Das Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Alaska und der anschließende Gipfel mit europäischen Staats- und Regierungschefs haben für erhebliche Irritationen gesorgt. Sie bestärkten die NATO-Staaten (ohne die USA) darin, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen und die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu vertiefen. Dieses Bekenntnis wiederum eröffnete europäischen und ukrainischen Führungspolitikern die Möglichkeit, den Kauf von US-Militärgerät im Wert von mehreren Dutzend Milliarden Dollar als Teil eines langfristigen Friedensplans für Europa und die Ukraine vorzuschlagen.
Dies ist der richtige Ansatz, vielleicht sogar der einzige. Er dient nicht nur der Stärkung der europäischen und der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit, sondern auch dem Wiederaufbau der transatlantischen Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Bereichen, von Künstlicher Intelligenz bis zu Zöllen. Die Verteidigung dürfte dabei aus mehreren Gründen der einfachste Sektor für eine Abstimmung zwischen den USA und Europa sein.
Zum einen hat die seit dem NATO-Gipfel in Wales 2014 geleistete gemeinsame transatlantische Arbeit bereits ein solides Fundament gelegt. Zweitens besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Europa mehr tun muss. Europa und die nicht-amerikanischen NATO-Mitglieder planen nun, bis 2032 fünf Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. Europäische Vertreter erklärten zudem, dass die Ausgaben bis 2028 im Schnitt bei drei Prozent liegen sollen. Mit der Einrichtung eines EU-Fonds in Höhe von 150 Milliarden Euro (175 MilliardenUS-Dollar), für den bereits erste Angebote eingegangen sind, sollen die europäische Verteidigungsinvestitionen verzehnfacht werden.
Dabei handelt es sich nicht bloß um eine Schlagzeile, die kurzfristig die Trump-Regierung besänftigen soll. Schon beim NATO-Gipfel im Juli 2024 hatten sich die Bündnispartner verpflichtet, regionale Verteidigungspläne zu finanzieren, mit geschätzten Kosten von rund 3,5 Prozent des BIP. Die Trump-Regierung hat die europäischen Zusagen hervorgehoben und sich darauf eingelassen, Investitionen in zentrale militärische Infrastruktur auf das Fünf-Prozent-Ziel anzurechnen. Auch wenn es einigen Ländern zumindest kurzfristig schwerfallen dürfte, die höheren Zielmarken zu erreichen, werden die militärischen Fähigkeiten des Kontinents damit deutlich stärker ausfallen, als es andernfalls der Fall gewesen wäre.
Drittens wird das Geld gezielt für die dringendsten militärischen Bedürfnisse eingesetzt. Im Rahmen des Plans von 2024 wird die NATO festlegen, welche militärischen Fähigkeiten Priorität haben, was bedeutet, dass die USA weiterhin ein Mitspracherecht behalten. Dieser Ansatz sollte die lang gehegte US-Befürchtung adressieren, dass europäische Verteidigungsinitiativen zu Doppelstrukturen führen oder Mittel von dringlicheren Bedarfen abziehen.
Vor allem müssen die europäischen Führungskräfte abwägen, wie weit sie bei der Schaffung von Alternativen zu US-Ausrüstung gehen wollen.
Viertens ermöglicht es dieser Ansatz auch US-Unternehmen, an europäischen Rüstungsprojekten teilzunehmen und davon zu profitieren, wodurch die USA ein direktes Interesse am europäischen Aufrüstungsprozess erhalten. Donald Trump lobte die europäischen Ausgaben für US-Waffen nach seinem Treffen im Juli mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Ein hochrangiger europäischer Vertreter schätzt, dass 40 Prozent der frühen EU-Verteidigungsausgaben an US-Firmen fließen werden. Ein großer Teil davon ist bereits für Fähigkeiten vorgesehen, die nur die USA bereitstellen können, etwa fortschrittliche Luftverteidigungssysteme.
Gewiss, schwierige Entscheidungen stehen noch bevor. Vor allem müssen die europäischen Führungskräfte abwägen, wie weit sie bei der Schaffung von Alternativen zu US-Ausrüstung gehen wollen. Diese Entscheidungen werden nicht sofort getroffen, und anhaltende Spannungen mit der Trump-Regierung erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Europa dort, wo es möglich ist, von US-Waffensystemen abrückt.
