Seit dem 7. Oktober 2023 hat Deutschland Genehmigungen für die endgültige Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Israel mit einem Volumen von knapp 500 Millionen Euro erteilt. Die fortgesetzten Rüstungsausfuhren tragen nicht zur Lösung, sondern zur Verschärfung des Konflikts und zur Ausweitung der Gewalt in Gaza und der weiteren Region bei. Zudem verstößt Deutschland damit gegen völkerrechtliche Pflichten. Es ist kaum möglich, die Waffenlieferungen auf Güter für zweifellos legitime oder legale Verwendungen zu begrenzen. Die Bundesregierung sollte deshalb ein vollständiges und prinzipielles Waffenembargo beschließen.

Eine weitreichende Beschränkung von Rüstungsexporten hat bisher allerdings nicht stattgefunden. Zwar änderte sich die Bewilligungspraxis temporär im Februar 2024. So wurden seitdem keine Exporte von Kriegswaffen mehr genehmigt. Aber die grundsätzliche Bereitschaft zur Lieferung von Rüstungsgütern blieb bisher unangetastet. Zwar wuchs im Mai 2025 die Kritik an der deutschen Exportpolitik und am israelischen Gewalthandeln. Nach den israelischen und amerikanischen Angriffen auf den Iran signalisierte die Bundesregierung jedoch wieder ihre bedingungslose Unterstützung Israels. Aus Kreisen der SPD sind durchaus immer wieder andere Töne zu vernehmen, so auch beim Parteitag Ende Juni. Hervorzuheben ist die am 22. Juli veröffentlichte Forderung der SPD-Bundestagsfraktion, die Bundesregierung solle Waffenlieferungen aussetzen und die gemeinsame Erklärung der Außenminister von 28 Ländern unterstützen.

In Fragen des Nahostkonflikts isoliert sich die Bundesrepublik zunehmend – selbst gegenüber ihren engsten Partnerstaaten.

Dass Deutschland diese Erklärung nicht unterzeichnete, zeigt deutlich: In Fragen des Nahostkonflikts isoliert sich die Bundesrepublik zunehmend – selbst gegenüber ihren engsten Partnerstaaten. Während es die Bundesregierung bei Ermahnungen Israels belässt, haben andere europäische Staaten ihre Rüstungsexporte lange beschränkt oder ganz beendet. Darüber hinaus haben inzwischen zahlreiche Staaten Sanktionen gegen Mitglieder der israelischen Regierung verhängt. Weitere Sanktionen und andere Maßnahmen, etwa die Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens, werden von den meisten EU-Staaten befürwortet, aber von Deutschland verhindert. Ein Formelkompromiss der EU-Außenbeauftragten Kallas mit der israelischen Regierung, die humanitäre Hilfe deutlich zu steigern, entpuppt sich drei Wochen später als reine Farce. Deutschlands Verhalten fällt damit nicht nur zusehends aus dem europäischen und multilateralen Rahmen. Es schädigt auch nachhaltig das Ansehen der Bundesrepublik in der Region und bei anderen Partnern, die Deutschland nicht länger als glaubwürdigen Vertreter von Völker- und Menschenrechten ansehen.

Nach dem Stand der Forschung lassen sich nicht-staatliche Akteure in asymmetrischen Gewaltkonflikten nicht allein mit militärischen Mitteln besiegen, wenn sie über eine soziale Verwurzelung in der Bevölkerung verfügen und Regierungsfunktionen ausüben. Zwar schwächten die fortgesetzten Kampfhandlungen die Hamas militärisch. Allerdings verfügte die Organisation ein Jahr nach Kriegsbeginn laut Schätzungen, die auf Angaben des israelischen Militärs beruhen, noch über rund die Hälfte ihrer Kämpfer. Der ehemalige US-Außenminister ging im Januar 2025 gar davon aus, die Hamas habe genauso viele Kämpfer hinzugewonnen, wie sie seit Oktober 2023 verloren habe.

Auch in Bezug auf das zweite proklamierte Ziel der israelischen Regierung, die Befreiung der entführten Soldaten und Zivilpersonen, zeigt sich, dass bisher vor allem Verhandlungen erfolgversprechend waren. Seit dem Bruch der Waffenstillstandsvereinbarung am 18. März durch Israel im Gazastreifen wurde nur eine lebende Person befreit – vor allem aber aufgrund von Verhandlungen durch die US-Sondergesandten. Dies unterstreicht, dass das Paradigma militärischer Gewalt nicht zielführend ist. Außerdem sind deutsche Waffenlieferungen dem erklärten Ziel der Bundesregierung, die Sicherheit des Staates Israel zu erhöhen, sogar abträglich. Auch wenn die Angriffe auf den Iran sowie auf die Hisbollah im Libanon und in Syrien zunächst eine militärische Schwächung dieser Akteure nach sich ziehen: Die regionale Eskalation von Gewalt hat die Unsicherheit in derRegion erhöht.

Die Massengewalt gegen Zivilpersonen hat keinerlei Mehrwert für die Sicherheit des israelischen Staates.

Dies betrifft vor allem den Angriffskrieg gegen den Iran im Juni 2025. Dabei griffen die USA erstmalig direkt in das regionale Kriegsgeschehen ein. Das Ausmaß der Schäden an iranischen Nuklearanlagen scheint deutlich geringer zu sein, als zunächst von der Trump-Administration behauptet, und wirft das iranische Atomprogramm vermutlich nur um kurze Zeit zurück – so die Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums. Dafür wird inzwischen davon ausgegangen, dass die Geschehnisse den Iran bezüglich seiner nuklearen Bewaffnung eher bestärkt haben, um künftige israelische Angriffe abzuschrecken. Israels exzessive Anwendung militärischer Gewalt macht es regionalen Regierungen schwer, bestehende Friedensverträge und künftige Normalisierungsprozesse zu rechtfertigen. Die Massengewalt gegen Zivilpersonen insbesondere im Gazastreifen hat keinerlei Mehrwert für die Sicherheit des israelischen Staates.

