Der Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli in Sankt Petersburg hat die Grenzen von Russlands Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent aufgezeigt. Stagnierender Handel, weniger Gipfelgäste und ein geschädigter Ruf – all das scheint Moskaus angestrebten Status in Afrika zu konterkarieren. Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass der Gipfel ein Flop war und Russland mit seiner Afrikastrategie insgesamt scheitert.

Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit und kein Grund für Optimismus. Seit Sanktionen gegen Russland infolge der Invasion in der Ukraine verhängt wurden, hat sich der Kreml bei seinen Expansionsbemühungen in Afrika weitgehend auf sogenannte informelle oder „irreguläre Mittel“ wie die berüchtigte Wagner-Gruppe, Desinformationskampagnen und die Propaganda seiner staatlich kontrollierten Medien verlassen. Dieser informelle Bereich ist ein wichtiger „Wachstumssektor“ für Russlands Präsenz in Afrika.

Moskaus Ziele in Afrika werden mit solchen Mitteln ebenso verfolgt wie mit besser vorzeigbaren, offiziellen außenpolitischen Instrumenten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten war die russische Außenpolitik darauf ausgerichtet, die Weltordnung umzugestalten, parallele Institutionen (wie BRICS) zu fördern und nichtdemokratische Regime als legitime Regierungsformen zu unterstützen. Die Mitwirkung der russischen Elite und die Einmischung in demokratische Prozesse im Ausland lassen sich nicht allein an der offiziellen Handelsbilanz oder den ausländischen Direktinvestitionen ablesen.

In Bezug auf den Russland-Afrika-Gipfel 2023 war dementsprechend nicht nur die „respektable, vorzeigbare“ Seite des russischen Engagements in Afrika von Bedeutung, sondern auch die „versteckte“ oder verborgen gehaltene Seite. Eine öffentlich einsehbare Teilnehmerliste des Gipfels in Sankt Petersburg gibt es nicht. Dennoch ist es möglich, durch Einträge aus geleakten Datenbeständen und unter Rückgriff auf offene Quellen viele einflussreiche Einzelpersonen zu identifizieren, die zugegen waren und die die verschiedenen Gesichter von Russlands vielschichtiger Präsenz in Afrika verkörpern.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die öffentliche Meinung und die meisten Menschen in Afrika Russlands Krieg nicht befürworten.

Offenbar waren zahlreiche hochrangige russische Beamte anwesend. Ihre Rolle war eher diskret, aber dennoch bedeutsam. Man besprach Themen wie Zoll, Landwirtschaft oder Kultur. So war beispielsweise der Generaldirektor der Stiftung Russki Mir, Wladimir Koschin, an der Organisation einer Podiumsdiskussion zum Thema „Russophilie“ beteiligt, an dem auch der Oligarch Konstantin Malofejew teilnahm. Ziel des Treffens war es, die Präsenz der „Internationalen Bewegung der Russophilen“, einer von der russischen Regierung geförderten Organisation, zu erweitern.

Die in 52 Ländern vertretene Stiftung versteht sich als eine kulturdiplomatische Einrichtung. Allerdings wird in ihren Mitteilungen häufig Desinformation zu Russlands Krieg in der Ukraine verbreitet und eine expansionistische Ideologie propagiert. Damit schießt die Organisation immer wieder über die herkömmlichen Aktivitäten im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit hinaus.

Die Stiftung hat ihr regionales Zentrum in Tansania und arbeitet häufig mit den 44 Botschaften Russlands auf dem afrikanischen Kontinent zusammen. Wie Russki Mir ist auch Rossotrudnitschestwo (teils auch als Russland-Haus bekannt) in acht afrikanischen Ländern mit ähnlichen Voraussetzungen und Zielen tätig und verbreitet dort die Botschaften des Kremls. Ihr Direktor, Jewgeni Primakow, sprach ebenfalls auf dem Gipfeltreffen. Derartige Organisationen sehen Chancen in Afrika, da dies der einzige Kontinent ist, auf dem das Interesse an der russischen Sprache in den letzten Jahren gewachsen ist. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die öffentliche Meinung und die meisten Menschen in Afrika Russlands Krieg nicht befürworten, das Land aber auch nicht so negativ sehen wie die meisten in Europa.

Neben Regierungsbeamten und Institutionen waren auch Putin nahestehende, mächtige Persönlichkeiten beim Gipfel zugegen. Diese sind sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst tätig und konkurrieren um Einfluss im Kreml, unter anderem in außenpolitischen Fragen. Dem öffentlich zugänglichen Business-Programm des Forums zufolge war unter den Teilnehmenden beispielsweise Michail Kowaltschuk. Der Arzt ist der Bruder von Juri Kowaltschuk, der seinerseits Mehrheitsaktionär der Bank Rossija, Putins „persönlicher Kasse“, und ein wichtiger Knotenpunkt in den Geldwäscheaktivitäten des Kremls ist. Auch Michail ist im Finanzbereich tätig: Er ist Aufsichtsratsmitglied bei der Sberbank.

