„Rot-Grün-Rot – Warum nicht?“: so der Titel einer Podiumsdiskussion, an der ich vor zwei Jahren teilnehmen durfte. Von besonderem Interesse des Publikums war dabei die Außenpolitik, gilt sie doch als der größte Graben zwischen den Parteien des linken Spektrums.

„Warum nicht? Darauf habe ich keine Antwort.“ So begann ich meinen Diskussionsbeitrag. Voraussetzung für eine solche Koalition sei allerdings ein Mindestmaß an inhaltlichen Übereinstimmungen. Ich wies auf ein Papier hin, dass eine grüne Kollegin gemeinsam mit einem Bundestagsabgeordneten der Linkspartei kurz nach der Bundestagswahl 2013 geschrieben hatte. Darin hatten sie viele Gemeinsamkeiten in der internationalen Politik entdeckt und formuliert.

Kaum hatte ich das Papier erwähnt, schon gab es einen lauten Protest der Linken-Teilnehmerin des Podiums. Das Papier sei keineswegs mehrheitsfähig, geschweige denn Konsens in der Linkspartei, alles Kriegstreiberei, keine Chance auf Konsens – also auch keine Chance auf R2G!

Es ist höchste Zeit, die große Blockade-Koalition zu beenden, damit beispielsweise keine Waffen mehr an Diktatoren exportiert werden.

Klar, so kann man Politik machen, aber dann wird es auf Dauer keine organisierte Mehrheit links von der Mitte in diesem Land mehr geben. Dabei ist es höchste Zeit, die große Blockade-Koalition zu beenden, damit beispielsweise keine Waffen mehr an Diktatoren exportiert werden. Aufgrund der Folgen des Krieges der Allianz um Saudi-Arabien in Jemen sind mittlerweile allein 10 000 Kinder an absolut vermeidbaren Krankheiten gestorben. Ein Krieg, der auch mit deutschen Waffen geführt wird.

Wollen wir diese menschenverachtende Praxis bei der nächsten Bundestagswahl – auch gegen den Willen der sozialdemokratischen Beton-Fraktion – beenden? Oder wird die Linke erst dann mitmachen, wenn in das Grundgesetz neben dem Sozialismus auch das Verbot aller Rüstungsexporte reingeschrieben wird, also irgendwann in nicht allzu naher Zukunft, in einer Galaxie weit, weit weg? Dabei ist die Kompromisslosigkeit der Linkspartei nicht einmal das Hauptproblem bei einer Konsensfindung im internationalen Bereich, sondern ihre Ablehnung internationaler Strukturen.

Wir haben auf schmerzliche Art lernen müssen, dass in einzelnen Fällen die Unterlassung der Anwendung militärischer Gewalt zu weit größerem Übel führen kann.

Die Grünen gründeten sich 1980 als eine Partei, die sich auch das Prinzip der Gewaltfreiheit auf die Fahne schrieb. 36 Jahre und unendliche Debatten und Zerwürfnisse später finden wir weiterhin, dass die Anwendung militärischer Gewalt immer von Übel ist. Und dass das Militär kein einziges Problem lösen kann. Aber wir haben auf schmerzliche Art lernen müssen, dass in einzelnen Fällen die Unterlassung der Anwendung militärischer Gewalt zu weit größerem Übel führen kann. Und dass manchmal der Militäreinsatz notwendig ist, um zuallererst ein Zeitfenster für Lösungen zu schaffen, die von Politik, Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit, Mediation oder eben auch kultureller Arbeit erarbeitet werden müssen.

Dafür haben wir sehr klare Kriterien gegeben, die auf Grünen Parteitagen fast einstimmig verabschiedet und damit breiter Konsens in meiner Partei sind. Diese sind:

  • Kriegsverhütung und Friedenssicherung
  • Hauptverantwortung der Konfliktparteien und „Do no harm“
  • Primat der zivilen Krisenprävention
  • Ziele und Interessen offen legen
  • Militär nur als äußerstes Mittel
  • Nie ohne UN-Mandat
  • Immer multilateral
  • Absolutes Primat der Politik
  • Leistbarkeit und Verantwortbarkeit garantieren
  • Parlamentsbeteiligung und Akzeptanz gewährleisten