Dabei sollte diese Gewalt zur Einstellung von Waffenexporten und zur Anpassung der Linie der Bundesregierung führen, weil es deutliche Anzeichen für zahlreiche tiefgreifende Völkerrechtsverstöße durch Israel gibt. Die einschlägigen völkerrechtlichen Vorschriften, speziell der Waffenhandelsvertrag, erlegen den Vertragsstaaten eine Sorgfaltspflicht auf. Danach müssen sie fortlaufend das Risiko prüfen, dass ihre Waffenexporte den internationalen Frieden, das humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte sowie weitere internationale Pflichten gefährden. Wird ein „überwiegendes Risiko“ für Rechtsverletzungen durch die gelieferten Waffen festgestellt, ist von einem Export abzusehen (Art. 7(3) des Waffenhandelsvertrag).

Diese Sorgfaltspflichten bei Waffenlieferungen finden nunmehr auch im Grundgesetz eine Stütze. Am 15. Juli 2025 entschied das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Ramstein-Fall zu den über Deutschland gesteuerten US-Drohnenangriffen im Jemen, dass das Grundgesetz dem deutschen Staat einen umfassenden Schutzauftrag im Hinblick auf das Handeln von Drittstaaten auferlegt. Dieser Schutzauftrag erstarkt zur Schutzpflicht, sofern die Handlungen des Drittstaates einen hinreichenden Bezug zur Staatsgewalt der Bundesrepublik aufweisen und die ernsthafte Gefahr von Völkerrechtsverletzungen besteht. Dies ist bei der Verwendung deutscher Waffen also der Fall.

Im Fall von Israel ist davon auszugehen, dass ein „überwiegendes Risiko“ bzw. eine „ernsthafte Gefahr“ von Völkerrechtsverletzungen besteht. Bereits seit Beginn der Eskalation im Oktober 2023 gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Israel in Gaza  schwerwiegend und wiederholt gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Dazu zählen viele durch die israelischen Streitkräfte selbst dokumentierte Angriffe auf geschützte Personen wie Journalisten, medizinisches Personal, Intellektuelle und Kinder. Ferner hat Israel Ziele angegriffen, die keinen militärischen Charakter haben: Universitäten, Krankenhäuser, Archive und Stätten der Religionsausübung. Zudem nimmt die israelische Armee bei ihren Angriffen außergewöhnlich hohe Kollateralschäden in Kauf. Feststellungen werden dadurch erschwert, dass Israel keine ausländischen Journalisten nach Gaza lässt bzw. ihnen die Akkreditierung entzogen hat. Die Umstände haben aber dennoch zur Strafverfolgung bezüglich einzelner Soldaten im Ausland geführt – zuletzt auch zu einer kurzfristigen Festnahme zweier israelischer Soldaten in Belgien, die der Beteiligung an Kriegsverbrechen verdächtigt werden. Diese hatten sie zuvor selbst in sozialen Medien dokumentiert.

Schließlich verdichten sich die Hinweise, dass Israel einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza begeht.

Schließlich verdichten sich die Hinweise, dass Israel einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza begeht. Jedenfalls sah der Internationale Gerichtshof (IGH) hierfür bereits im Frühjahr 2024 Anhaltspunkte. Das Urteil des IGH im von Südafrika angestrengten Verfahren gegen Israel steht noch aus. Dennoch gehen zahlreiche Juristen und Völkerrechtsexperten davon aus, dass zumindest in Teilen die objektiven Tatbestandsmerkmale eines Genozids erfüllt sind – einschließlich der Vernichtungsabsicht. Das betrifft insbesondere die vorübergehend vollständige Vorenthaltung humanitärer Hilfe im März 2025, die mit vielen Toten einhergehende Ausgabe von Hilfsleistungen durch die Gaza Humanitarian Foundation sowie die Konzentration der Bevölkerung auf einer kleinen Landfläche mit dem Ziel, sie zur Ausreise zu bewegen, ohne dass Fluchtorte bestehen würden.

Auch andere Gewaltmaßnahmen Israels verstoßen gegen internationales Recht. Israelische Einsätze in der Westbank dürfen wegen der vom IGH bescheinigten Illegalität der Besatzung nicht durch Waffenlieferungen unterstützt werden. Die jüngeren israelischen Angriffe auf Syrien und den Iran sind völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen. Das Völkerrecht gestattet keine präventive Selbstverteidigung. Auch befindet sich Israel nicht in einem permanenten Kriegszustand mit dem Iran, der fortgesetzte israelische Angriffe erlauben würde. Eine solche Annahme würde das Gewaltverbot nach der UN-Charta unterminieren. Mithin gibt es derzeit nicht ein Konfliktszenario mit israelischer Beteiligung, in dem nicht ein „überwiegendes Risiko“ oder die „ernsthafte Gefahr“ von Völkerrechtsverletzungen durch exportierte Waffen besteht. Insofern kann das Fazit nur wie folgt aussehen: Die deutschen Waffenlieferungen sind einzustellen. Dies ist nicht nur rechtlich geboten, sondern auch notwendig, um zu einer friedensorientierten Außenpolitik zu gelangen.