In den Vereinigten Staaten scheint die Comeback-Strategie der Demokraten in eine neue Phase einzutreten. Im Juli kündigten rund 30 Demokraten aus Kongress, Bundesstaaten und Kommunen die Gründung einer neuen Gruppierung an: der Majority Democrats. Diese Initiative will Wählerinnen und Wähler erreichen, die entweder zu Donald Trump übergelaufen sind oder sich von der Politik abgewandt haben. Die programmatischen Eckpunkte sind zwar noch nicht im Einzelnen ausgearbeitet, aber die politische Ausrichtung lässt auf ein wachsendes Problembewusstsein innerhalb der Partei schließen. In einigen Regionen sind die Demokraten nahezu von der Bildfläche verschwunden. Während Parteistrategen teils noch immer ausweichende Erklärungen dafür liefern, warum die Partei außerhalb der Metropolen an der Ost- und der Westküste so schlecht abschneidet, zeichnen aktuelle Daten zur Neuausrichtung der Wählerschaft durch Donald Trump ein deutliches Bild: Die Herausforderungen, vor denen die Partei steht, sind nicht länger zu leugnen.

Für die reformorientierten Kräfte in der Partei ist der Balanceakt gewaltig. Demokratisch orientierte Aktivisten und Spendergruppen drängen die Partei mit Nachdruck dazu, sich Trump in allen erdenklichen Bereichen entgegenzustellen. Uneinigkeit herrscht allerdings in der Frage, ob die Partei in erster Linie einige ihrer soziokulturellen Positionen neu justieren muss, um an Popularität zu gewinnen, oder ob sie sich deutlicher in eine wirtschaftspolitisch „populistische“ Richtung bewegen sollte. Dabei steht viel auf dem Spiel. Enorme Ressourcen wurden darauf verwendet, die bestehende demokratische Koalition und ihre Machtstruktur zu erhalten, statt sich den Schwachstellen zu stellen, die erstmals bei den Zwischenwahlen 2010 und 2014 unübersehbar zutage getreten waren – damals verloren die Demokraten Hunderte zuvor umkämpfter Mandate in ländlichen Regionen, im Süden und im Rust Belt. Diese Entwicklung hat eine gefährliche Form des Gruppendenkens befördert. Innerhalb der Parteiführung und unter ihren Strategen gilt es seit über einem Jahrzehnt fast schon als unumstößlicher Glaubenssatz, dass die Zahl der „werteorientierten Wählerinnen und Wähler“ zunehme und dass sich die wachsenden Stimmenverluste in den Regionen durch eine verstärkte Fokussierung auf identitätspolitische Themen irgendwie ausgleichen ließen.

Umfragen zufolge ist die Generation Z im Vergleich zu früheren Generationen und insbesondere zu den Millennials weniger progressiv eingestellt.

Diese Tunnelblick-Mentalität hat sich trotz einiger wenig ermutigender Entwicklungen gehalten. Die Allianz der „Aufsteiger“ – also der Wählerinnen und Wähler unter 45 Jahren mit Minderheiten-Hintergrund – scheint zu bröckeln. Umfragen zufolge ist die Generation Z – die ethnisch vielfältigste Generation in der Geschichte der Vereinigten Staaten – im Vergleich zu früheren Generationen und insbesondere zu den Millennials, die den Höhepunkt der Anti-Trump-Bewegung erlebten, weniger progressiv eingestellt. Selbst in nominell stark demokratisch geprägten Städten lassen die Wahlgewohnheiten der asiatischen Arbeiterschicht, der Latinos und sogar der jüngeren Schwarzen einen neuen Typus von Wechselwählerschaft erkennen: Es sind Wählerinnen und Wähler, die unter Umständen republikanisch wählen oder der Wahl ganz fernbleiben, wenn die Demokraten sich der „brahmanischen Linken“ verschreiben, statt sich um zentrale Fragen der Lebensrealität zu kümmern.

In letzter Zeit sind die Demokraten zudem noch unbeliebter geworden, obwohl schwerwiegende Korruptionsvorwürfe gegen die Trump-Regierung im Raum stehen. Ihre Beliebtheitswerte liegen derzeit hinter denen der Republikaner, und keiner der für die Präsidentschaftswahl 2028 gehandelten Kandidaten der Partei scheint auf die breite Unterstützung der Bevölkerung bauen zu können. Für eine Partei, die auf ein Wiedererstarken des „Widerstands“ hofft, sind das keine guten Vorzeichen. Mehr noch: Es zeigt, dass die Demokraten von der Komplexität und vom Wandel der Wählerschaft überfordert scheinen. 2016 machten sie für die Wahlniederlage von Hillary Clinton die „rückständige“ und „bigotte“ weiße Arbeiterschaft verantwortlich. Im Großen und Ganzen nahmen die Demokraten sich das Recht heraus, die Ansichten ihrer früheren Stammwählerschaft zu ignorieren. Doch wie die jüngsten Wahlen gezeigt haben, beschränkt sich die Angewohnheit der Partei, die Anliegen von Wählern vom Tisch zu wischen, wenn sie mit dem Kurs der Partei – gerade bei Themen der öffentlichen Sicherheit, der Grenzsicherung und der Gendermedizin für Kinder – hadern, nicht nur auf eher weiße, ländliche Gebiete.