Es ist bekannt, dass die Kowaltschuk-Brüder dem russischen Präsidenten sehr nahestehen. So wird vermutet, dass Juri zum Personenkreis gehört, der eine Rolle bei Putins Entscheidung gespielt hat, die große Invasion der Ukraine 2022 zu starten. Diese Nähe hat es den Brüdern ermöglicht, Verbündete unter den Kreml-Spitzenbeamten zu gewinnen, darunter den Energieminister Nikolai Schulginow und den für natürliche Ressourcen zuständigen Vorsitzenden der Staatsduma, Dmitri Kobylkin, die beide ebenfalls auf dem Gipfel anwesend waren.

Darüber hinaus waren auf dem Gipfel viele Personen vertreten, deren Rolle in der russischen Außenpolitik zwar meist bekannt, aber eher verdeckter und inoffizieller Art ist.

Das Portfolio der Kowaltschuk-Brüder ist breit gefächert. Es ist durchaus denkbar, dass sie mit Unterstützung des Kremls in afrikanische Märkte einsteigen wollen, insbesondere in den Rüstungssektor. Die Kontakte der Brüder in dieser Branche sind nicht unbedeutend. Michail wurde von Putin beispielsweise damit beauftragt, die Informationsflüsse aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich des Militärs zu überwachen. Die Branche ist ohnehin an Afrika interessiert: Obwohl der Schwerpunkt auf Wirtschaft, Business und Kultur lag, gab es auf dem Gipfel und dem Business-Forum auch Stände von Waffenherstellern. Russland ist inzwischen der wichtigste Waffenexporteur nach Subsahara-Afrika.

Ein weiterer erwähnenswerter Teilnehmer war Dmitri Patruschew, seines Zeichens Landwirtschaftsminister (und Sohn des Sicherheitsberaters Nikolai Patruschew). Dmitri nahm an dem Treffen hinter verschlossenen Türen mit Putin, den Vorsitzenden der Afrikanischen Union und ausgewählten Staatschefs teil. Beide Patruschews gehören zu den Personen, die als potenzielle Nachfolger Putins gelten.

Darüber hinaus waren auf dem Gipfel viele Personen vertreten, deren Rolle in der russischen Außenpolitik zwar meist bekannt, aber eher verdeckter und inoffizieller Art ist. Dazu gehören Russlands Geheimdienste sowie nicht-staatliche Akteure, die enge Verbindungen zum Kreml haben. Das beste Beispiel dafür war ein Treffen zwischen russischen und malischen Beamten: Bei diesem stellte Putin den Gästen Andrei Awerjanow vor. Generalmajor Awerjanow ist der Leiter für verdeckte Angriffsoperationen des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Seine offizielle Aufgabe oder Rolle bei dem Treffen mit der malischen Delegation ist unbekannt, Putin stellte ihn schlicht als „Sicherheitsexperten“ vor. Angesichts der Präsenz von Wagner in Mali und der Verbindungen der Söldner-Truppe zum GRU kann aber davon ausgegangen werden, dass Awerjanows Auftritt kein Zufall war.

Ebenfalls in Sankt Petersburg, jedoch nicht bei den öffentlichen Treffen mit Spitzenbeamten dabei, war Maxim Schugalei, der ein wichtiger Berater von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist und viele der Auslandsgeschäfte des Oligarchen verwaltet. Nach außen hin ist Schugalei als Forscher und politischer Berater tätig, wobei er zuweilen in Kriegsgebieten agiert, unter anderem in Libyen und in Afghanistan nach der erneuten Machtübernahme der Taliban.

Schugalei spielte auch bei der Wahlbeeinflussungs-Kampagne der Wagner-Gruppe in Madagaskar und bei der Kommunikation Moskaus mit den Taliban eine Rolle. Seine Anwesenheit auf dem Gipfel könnte unterstreichen, dass Prigoschin es mit seinen Plänen in Afrika ernst meint. Dafür spricht freilich auch, dass Prigoschin selbst auf dem Gipfel anwesend war – was natürlich für Schlagzeilen sorgte.

Ob der Russland-Afrika-Gipfel 2023 seine Versprechen nach mehr Handel und Investitionen erfüllt, bleibt abzuwarten.

