Letzte Woche entsandte US-Präsident Trump amerikanische Kriegsschiffe mit rund 4 000 Soldaten an Bord vor die Küste Venezuelas. Grund dafür soll die Bekämpfung der Drogenkartelle in der Region sein. Der venezolanische Präsident Maduro reagierte prompt und kündigte die Mobilisierung von 4,5 Millionen Reservisten an. Die Lage zwischen den beiden Ländern, die bereits seit 2019 keine diplomatischen Beziehungen mehr pflegen, spitzt sich damit weiter zu. Auch das Verhältnis der USA zu Mexiko hat sich abgekühlt. Laut Trump wird das Land von Kartellen gelenkt – im Gespräch mit der mexikanischen Präsidentin Sheinbaum sprach er sogar von einer möglichen Intervention, die diese entschieden ablehnte.

Ein genauerer Blick auf Trumps Rhetorik macht recht schnell deutlich, dass es ihm um weit mehr als nur Drogenbekämpfung geht: Bereits im Februar klassifizierte das Weiße Haus mehrere ausländische Drogenkartelle – darunter das venezolanische Kartell Tren de Aragua und das mexikanische Cártel de Sinaloa – als „ausländische terroristische Organisationen“. Auf den ersten Blick scheint diese Bezeichnung weder verwunderlich noch problematisch, handelt es sich doch um kriminelle, international agierende Gruppierungen. Allerdings funktionieren Kartelle ganz anders als terroristische Gruppen und werden nicht von religiöser oder politischer Ideologie, sondern von Profitgier getrieben. Bei genauerer Betrachtung ist das von Trump betriebene „Terrorismus-Framing“ daher höchst problematisch.

Ein weiterer Widerspruch zeigt sich in Trumps Innenpolitik: Während er außenpolitisch scharf gegen Drogenkartelle vorgeht, kürzt er gleichzeitig Mittel für Präventions- und Suchthilfeprogramme in den USA. Von einer nachhaltigen Strategie zur Bekämpfung des Drogenkonsums kann daher kaum die Rede sein. Auch ignorierte er Sheinbaums Vorschlag, amerikanische Rüstungsunternehmen, die Waffenhandel mit Kartellen betreiben, ebenfalls als Terrorismus-Unterstützer einzustufen. Trumps Terrorismus-Rhetorik gegenüber lateinamerikanischen Drogenkartellen ist also kein Ausdruck entschlossener Sicherheitspolitik, sondern ein strategisches Machtinstrument: Durch gezielte Wortwahl verschiebt Trump den öffentlichen Diskurs von Kriminalität zu Terrorismus, von Bekämpfung zu Kriegsführung – und rechtfertigt so militärische Interventionen und untergräbt internationale Rechtsnormen zugunsten innen- und außenpolitischer Eigeninteressen. Diese Form der sprachlichen Etikettierung ist wirkungsvoll: Sie erweitert Befugnisse, mobilisiert innenpolitisch und verschafft seinen aggressiven Handlungen internationale Legitimation.

Die Besonderheit des Begriffs „Terrorismus“ liegt dabei vor allem in der extremen moralischen Aufladung des Wortes und der absoluten Feindbildkonstruktion, die dadurch betrieben wird. Während eine einheitliche und offiziell anerkannte Definition von Terrorismus nicht existiert, handelt es sich laut US Department of State um „vorsätzliche, politisch motivierte Gewalt“. Drogenkartelle hingegen verfolgen hauptsächlich kommerzielle Ziele und nutzen Gewalt zur Marktbeherrschung und nicht primär zur Erreichung politischer Ziele. Sie erfüllen diese Kriterien also nicht automatisch. Gerade die definitorische Unschärfe, die die US-Regierung erkennen lässt, eröffnet politischen Akteuren enorme Spielräume.

Gerade die definitorische Unschärfe eröffnet politischen Akteuren enorme Spielräume.

Tatsächlich haben die USA reichlich Erfahrung damit, unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung in andere Länder einzufallen und weltweit Menschen durch die CIA entführen zu lassen, um mutmaßliche Terroristen zu stoppen. Angesichts des terroristischen Anschlags auf das World Trade Center am 11. September richtete die US-Regierung ihren politischen Fokus auf die Terrorismusbekämpfung und begann ihren War on Terror. Durch geschicktes Terrorismus-Framing machte die Bush-Administration ihrer Bevölkerung klar, wer die Feinde der Vereinigten Staaten seien und warum der Krieg gegen sie legitimiert sei. Dass dabei unter anderem der Irak angegriffen wurde, der an 9/11 gar nicht beteiligt war, spielte dabei kaum eine Rolle.

Nachdem der amerikanischen Bevölkerung erfolgreich vermittelt worden war, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitze und man diese sowie die terroristische Al-Qaida im Land zerstören müsse, stand einem militärischen Eingriff kaum noch etwas im Weg – schließlich war und ist der Kampf gegen den internationalen Terrorismus essentiell für die amerikanische Sicherheit. Nur wurden im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden und Al-Qaida existierte in dem Land bis zur amerikanischen Intervention auch nicht. Eine irakische Gruppierung der Terrorgruppe entstand dort erst als Reaktion auf die US-Invasion. Vor diesem Hintergrund ist das Risiko gezielter Feindbildkonstruktion also offensichtlich – und Parallelen zu Trumps Vorgehen drängen sich auf.