Eine weitere Herausforderung für die europäischen Verantwortlichen wird es sein, die neuen Mittel, die in den Verteidigungssektor fließen, sinnvoll zu verteilen. Jeder europäische Staats- und Regierungschef wird für heimische Unternehmen Lobbyarbeit leisten. Auch hier sind die ersten Schritte jedoch vielversprechend. Die EU konzentriert sich auf den Aufbau effektiver Fähigkeiten, und wichtige Mitgliedstaaten haben darauf hingewiesen, was die Ukraine am dringendsten benötigt und selbst produzieren kann. Dieser Fokus auf die Ukraine setzt ein klares, dringendes Ziel und ermöglicht, dass die Mittel eingesetzt werden, ohne dass jeder Staat eine Zuwendung erhält. Dennoch wird es entscheidend sein, genau zu prüfen, wie viele Investitionen direkt in die Ukraine fließen können, ohne Doppelstrukturen zu schaffen oder knappe Ressourcen weiter zu verteuern.
Blickt man nach vorne, sollte eine kleine, informelle Gruppe europäischer Führungskräfte dringende Investitionsprojekte und Beteiligte identifizieren. Eine solche Gruppe wird ein heiß begehrtes Forum für europäische Spitzenpolitiker sein, weshalb ihre Arbeit diskret erfolgen sollte. Sie wird die Länder mit den größten industriellen Kapazitäten einschließen müssen, zugleich aber ausreichend repräsentativ sein. Ein Fokus auf die größten Verteidigungs- und Industriepotenziale sowie die Staaten an vorderster Front könnte der beste Ausgangspunkt sein.
Die Entscheidung Europas, die USA in seine Verteidigungsindustrie-Strategie einzubinden, fiel nicht leicht. In den ersten Monaten der zweiten Trump-Administration stellten einige in Europa sogar infrage, ob eine Kooperation mit den USA überhaupt möglich sei. Doch indem sie anerkennen, dass Amerika und Europa jeweils einen Beitrag zu gemeinsamen transatlantischen Sicherheitsinteressen leisten können, geben die europäischen Führungskräfte ein Beispiel dafür, wie die transatlantische Zusammenarbeit selbst in einer destruktiven Phase wiederbelebt werden kann.
Europa, die USA, Kanada und der Indopazifik können gemeinsam deutlich effektiver reagieren als isoliert.
Diese strukturellen Überlegungen sind entscheidend, denn eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich kann als Modell für andere Sektoren dienen. Das Wirtschaftswachstum der nächsten Generation wird voraussichtlich aus Branchen wie Künstlicher Intelligenz, Life Sciences und neuen Energietechnologien kommen. China nimmt in vielen dieser Bereiche eine führende Position ein und wird versuchen, globale Standards und Praktiken zu seinen eigenen Gunsten zu gestalten.
Europa, die USA, Kanada und der Indopazifik können gemeinsam deutlich effektiver reagieren als isoliert. Zusammen sind sie in etwa so groß wie China und können auf gemeinsame Erfahrungen in der Abstimmung von Lieferketten, Investitionen und Standards zurückgreifen.
Ein Fokus auf die Abstimmung zwischen Europa und den USA mag verfrüht erscheinen angesichts der zahlreichen Differenzen in Handel und Investitionen, die die Zusammenarbeit behindern. Diese Spannungen werden bestehen bleiben, solange Trump Europa weiterhin nur als Konkurrent betrachtet.
Wir können nicht wissen, wann oder ob sich die Spannungen verringern werden, doch ich bin überzeugt, dass sie es können und müssen – selbst wenn dies erst nach dem Ende dieser US-Administration geschehen sollte. Auf jeden Fall sollten wir auf alle sich bietenden Chancen vorbereitet sein. Die ersten Schritte in der Verteidigungszusammenarbeit zeigen, dass die Anerkennung gemeinsamer Interessen, eine offene Kommunikation über den besten Weg nach vorn und die Bereitschaft, Unternehmen der jeweils anderen Seite fair konkurrieren zu lassen, die Grundlage für eine erneuerte Beziehung sein können – zumindest in einzelnen Bereichen.
Um sich auf diese Möglichkeit vorzubereiten, sollten europäische Führungskräfte strategisch wichtige Sektoren identifizieren und klar darlegen, unter welchen Bedingungen die USA ein langfristiger, verlässlicher Partner bleiben können, und die US-Seite dann an ihre eigenen Zusagen binden. Schritt für Schritt kann die Partnerschaft, die frühere Generationen in Frieden und Wohlstand getragen hat, dasselbe für die nächste Generation leisten.
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