Der explosionsartige Aufschwung des Aktivismus während Trumps erster Amtszeit ließ die Demokraten blind werden für die Schwächen ihrer eigenen Partei. Angesichts ihrer zunehmenden Schwächung in den Regionen sah das demokratische Establishment irrtümlicherweise in den Aktivisten der Avantgarde diejenigen, welche die zentralen Anliegen der Kernwählerschaft vertraten. In einer Partei, die sich angeblich der Vielfalt verschrieben hat, wurden Millionen von Wählern mit einem bestimmten gemeinsamen Merkmal oder einer Reihe von Merkmalen als monolithischer Block betrachtet, sodass kaum noch Raum blieb für konstruktiven Dissens oder für alternative Vorstellungen davon, wie sich politische Gestaltungsmacht auf Dauer sichern lassen könnte. Allzu viele progressive Akteure machten sich unkritische Vorstellungen über die politische Wirkung von Parolen wie „Streicht der Polizei die Mittel“ („Defund the Police“), propagierten eine Laissez-faire-Einwanderungspolitik, beharrten auf eindeutigen „wissenschaftlichen“ Positionen zur Gendermedizin für Jugendliche und bestärkten Aktivistinnen, die sich für Abtreibungsrechte engagieren, sich lautstark zu ihrer Abtreibung zu bekennen („Shout your abortion!“), statt den Fokus auf Gleichstellung und Frauengesundheit zu legen. Das Ergebnis: Die Demokraten stießen am Ende gerade diejenigen Wählergruppen vor den Kopf, die sie zu schützen versprochen hatten.

Warum hat die Partei ihre regionalen und demografischen Schwächen nicht früher reflektiert? Einer der Gründe liegt in ihrem trügerischen Selbstverständnis – in ihrem Glauben, ein Zweiparteiensystem dominieren zu können, das für Globalisierung und Vielfalt zu stehen schien. Seit den sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre hatten die Minderheitengruppen sich mehrheitlich den Demokraten angeschlossen. Mit dem Niedergang der alten New Deal-Koalition verlor der Progressivismus zunehmend das Interesse an umfassenden sozioökonomischen Reformen und groß angelegten Entwicklungsprojekten. Stattdessen wurden juristische Einzelerfolge – etwa bei Rechten und Regulierungen – zum wichtigsten politischen Erfolgsmaßstab. Die Demokraten wiederum begannen, Themen wie Löhne, Arbeitsbedingungen, Wohnraum, Lebenshaltungskosten und aggressive Geschäftspraktiken zu vernachlässigen, obwohl gerade diese Fragen nicht nur für hart arbeitende Weiße in den Appalachen oder im Rust Belt, sondern ebenso für Schwarze, Einwanderer und andere benachteiligte Bevölkerungsgruppen von zentraler Bedeutung waren.

Seitdem ringt die Linke darum, die „Politik der Gemeinsamkeiten“ für das 21. Jahrhundert neu zu beleben.

Seitdem ringt die Linke darum, die „Politik der Gemeinsamkeiten“ für das 21. Jahrhundert neu zu beleben. Bei den Vorwahlen der Demokraten 2016 kam Bernie Sanders diesem Anspruch am nächsten: Er versuchte, soziale Bürgerschaft und populäre nationale Ziele zum Dreh- und Angelpunkt progressiver Politik zu machen. Doch seine Mission wurde vereitelt – nicht nur durch ein politisches Establishment, das die tiefsitzende wirtschaftliche Frustration der amerikanischen Bevölkerung leugnete, sondern auch durch kulturelle Radikale. Diese standen einer politischen Theorie, die in ihren Augen gegenüber der amerikanischen Vergangenheit zu nachsichtig war, grundsätzlich ablehnend gegenüber.

Natürlich ist es im gegenwärtigen politischen Klima leicht, in eine Schwarz-Weiß-Sicht auf parteipolitische Konflikte zu verfallen. Der anhaltende Rückhalt für Trump legt nahe, dass die dunkelsten Seiten des Landes wieder durchbrechen. Doch trotz aller Herausforderungen und Schwächen ist die amerikanische Gesellschaft deutlich inklusiver geworden und bietet vielen Menschen ein Maß an kulturellem Pluralismus und an Autonomie, das in weiten Teilen der Welt unbekannt ist. Diese Realität anzuerkennen, würde jedoch professionellen „Interessengruppen“ ihre Daseinsberechtigung entziehen. Es wurde – psychologisch wie finanziell – zu viel investiert, um sich von jener maximalistischen Rhetorik zu lösen, die den politischen Diskurs von den großen Fragen wirtschaftlicher Macht und gemeinsamen sozialen Zielvorstellungen hin zu Identitätsthemen verschoben hat.

Letztendlich wird es mehr brauchen als eine neue Parteiorganisation wie die Majority Democrats, um eine Wende herbeizuführen. Doch wenn der eigentliche Leitstern progressiver Politik das Gemeinwohl ist – also eine Gesellschaft, die ihre Verpflichtung zu Chancengleichheit, Fairness und Gerechtigkeit aus einer großzügigeren Perspektive begreift –, dann müssen die Demokraten sich von jenen falschen Narrativen verabschieden, die Trumps Comeback mit befeuert haben. Solange sie dazu nicht bereit sind, wird das größte Hindernis für eine neue Reformära in der Demokratischen Partei selbst liegen.

Aus dem Englischen von Christine Hardung

Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Fassung des Artikels „The Albatross of Sectarian Identity Politics“, der beim US-Analyseportal The Liberal Patriot erschienen ist.