Seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in Afrika sind 60 Jahre vergangen, trotzdem sind ihre Überreste noch lange nicht verschwunden. Besonders deutlich wird der andauernde Einfluss Frankreichs an der letzten bestehenden Kolonialwährung, dem Franc CFA. Obwohl sie bei vielen verhasst ist und als offenes Symbol der Abhängigkeit von Frankreich gilt, wird sie noch immer in 14 west- und zentralafrikanischen Staaten von mehr als 187 Millionen Menschen genutzt.
Dabei stellt sich die Frage, warum es den Franc CFA überhaupt noch gibt und wie er zur never ending story werden konnte? Als Franc für die französischen Kolonien wurde die Währung 1945 eingeführt. Seitdem gab es schon mehrere Versuche, die Währung zu Grabe zu tragen, die jedoch allesamt scheiterten. Bereits 1960 stand die Währung mit der Unabhängigkeit 14 afrikanischer Staaten vor dem Ende. Doch die französische Regierung hielt die Zone Franc mit eiserner Hand zusammen. Charles de Gaulle wollte unbedingt die französische Einflusszone bewahren, um so durch den Einfluss auf die Währungspolitik einen idealen Hebel für wirtschaftliche Dominanz in der Region in der Hand zu haben. Alle Währungsreserven der Staaten wurden weiterhin in der Banque de France gelagert und der Wechselkurs des Franc CFA wurde an den französischen Franc und ab 2002 an den Euro gekoppelt.
Im Jahr 2019 haben die acht Länder der westafrikanischen Zone Franc (UEMOA) – Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo – einen Reformprozess gestartet. In der zentralafrikanischen Währungsgemeinschaft –Äquatorialguinea, Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Tschad, Zentralafrikanische Republik – gibt es hingegen noch keine Reformpläne. In Westafrika soll der Franc CFA in ECO umbenannt werden und die Abhängigkeit von Frankreich soll abgeschafft werden. Doch ein vollständiges Loslösen von der alten Kolonialwährung gestaltet sich schwierig.
Ein Problem für die Abschaffung des Franc CFA ist ein bestehender Reformstau, der durch die wirtschaftlichen Turbulenzen während der Covid-19-Pandemie noch verlängert wurde. Ein weiteres ist die Unklarheit über die konkrete Umsetzung. Die Franc-CFA-Staaten wollen die neue Währung zusammen mit den wirtschaftsstarken anglophonen Staaten Ghana und Nigeria einführen, deren eigene Währungspolitik wesentlich flexibler ist. Heutzutage hapert es also nicht mehr an einer französischen Blockade, sondern an den großen wirtschaftlichen und politischen Unterschieden der einzelnen Länder.
Ein vollständiges Loslösen von der alten Kolonialwährung gestaltet sich schwierig.
Die Strukturen des Franc CFA, geschaffen für den kolonialen Absatzmarkt Frankreichs, sind seit der Kolonialzeit kaum verändert worden. Die Kritik, es handle sich um eine neokoloniale Währung, ist ebenfalls nicht neu. Schon Sekou Touré, der erste Präsident Guineas, sagte kategorisch „Nein“ zu den Abkommen mit Frankreich und trat aus der Währungsunion aus. In den 1980er Jahren empörte sich der revolutionäre Thomas Sankara in Burkina Faso nicht nur über die Staatsschuldenabhängigkeit vom Westen, sondern auch über den französischen Währungsimperialismus. Auch der 2012 gestürzte Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo und jüngst der senegalesische Oppositionsführer Ousmane Sonko sind bekannte Kritiker des Franc CFA.
Auch Frankreich versucht sich inzwischen von der Währung loszusagen. In einer gemeinsamen Erklärung mit dem ivorischen Präsidenten Ouattara, hat der französische Präsident Macron Ende 2019 die Ablehnung anerkannt und ein Ende der Währung verkündet. Macron sagte, er habe insbesondere die Kritik der Jugend gehört, die die Beziehung zu Frankreich als „postkolonial“ betrachte. Vor seiner Reise in zentralafrikanische Länder im Februar 2023 stellte Macron seine neue Afrikapolitik vor. Damit sei die Francafrique, die bevormundende und neokoloniale Beziehung Frankreichs zu den ehemaligen Kolonien passé. Macron ist bemüht, zumindest symbolisch, eine Veränderung in den afro-französischen Beziehungen herbeizuführen.
Woher kommt dieser Sinneswandel? Ist der politische Preis für den Franc CFA zu hoch, oder haben sich die wirtschaftlichen und geopolitischen Prioritäten Frankreichs verändert? Die französischen Wirtschaftsbeziehungen und auch dessen militärische Missionen sind in den vergangenen Jahren zunehmend diskreditiert worden bzw. gescheitert. Der privilegierte Zugang zu den ehemaligen Kolonien bringt nicht mehr die Vorteile, die er noch in den 1960er oder 1980er Jahren erbrachte. Länder wie Angola, Nigeria oder Südafrika sind in den letzten Jahren deutlich wichtiger für Frankreich geworden. Es geht nicht mehr nur um den Zugang zu Rohstoffen, sondern um starke geopolitische Allianzen, zunehmend auch im Wettbewerb mit China und Russland.
Neu in der Debatte um den Franc CFA ist die lautstarke, populäre Kritik, die einen Bruch mit der Währung fordert. Immer mehr soziale Bewegungen wie France, Dégage („Frankreich, Verschwinde“) oder Urgences Panafricanistes („Panafrikanische Notfälle“) mobilisieren gegen den Franc CFA. Diese sozialen Bewegungen sind nicht rein „anti-französisch“, sondern sie äußern legitime Kritik an den wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen der Staaten mit Frankreich und bringen zusätzlich innovative Ideen für Veränderungen hervor.