Besonders deutlich wird dies am Beispiel Venezuelas. Indem Trump das Land in Verbindung mit „terroristischen“ Kartellen bringt, konstruiert er eine unmittelbare Sicherheitsbedrohung für die USA. Die Folge: Scheinbar gerechtfertigte militärische Drohgebärden gegenüber dem Maduro-Regime und zugleich ein klares Signal an andere lateinamerikanische Akteure: Wer sich Washington widersetzt, riskiert, ebenfalls zum Terrorunterstützer oder sogar zum Terroristen erklärt zu werden. Trumps Rhetorik wird so zu einem Instrument direkter politischer Einflussnahme.

Ähnlich verhält es sich mit Mexiko. Trumps Einstufung der Drogenkartelle des Landes als „terroristische Organisationen“ birgt das reale Risiko einer US-Intervention auf mexikanischem Boden. Auf den ersten Blick mag dies übertrieben wirken. Schaut man allerdings genauer auf die letzten Monate, scheint die Möglichkeit nicht vollkommen abwegig – und Trump selbst schließt sie nicht aus. Am 8. August unterschrieb der amerikanische Präsident mehreren Berichten zufolge eine Anordnung, welche die Nutzung militärischer Gewalt gegen lateinamerikanische Kartelle ermöglichen soll und damit zugleich die Grundlage für Operationen auf fremdem Staatsgebiet schafft. Die mexikanische Regierung zeigte sich von dieser Nachricht reichlich überrascht und schloss einen amerikanischen Militäreinsatz strikt aus. Trumps aggressive Haltung überrascht besonders, da die USA und Mexiko in den letzten Monaten durchaus erfolgreich gegen den Drogenhandel zusammengearbeitet und sich dabei auf Drogenlabore und Fentanyl-Händler fokussiert hatten. Das Ergebnis: Seit Sheinbaums Amtsantritt sind Fentanyl-Beschlagnahmungen an der Grenze um mehr als 50 Prozent gesunken. Trumps Terrorismus-Diskurs soll also offenbar nicht die Probleme der grenzüberschreitenden Kriminalität und des Drogenhandels lösen, sondern ein dauerhaftes Druckmittel gegen einen Nachbarn etablieren, dessen Kooperation für die USA unverzichtbar ist.

Innenpolitisch verfolgt Trump mit seiner Strategie vor allem das Ziel, vor seiner Anhängerschaft Stärke zu demonstrieren und sie mit militanter Rhetorik zu überzeugen. Zugleich lenkt das Terrorismus-Framing geschickt von den hausgemachten Krisen seiner Regierung ab: Die Inflation ist, trotz seiner im Wahlkampf gemachten Versprechen und der aggressiv verteilten Zölle, weiterhin hoch. Und auch seine Weigerung, die Epstein-Dokumente vollständig zu veröffentlichen, stößt mittlerweile selbst bei seinen Anhängern auf Kritik.

Sobald das Etikett „Terrorismus“ erst einmal etabliert ist, lässt sich nahezu jede Operation damit rechtfertigen. 

Außenpolitisch nutzt er das Terrorismus-Framing, um geopolitisch Druck auf die Nachbarländer der USA aufzubauen und so den amerikanischen Einfluss in der Region auszudehnen. Besonders gravierend ist jedoch die Normalisierung des Einsatzes militärischer statt politischer Mittel als Reaktion auf Kriminalität. Laut Samuel González Ruiz, dem ehemaligen Leiter der Spezialeinheit für organisierte Kriminalität der mexikanischen Staatsanwaltschaft, öffnet Trump durch seine Anweisungen, wie die vom 8. August, die Tür für militärische Angriffe, vergleichbar mit den Einsätzen in Afghanistan und im Irak. Sobald das Etikett „Terrorismus“ erst einmal etabliert ist, lässt sich nahezu jede Operation damit rechtfertigen. 

Gerade deshalb ist ein kritischer und reflektierter Umgang mit Sicherheitsdiskursen notwendig. Die jüngsten Schritte der US-Regierung zeigen, wie wirkungsvoll das Terrorismus-Framing als politisches Werkzeug eingesetzt werden kann. Wer Gegner als „Terroristen“ bezeichnet, verschiebt den Diskurs – und schafft damit eine Rechtfertigung für Maßnahmen, die jenseits normaler diplomatischer oder polizeilicher Mittel liegen. Was auf den ersten Blick nach konsequenter Sicherheitspolitik aussehen mag, kann langfristig gefährlich werden.

Zweifellos stellen Drogenkartelle eine reale Sicherheitsbedrohung dar und ihr Einfluss auf staatliche Strukturen in manchen Regionen ist erheblich. Doch wenn Donald Trump Kartelle zu „terroristischen Organisationen“ erklärt, Kriegsschiffe vor Venezuela stationiert und von einer möglichen US-Intervention in Mexiko fantasiert, dann entstammt das nicht dem Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Stattdessen dient die Ausweitung des Terrorismus-Begriffs der eigenen Interessenvertretung und dem offensichtlichen Versuch, amerikanische (Militär-)Macht grenzüberschreitend auszubreiten. Letztendlich wird die Grundlage für militärische Konflikte vorbereitet, die im Namen der Sicherheit geführt werden, tatsächlich aber geopolitischen Interessen dienen. Während Trump sich also als Beschützer Amerikas inszeniert, wird er damit in Wirklichkeit zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko für die USA und die gesamte Region.