Wenn man an den „Wettlauf ins All” denkt, kommt den meisten zunächst das Weltraumrennen während des Kalten Krieges und die Mondlandung vor 55 Jahren in den Kopf. Die Erforschung des Weltraums gehört aber nicht nur in die Geschichtsbücher. Die Raumfahrt erlebt derzeit eine Revolution, die mit der Entwicklung des Internets vor 20 Jahren vergleichbar ist. Dies wird sich unmittelbar auf weitere Bereiche auswirken, vom Klimawandel bis hin zu Industrie, Sicherheit und geopolitischen Strategien.

Während die Weltraumforschung einst von den Supermächten – den USA und der Sowjetunion – dominiert wurde, haben sich die Akteure inzwischen stark vervielfältigt. So ist beispielsweise Indien im vergangenen Jahr mit der Mission Chandrayaan-3 als erste Nation eine weiche Landung, ein sogenanntes „Soft Landing”, am Südpol des Mondes gelungen, wo bedeutende Mineralien entdeckt wurden.

Wissenschaftliche Neugier kennzeichnet primär die Motivation, die hinter all den neuen Missionen steckt. Entdeckungen auf dem Mond wie Wasser und Helium-3, welche bei entsprechendem Forschungsfortschritt die gesamte Erde mit Energie versorgen könnten, haben diese Neugier weiter verstärkt. Gleichzeitig konkurrieren die Staaten im Weltraum um Macht, angetrieben von rasanten technologischen Fortschritten und Entwicklungen. Viele wollen dort Ressourcen abbauen, um sie anschließend auf der Erde zu nutzen. Ziel des NASA-Programms Artemis ist es, dies bis Ende 2025 zu erreichen.

Darüber hinaus werden zahlreiche Satelliten ins All geschickt, die der Menschheit bei der Beobachtung und Überwachung unseres Planeten helfen sollen. Ein Beispiel dafür ist die Mission EarthCARE, die im vergangenen Monat gestartet ist und wertvolle Daten über das Verhalten von Wolken und Aerosolen im Zusammenhang mit dem Klimawandel sammeln soll. Die Zahl der kommerziellen Raketenstarts ist um 50 Prozent gestiegen, angeführt von privaten Raumfahrtunternehmen wie Elon Musks SpaceX. Dies spiegelt nicht nur ein gesteigertes Interesse und visionäre Ziele wider, sondern fördert auch die Innovation durch Wettbewerb und Zusammenarbeit zwischen diesen Unternehmen.

Seit Beginn des Raumfahrtzeitalters befinden sich rund 17 000 Satelliten in der Erdumlaufbahn.

Die Faszination für den Weltraum wurde durch private Investitionen, technologischen Fortschritt und wachsendes öffentliches Interesse neu belebt. Weltraumtourismus, einst Science-Fiction, wurde Realität, wohlhabende Privatpersonen können nun gegen Bezahlung in den Orbit fliegen, etwa mit Virgin Galactic. Obwohl Unterhaltungsreisen durch den Weltraum unnötig klingen, bieten hohe Investitionen in die Raumfahrtindustrie und deren Entwicklung der Gesellschaft erhebliche Vorteile. So konnten beispielsweise mit Sentinel-Daten nach dem Erdbeben 2016 in Mittelitalien Bodenverschiebungen schnell erkannt werden, was eine schnelle Reaktion ermöglichte. Die Daten wurden in Finnland auch zur Überwachung der Waldverjüngung verwendet, was zu erheblichen Einsparungen und Einnahmen führte. Jeder Euro, der in den Weltraum investiert wird, kann zehn bis 100 Euro einbringen und lohnt sich daher, so Mindaugas Maciulevičius, Rapporteur im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss.

Die neuen Weltraummissionen bringen wichtige technologische Fortschritte, wie die Verbesserung der Telekommunikation, der Navigation und der medizinischen Ausstattung. Sie fördern zudem die internationale Zusammenarbeit, die Demokratisierung und liefern wichtige Daten für die Bekämpfung des Klimawandels sowie für die Bewirtschaftung der Erdressourcen. Das Satellitennetz verbessert die internationale Konnektivität und die globalen Aufklärungsfähigkeiten.