Die Währung ist zu einem postkolonialen Symbol geworden.
Im Senegal verbindet sich gerade die neokoloniale Kritik mit einem Bitcoin-Hype. Bitcoiner träumen vom dezentralen und selbstkontrollierten Geld. Das trifft besonders in den Ländern mit einer jahrzehntelangen Währungsabhängigkeit auf große Resonanz. Der utopische, dezentrale, aber auch volatile Bitcoin ist das genaue Gegenteil vom Franc. Kein Wunder also, dass Kryptowährungen in der Franc-CFA-Zone so populär sind. Die Regierung in der Zentralafrikanischen Republik hat 2022 sogar angekündigt, den Bitcoin als weitere Landeswährung neben dem Franc CFA einzuführen. Der aktuelle Krypto-Hype knüpft innovativ und gleichzeitig riskant an die jahrzehntelange Kritik an der Währungsabhängigkeit von Frankreich an.
Um die gesamte Franc-CFA-Debatte zu verstehen, muss zwischen den zwei Seiten der Kritik an der Währung unterschieden werden. Die eine Seite ist dabei eine historisch politische Kritik. Die Währung ist zu einem postkolonialen Symbol geworden, das insbesondere der politisierten Jugend in westafrikanischen Ländern ein Dorn im Auge ist. Auch wenn das C in CFA seit 1960 nicht mehr für colonies steht, sondern für communauté („Gemeinschaft“) – in der Westafrikanischen Union – bzw. für cooperation („Zusammenarbeit“) – in Zentralafrika –, wird es vielerorts als neokoloniales Instrument wahrgenommen.
Auf der anderen Seite gibt es auch ökonomische Kritik an der Währung. Die zentrale Frage ist dabei, welche Währung eine souveräne und nachhaltige Entwicklung ermöglicht. Ist eine Gemeinschaftswährung die optimale Lösung für alle Franc-CFA-Staaten, oder sind nationale Zentralbanken besser? Wie soll die wirtschaftliche Integration in Westafrika organisiert werden? Die regionale Wirtschaftsunion ECOWAS (Economic Community of West African States), in der auch die wirtschaftlich stärkeren Staaten Ghana und Nigeria Mitglieder sind, hat beschlossen, bis 2027 den ECO einzuführen. Es hapert jedoch an der wirtschaftlichen Konvergenz, da sich die Volkswirtschaften stark unterscheiden. Eine Bedingung für die Wirtschaftsunion ist, dass alle Staaten ihre Wirtschaftspolitik anpassen und ein Inflationsniveau von unter zehn Prozent einhalten. Nigeria und Ghana sind aktuell jedoch weit davon entfernt.
Allein die Megastadt Lagos erwirtschaftet binnen weniger Tage das jährliche Bruttoinlandsprodukt Gambias.
Ähnlich wie bei der Erweiterung des Euroraums stellt sich die Frage, wie ein gemeinsamer Markt, mit ungleich starken Volkswirtschaften funktionieren kann. Allein die Megastadt Lagos erwirtschaftet binnen weniger Tage das jährliche Bruttoinlandsprodukt Gambias. Solche wirtschaftlichen Diskrepanzen stellen die wirtschaftliche Integration dieser Staaten vor große Herausforderungen. Für einige Ökonomen sind nationale Lösungen mit unterschiedlichen, angepassten Währungspolitiken wirtschaftlich sinnvoller. Nationale Währungen ermöglichen im Gegensatz zu einer Regionalwährung auch mehr politische Legitimität. Währungen waren schon immer stark mit Nationalismus verbunden und dienen als Identifikationssymbole – wie sich nicht zuletzt auch am Widerstand gegen den Franc CFA zeigt.
Kako Nubkpo, togolesischer Ökonom bei der westafrikanischen Zentralbank, betont, dass eine neue Währungspolitik nur ein Faktor für den wirtschaftlichen Wandel ist. Für ihn gilt es, die wirtschaftliche Entwicklung in kleineren Volkswirtschaften zu schützen und nicht von größeren Staaten überrollen zu lassen. Die 2018 beschlossene afrikanische Freihandelszone (African Continental Free Trade Area) sieht er daher mit gemischten Gefühlen. Einerseits sei ein starker intra-afrikanischer Handel seit Jahrzehnten die Vision antikolonialer Bewegungen. Andererseits mangele es an der pragmatischen Umsetzung, die eine gezielte Subventionspolitik beinhalten müsse.
Frankreichs Handel mit den CFA-Staaten ist in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. In den meisten Ländern ist China mit Abstand der wichtigste Handelspartner. Wirtschaftlich hat Frankreich wenig von der ehemaligen Kolonialwährung, doch der ideologische und politische Einfluss aus dem Schatten ist nicht zu unterschätzen. Frankreich hält weiterhin zwei Sitze im Verwaltungsrat, im höchsten Gremium der westafrikanischen Zentralbank. Damit ist die Zentralbank alles andere als unabhängig. Die rigorose Inflationskontrolle ist aus der Zeit gefallen und eine progressive Investitionspolitik ist so mit dem Franc CFA nicht möglich.
Welche Währungspolitik am besten ist, muss in Zukunft weiter debattiert werden. Die sozialen Bewegungen, Bitcoiners oder progressive Ökonomen bringen hier wichtige Steine ins Rollen. Der westafrikanische Markt sollte nicht abhängig von einem starken Euroraum sein. Von einer wachsenden und souveränen westafrikanischen Union würde auch die EU profitieren.