Astrid Becker, Leiterin des Landesbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Lima, über die Wahlen in Peru.

Letzten Sonntag standen das Präsidentenamt, 130 Mitglieder des Kongresses sowie fünf Sitze für das Anden-Parlament zur Wahl. Wie ist das Ergebnis zu bewerten?

Auch wenn das amtliche Endergebnis der Wahlen erst für Dienstagabend erwartet wird, dürfte sich an den aktuellen Trends nach Auszählung von 70 Prozent der Stimmung wenig ändern: Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen hat Keiko Fujimori von Fuerza Popular erwartungsgemäß mit 39,5 Prozent gewonnen. Da sie jedoch die absolute Mehrheit verfehlte, wird sie am 5. Juni in einer Stichwahl gegen Pedro Pablo Kuczynski (Peruanos por el Kambio – PKK) antreten müssen. Der 77 Jahre alte Kuczynski hat mit seiner Partei erstmals kandidiert und erzielte 23,7 Prozent. Der ehemalige erfolgreiche Wirtschaftsminister der Regierung Toledo wirbt vor allem mit seiner Wirtschaftskompetenz. Auf dem dritten Platz liegt mit 17,1 Prozent Veronika Mendoza von der Frente Amplio para Justicia, Vida y Libertad (FA). Mendoza lag kurz nach Schließung der Wahllokale fast gleichauf mit Kuczynski.

Mit der Frente Amplio ist nun erstmals seit über 20 Jahren eine große Fraktion linker Parteien und Gruppen im Kongress vertreten.

Die Kandidatin des einzigen Linksbündnisses bei diesen Wahlen fordert einen Wechsel des exportorientierten Wirtschaftsmodells und setzte sich für die Frauenrechte ein. Weitere Präsidentschaftskandidaten wie Alfred Barnechea (Acción Popular, 7,5 Prozent) und Alan Garcia (Alianza Popular, 6,1 Prozent) spielten im Rennen um den zweiten Platz keine Rolle. Damit dominieren im neuen Kongress ganz klar die konservativen Kräfte. Allerdings ist mit der Frente Amplio erstmals seit über 20 Jahren eine große Fraktion linker Parteien und Gruppen im Kongress vertreten.

Da keine Person die erforderliche Mehrheit erhalten hat, wie sehen die Chancen der beiden Bestplatzierten für die Stichwahl aus?

Fujimori und Kuczynski sind konservativ und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Programme wenig. Wirtschaftspolitisch stehen sie für die Fortführung des aktuellen Entwicklungsmodells, das auf einseitig auf den Export von Bergbau- und Erdölprodukten setzt, wobei in der Vergangenheit zahlreiche soziale Konflikte und Umweltkatastrophen in Kauf genommen wurden. Es stellt sich die Frage, ob Fujimori mit 39 Prozent ihr Potenzial ausgeschöpft hat. Sollte sie die Stichwahl für sich entscheiden, könnte sie mit der Mehrheit ihrer Kongressfraktion relativ unabhängig von den anderen politischen Kräften regieren. Kuczysnki wird von wichtigen Kreisen der Wirtschaft unterstützt, sein möglicher Sieg wird zudem maßgeblich davon abhängen, ob er die Unterstützung der Wähler der ausgeschiedenen Präsidentschaftskandidaten gewinnen kann. Seine Arbeit könnte jederzeit durch die Kongressmehrheit der Fuerza Popular erschwert werden. Für Kuczynski spricht neben seiner Wirtschaftskompetenz sein anerkannt kompetentes Regierungsteam. Angriffsflächen bieten seine vorherige US-amerikanische Staatsbürgerschaft sowie sein Alter.

Den Wahlen gingen striktere Prüfungen der Kandidatinnen und Kandidaten durch den Wahlgerichtshof (JNE) voraus, wodurch zwei Personen, Julio Guzmán und César Acuña, von der Präsidentenwahl ausgeschlossen wurden. War dies rechtens und inwiefern hat dies den Wahlausgang beeinflusst?

