommen – gegen Marine Le Pen. Sarkozy polarisiert die Wähler stark und hat zudem bereits eine mäßig erfolgreiche Präsidentschaft hinter sich. Wähler der Mitte würden deshalb im ersten Wahlgang eher für den sozialistischen Kandidaten stimmen oder sich enthalten. Der größte parteiinterne Konkurrent Sarkozys, der Bürgermeister von Bordeaux Alain Juppé hingegen, würde auch die Wähler aus der Mitte ansprechen.

 

 

Die Fragen stellte <link ipg unsere-autoren autor ipg-author detail author hannes-alpen _blank external link in new>Hannes Alpen.