Wie die Internationale Raumstation ISS zeigt, erfordern die hohen Kosten von Raumfahrtmissionen internationale Zusammenarbeit. Zu den neuen kooperativen Raumfahrtbemühungen gehören das US-Programm ARTEMIS, Organisationen wie die Internationale Astronautische Föderation und die International Space Exploration Coordination Group sowie Raumfahrtagenturen wie die Europäische Weltraumorganisation (ESA) oder die NASA. Im Jahr 2017 wurde zudem die Moon Village Association als erste internationale NGO gegründet, um die Zusammenarbeit bei bestehenden und geplanten Weltraummissionen zu fördern. Die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit wird jedoch noch deutlicher, wenn man sich die Rechtslage im Weltraum anschaut. Es gibt einen dramatischen Mangel an rechtlich durchsetzbaren internationalen Vereinbarungen. Neue private Akteure und Start-ups operieren nun zusätzlich im All, was zu vielfältigen Risiken führt. Seit Beginn des Raumfahrtzeitalters befinden sich rund 17 000 Satelliten in der Erdumlaufbahn. Es wurden etwa 6 500 Raketen ins All geschickt, was zu mehr als 9 500 Tonnen Weltraummüll führte.

Bestehende Verträge wie der UN-Weltraumvertrag von 1967 werden oft unterschiedlich ausgelegt. So interpretierte Präsident Barack Obama 2015 den Vertrag dahingehend, dass zwar kein Anspruch auf das Territorium anderer Planeten erhoben werden könne, die Ressourcen aber nach erfolgreicher Ausbeutung in das Eigentum eines Staates übergehen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenderen Gesetzgebung. Andere Verträge, wie der Mondvertrag von 1979, schließen die USA und Russland nicht ein, und die ARTEMIS-Vereinbarung von 2020 schließt Russland und China aus. Es braucht jedoch einen gemeinsamen Standard für alle Weltraumakteure, um die Sicherheit und Nachhaltigkeit dieser Revolution zu gewährleisten.

Es braucht einen gemeinsamen Standard für alle Weltraumakteure.

Die Frage bleibt: Wie sind die Chancen für eine Einigung aller Staaten auf ein Gesetz? Beispielsweise will die ESA im Projekt SOLARIS Solarzellen auf dem Mond installieren. Wer müsste sein Einverständnis geben, damit sie dies durchführen kann? Bevor Staaten ganze Stationen auf anderen Planeten errichten, müssen die rechtlichen Bedingungen dringend geklärt werden.

Die Bemühungen der USA, eine einheitliche Mondzeitzone zu schaffen, scheinen der Beginn einer Debatte über die Bedingungen im Weltraum zu sein. Welch eine Ironie jedoch, sich darüber Gedanken zu machen, wenn sich die Vereinten Nationen nicht einmal auf ein aktualisiertes Gesetz einigen können, um ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern. Ohne eine globale Regelung für den Einsatz von Weltraumwaffen könnte sich das zerstörerische Verhalten, das wir auf der Erde über Zeitzonen hinweg beobachten, jedoch leicht im Weltraum wiederholen.

Bisher beschränkten sich die Absichten der ESA vor allem auf die Beobachtung und das Monitoring der Umwelt, wie zum Beispiel mit dem „Green Dossier“. Laut ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher hat Europa jedoch erkannt, dass es an der Zeit ist, eine Führungsrolle bei der Bewältigung der Herausforderungen durch die sich rasch verändernden Grenzen des Weltraums einzunehmen. Der letzte Weltraumgipfel 2023 konzentrierte sich auf die Stärkung der europäischen Ambitionen im Orbit. Inspiriert durch die erfolgreiche Zusammenarbeit der NASA mit privaten Unternehmen wie SpaceX, will die ESA mit privaten Entwicklern zusammenarbeiten und wettbewerbsfähiger werden, um bis 2028 eine Besatzung zur ISS zu schicken.

Die Raumfahrtstrategie der Europäischen Union zielt darauf ab, bis Ende dieses Jahres einen EU-Weltraumakt zu verabschieden. Und das ist gut so, denn wir haben keine Zeit zu verlieren. Um mit der internationalen Gemeinschaft mithalten zu können und nicht den Anschluss zu verlieren, muss Europa mehr in Raumfahrtprogramme investieren. Die EU sollte daher dringend ihre Kapazitäten ausbauen, da es momentan von den großen Weltraummächten abhängig ist. Es heißt, das Streben zum Mond sei nur der Anfang des Wettlaufs zum Mars. Da die Menschheit zunehmend in den Weltraum expandiert, muss Europa ein Mitspracherecht haben, wenn es darum geht, die Regeln festzulegen.