Die Entscheidungen haben den Verlauf des Wahlkampfs erheblich beeinflusst, schließlich wurden knapp einen Monat vor der Wahl zwei Kandidaten, die in Umfragen ein Viertel der Stimmen auf sich vereinten, von der Wahl ausgeschlossen: Julio Guzmán (Todos por el Peru) wegen Mängeln bei seiner parteiinternen Wahl und Cesar Acuña (Alianza para el Progreso) wegen der Verteilung unerlaubter Wahlgeschenke. Das Verbot von Wahlgeschenken ist Teil der Wahlrechtsreform, die allerdings erst am 12. Januar 2016 in Kraft trat – also lange nach offiziellem Beginn des Wahlprozesses im Oktober 2015. Die Reform wurde im Kongress sehr halbherzig begonnen und ohne Weitblick zu Ende gebracht, so dass die neuen Regelungen viel Raum für Interpretationen lassen.

Bereits jetzt ist absehbar, dass es gegen Entscheidungen des JNE Klagen geben wird.

Bereits jetzt ist absehbar, dass es gegen Entscheidungen des JNE Klagen geben wird, zum Beispiel hinsichtlich des Aussetzens einer höheren Hürde für den Einzug in den Kongress von Parteibündnissen.

Besonders in der Kritik sind die Entscheidungen der Gerichtsbarkeit auf Ebene der Wahlbezirke, der Jurados Especiales Electoras (JEE). Sie trafen als erste Instanz die Entscheidungen hinsichtlich der Vorwürfe der Verteilung von Wahlgeschenken, wobei sie mit zweierlei Maß entschieden haben sollen.

Warum haben viele Keiko Fujimori gewählt, die Tochter des wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption im Gefängnis sitzenden ehemaligen Präsidenten Perus?

Für Keiko Fujimori ist der Familienname Bonus und Malus zugleich: Seit ihrer Niederlage in der Stichwahl gegen den gegenwärtigen Amtsinhaber Ollanta Humala 2011 hat sie intensiv am Aufbau einer landesweiten Präsenz ihrer Partei Fuerza Popular gearbeitet, wobei sie besonders junge Menschen angesprochen hat. In ihrem populistischen Wahlprogramm setzt sie auf hartes Durchgreifen gegen Kriminalität und Deregulierung. Dies erinnert viele an die Herrschaft ihres Vaters, der die Terrorbewegung Leuchtender Pfad erfolgreich bekämpft, aber 1992 auch die Verfassung für neun Monate außer Kraft gesetzt hatte. Daher ist der Name Fujimori wegen der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und der Korruption bei vielen Peruanerinnen und Peruanern verhasst. Zuletzt demonstrierten am 5. April, dem Jahrestag des Staatsstreichs von Alberto Fujimori, Zehntausende in Lima, aber auch im Süden des Landes gegen die Kandidatur Keiko Fujimoris. Auch ihre Ankündigung, einen Aussöhnungsprozess einzuleiten, wird von vielen Wählerinnen und Wählern als populistischer Zug zum Gewinn der Stichwahl gewertet.

Wie ist das Wahlergebnis mit Blick auf Perus Rolle in Lateinamerika zu bewerten?

Neue Impulse für die Rolle Perus in Lateinamerika sind nicht zu erwarten. Angesichts der nun zur Wahl stehenden Kandidaten dürfte das Land seinen außen- und wirtschaftspolitischen Kurs beibehalten, das heißt handels- und wirtschaftspolitische Abkommen werden weiterhin Priorität vor regionalen Integrationsprogrammen genießen. Schwerpunkte dürften die Pazifik-Allianz sowie der Abschluss weiterer internationaler Freihandelsabkommen wie aktuell der Trans Pacific Partnership (TPP) sein

 

Die Fragen stellte Anja Papenfuß.