Während seines Aufenthalts in Sankt Petersburg traf sich Schugalei mit Wiktor But, den er als einen „langjährigen Bekannten“ bezeichnete. Der als „Händler des Todes“ bekannte Waffenhändler, der vor allem in Afrika aktiv war, nahm an einer Podiumsdiskussion zum Thema Logistik teil. Seit seiner Rückkehr nach Russland ist But zu einer öffentlichen Figur geworden, der aus seiner langjährigen Haftstrafe in den USA politisches Kapital schlagen konnte. Allerdings hat er mehrfach angedeutet, dass er „ins Geschäft“ zurückkehren möchte, möglicherweise auch in Afrika.

Beim Forum hat sich But zu diesen Plänen nur beiläufig geäußert, aber seine Anwesenheit in Sankt Petersburg und sein Treffen mit Schugalei könnten darauf hindeuten, dass seine Absichten tatsächlich real sind. Da der Krieg und die Sanktionen gegen Russland die Geschäftsbeziehungen erschweren, könnten Buts Beziehungen und sein Wissen über Schmuggel- und Transportaktivitäten für die am russisch-afrikanischen Handel beteiligten Akteure von großem Wert sein.

Zu guter Letzt wurde Konstantin Malofejew bei der oben angesprochenen Russophilie-Diskussion gesehen. Malofejew ist ein dem Kreml nahestehender Oligarch, der für seine ultrakonservativen Ansichten und die Förderung europäischer faschistischer und rechtsextremer Gruppen bekannt ist. Darüber hinaus gehört er zu den Akteuren, die stark an der Umsetzung der russischen Afrikapolitik beteiligt sind.

Auf dem jüngsten Gipfel blieb er recht unauffällig, aber Malofejews Engagement in Afrika ist nicht zu unterschätzen. Seine Geschäfte auf dem Kontinent konzentrierten sich hauptsächlich darauf, russischen Unternehmen dabei zu helfen, Sanktionen zu umgehen. Beim Russland-Afrika-Gipfel 2019 trat er als einer der wichtigsten Sponsoren und Partner auf. Malofejew und seine Unternehmen haben sich schon früh für den von ihm so umschriebenen „Antikolonialismus“ als Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Russland und afrikanischen Staaten im 21. Jahrhundert eingesetzt.

Die zahlreichen Teilnehmer des Gipfels zeigten die unterschiedlichen Facetten des russischen Engagements auf dem afrikanischen Kontinent.

Ob der Russland-Afrika-Gipfel 2023 seine Versprechen nach mehr Handel und Investitionen erfüllt, bleibt abzuwarten. Die Ergebnisse des Gipfels 2019 entsprachen rückblickend nicht den gemachten Zusagen und der Partnerschaftsrhetorik, die auf der Veranstaltung damals zu hören war. Klar ist in jedem Fall, dass Russlands Afrikapolitik mehr ist als nur ein wirtschaftspolitisches Thema.

Die zahlreichen Teilnehmer des Gipfels zeigten die unterschiedlichen Facetten des russischen Engagements auf dem afrikanischen Kontinent. Dazu gehören Einzelpersonen und Organisationen, deren erklärte Missionen nicht selten ihre wahren Tätigkeiten verschleiern, inoffizielle und nicht gewählte Entscheidungsträger sowie Drahtzieher und skrupellose Einflussnehmer. Ihre Anwesenheit auf dem Gipfel zeigt den dualen Ansatz Russlands gegenüber Afrika, der wohl mehr an der Stärkung des eigenen geopolitischen Einflusses als an wirtschaftlichen Beziehungen interessiert ist.

Diese mehr oder weniger „verborgene“ Seite der russischen Afrikapolitik zeigt diverse Merkmale der internationalen Beziehungen im globalisierten 21. Jahrhundert auf: der Aufstieg und die virulente Nutzung digitaler Medien und „Soft Power“, internationale Finanzverflechtungen und Geldwäsche sowie private Milizen. Die Ziele, die Moskau heute mit diesen Mitteln verfolgt, entsprechen allerdings einem Verständnis der internationalen Beziehungen aus dem vergangenen Jahrhundert.

Wie schon im Kalten Krieg will der Kreml unter Putin dafür sorgen, dass Russlands riesige Bevölkerung, seine Industriekraft und seine Atomwaffen dem Land den Status einer Großmacht sichern. In der Außenpolitik liegt diesem Verständnis die Vorstellung von Einflusssphären und einem geo- und sicherheitspolitischen Nullsummenspiel zugrunde. Dies beinhaltet eine grundlegend antidemokratische Weltsicht, die darauf abzielt, Autokratie zu exportieren, wo immer es möglich ist. Auch nach Afrika.

Aus dem Englischen von Tim Steins.