Einstimmig hat im Übrigen ein grüner Bundesparteitag auch das Bekenntnis zum Prinzip der Schutzverantwortung beschlossen. Dieses besagt, dass im Zweifelsfall die Schutzverantwortung der Weltgemeinschaft für Menschen über der Souveränität einzelner Staaten stehen muss. Dieser Beschluss unterstreicht natürlich auch die Tatsache, dass es viele Versuche des Missbrauchs der Schutzverantwortung durch Mächte geben kann und dass das Konzept der Schutzverantwortung noch nicht lückenlos ist. Aber das Prinzip wird im Kern unterstützt.

In der Frage der Unterstützung des Konzepts der Schutzverantwortung liegt der Kerndissens zwischen uns und der Linkspartei.

In dieser Frage liegt der Kerndissens zwischen uns und der Linkspartei. Der Nationalstaat und seine Souveränität haben für die Linkspartei eine Unantastbarkeit, die weder der Internationalität der gesellschaftlichen Linken noch der Friedensdividende internationaler Zusammenarbeit gerecht werden. Die EU-Reden einer Sahra Wagenknecht unterscheiden sich in Ton und in der Sache kaum von denen eines Horst Seehofers und zunehmend sogar weit rechts von ihm angesiedelten Gestalten. Die kategorische Ablehnung auch kleinster UN-Blauhelm-Missionen verkennt die Notwendigkeit der Stärkung der Vereinten Nationen. Kaum eine internationale Verpflichtung Deutschlands wird von der Linkspartei anerkannt. Der Schutz für afghanische Kinder vor Dschihadisten wird – so tatsächlich immer wieder in Reden im Plenum des Deutschen Bundestags geschehen – gegen das Rentenniveau älterer Menschen in Deutschland gestellt.

Die einzige Internationalität der Linkspartei betrifft die Nähe zu anderen linken Parteien. Gegen weltweite Parteienfamilien ist sicher nichts einzuwenden. Nur: Wenn man die reaktionäre Verschwörung zur Absetzung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff zu Recht kritisiert, dann sollte man glaubwürdig bleiben und nicht aus Reflex die verheerende Politik Nicolás Maduros in Venezuela verteidigen. Wenn man Guantánamo kritisiert, dann sollte man die verheerende Beschneidung der politischen Rechte in Kuba nicht verteidigen.

Das linke Menschenrechtsauge der Linkspartei ist schlicht blind.

Zur Wahrheit des desaströsen Krieges in Libyen gehört, dass in den ersten 48 Stunden des Einsatzes mehrere Tausend Menschen in Bengasi gerettet wurden, deren Hinrichtung Muammar Gaddafi im Staatsfernsehen angekündigt hatte. Und wenn man zu Recht die Vertreibung der Sunniten im Nordirak durch die von Union und SPD mit Waffen versorgten Peschmerga anprangert, dann sollte man die Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten durch PKK und YPG nicht verschweigen. Das linke Menschenrechtsauge der Linkspartei aber ist schlicht blind.

Die Linkspartei steht nun an einem Scheideweg. Will sie deutsche Außenpolitik wirklich verändern? Oder will sie rechthaberisch-schmollend in der Ecke stehen? Will sie, dass ab sofort weniger Kriege durch deutsche Rüstungsexporte angeheizt werden, oder will sie das erst nach dem erfolgreichen Ende der Revolution?

Ich habe meinen Marx auch gelesen. Wir Grüne aber wollen mit Politik konkrete Veränderungen erreichen. Wenn die Linkspartei das auch will, dann reichen wir Grüne ihr gern die Hand. Verweigert sie sich aber in einer Mischung aus Trotz und Peter-Pan-Syndrom trägt sie eine große Mitverantwortung an der Blockadesituation dieser Republik.

An dieser Stelle erschienen zuerst der Beitrag des außenpolitischen Sprechers <link rubriken aussen-und-sicherheitspolitik artikel deutschlands-neue-verantwortung-1712>Stefan Liebig (Die Linke) und danach der Beitrag des außenpolitischen Sprechers <link rubriken aussen-und-sicherheitspolitik artikel deutschland-als-reflektive-macht-1721>Niels Annen (SPD).