Als Reaktion auf Israels anhaltenden Völkermord im Gazastreifen und seine eskalierenden Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland hat die internationale Gemeinschaft die Forderung nach einem palästinensischen Staat wiederbelebt. Ende Juli führten Frankreich und Saudi-Arabien gemeinsam den Vorsitz bei einem hochrangigen Treffen in New York, an dem Vertreter aus mehr als 100 Ländern teilnahmen, um diesem Ziel neuen Schwung zu verleihen. Seither haben sich Kanada, Australien und mehrere arabische Länder den Forderungen nach Anerkennung angeschlossen, während das Vereinigte Königreich seine Absicht bekundet hat, dies zu tun, falls Israel keinem Waffenstillstand zustimmt.

Obwohl die Idee eines palästinensischen Staates in einer Zeit, in der fast 2,2 Millionen Menschen von Israel systematisch ausgehungert werden, weithin als wichtige diplomatische Initiative begrüßt wird, ist sie nichts weiter als politisches Theater. Die derzeit von der internationalen Gemeinschaft propagierte Version eines „palästinensischen Staates“ wird weder den Völkermord in Gaza beenden noch einen echten souveränen Staat hervorbringen.

Die neuerliche Thematisierung palästinensischer Eigenstaatlichkeit zu diesem speziellen Zeitpunkt dient nur einem Zweck: Israel Legitimität und diplomatische Deckung für seine Gräueltaten in Gaza und die anhaltenden Angriffe im Westjordanland zu verschaffen. Mit Stand März 2025 hatten bereits 147 von 193 UN-Mitgliedstaaten einen palästinensischen Staat anerkannt. Doch eine internationale Gemeinschaft, die nicht willens – oder nicht in der Lage – ist, die vorsätzliche Aushungerung des Gazastreifens zu beenden, wird Israel niemals zu den für einen wirklich souveränen palästinensischen Staat erforderlichen Zugeständnissen zwingen können.

In Wahrheit ist die Zeit für einen palästinensischen Staat bereits vorbei. Israel hat jahrzehntelang systematisch darauf hingearbeitet, diese Aussicht nahezu unmöglich zu machen. Jedes derartige Gebilde hätte in territorialer, institutioneller, finanzieller und rechtlicher Hinsicht wenig Ähnlichkeit mit einem souveränen Nationalstaat.

In Wahrheit ist die Zeit für einen palästinensischen Staat bereits vorbei.

Zunächst einmal ist das zur Diskussion stehende Gebiet zersplittert, in unzusammenhängende Enklaven aufgeteilt und würde höchstens 40 Prozent des Westjordanlands umfassen – und wahrscheinlich den Gazastreifen komplett ausschließen. Wird die internationale Gemeinschaft Israel dazu zwingen, die Kontrolle über das Gebiet C aufzugeben, jene 60 Prozent des Westjordanlands, die weiterhin unter vollständiger israelischer Militär- und Verwaltungshoheit stehen? Wird sie Israel unter Druck setzen, die Kontrolle über den Gazastreifen aufzugeben?

Seit 1967 hat jede israelische Regierung den Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten vorangetrieben und jüdische Bürger durch finanzielle Vergünstigungen und den Ausbau der Infrastruktur systematisch dazu ermutigt, im Westjordanland zu siedeln. Jede Siedlung beherbergt eine zivile Sicherheitseinheit, die vom israelischen Verteidigungsministerium finanziert und bewaffnet und vom israelischen Militär wirksam unterstützt wird. Wird die internationale Gemeinschaft Druck auf Israel ausüben, diese Siedlungen aufzulösen oder ein einheitliches Rechtssystem einzuführen, das Palästinenser – sowohl Christen als auch Muslime – und jüdische Israelis denselben Gesetzen unterwirft?

Gemäß dem Oslo-II-Interimsabkommen von 1995 behält Israel die volle Kontrolle über alle Wasserressourcen in den besetzten Gebieten. Aufgrund dieser Vereinbarung haben die Palästinenser Zugang zu lediglich 20 Prozent des Wassers aus dem Grundwasserleiter im Westjordanland, einer gemeinsamen Ressource von Israelis und Palästinensern. Wird die internationale Gemeinschaft Israel zwingen, eine gerechtere Verteilung der Ressourcen zwischen den palästinensischen Gemeinden und den jüdisch-israelischen Siedlungen im Westjordanland vorzunehmen?

Gegenwärtig kontrolliert Israel praktisch alle Außengrenzen der besetzten Gebiete. Jeder Palästinenser – einschließlich des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas – muss eine israelische Erlaubnis einholen, um die Gebiete zu betreten oder zu verlassen, und oft sogar, um innerhalb der Gebiete selbst zu reisen. Wird die internationale Gemeinschaft Israel dazu bringen, die Kontrolle über die Grenzen und Grenzübergänge aufzugeben?

Gegenwärtig kontrolliert Israel praktisch alle Außengrenzen der besetzten Gebiete.

Die 1994 gegründete Autonomiebehörde, die die palästinensischen Angelegenheiten im Westjordanland und im Gazastreifen verwalten soll, fungiert weniger als Regierung denn als Subunternehmer für Israels militärische Besatzung. Israel behält sich sogar die Befugnis vor, ihre Wahlergebnisse zu genehmigen. Wird die internationale Gemeinschaft verlangen, dass Israel und seine Verbündeten echte freie und faire Wahlen zulassen – und die Ergebnisse akzeptieren?

Im Rahmen des Pariser Protokolls von 1994 kontrolliert Israel den Transfer von Mehrwertsteuereinnahmen an die Autonomiebehörde, die eine wichtige Einnahmequelle der PA darstellen. Wird die internationale Gemeinschaft Israel zwingen, einer palästinensischen Regierung die Verwaltung ihrer eigenen Einnahmen zu gestatten?

All diese Fragen sprechen die zahlreichen territorialen und administrativen Hindernisse, die einem künftigen palästinensischen Staat im Wege stehen, gerade mal in Ansätzen an. Vor allem berühren sie nicht einmal die historischen Ungerechtigkeiten, denen die Palästinenser bisher ausgesetzt sind, und die Rechte, die Millionen von Flüchtlingen seit langem verweigert werden.

Jedes Gerede über einen palästinensischen Staat, das diese Fragen nicht anspricht, dient dazu, von den anhaltenden Gräueltaten Israels abzulenken. Die Geschichte zeigt, dass noch kein Völkermord je durch einen Appell an die Vernunft der Täter gestoppt wurde. Nur Maßnahmen wie Sanktionen und ein Waffenembargo könnten Israel zwingen, seine brutale Gewalt zu zügeln.

Statt sich in bedeutungslosen politischen Gesten zu ergehen, müssen sich die Staats- und Regierungschefs der Welt drei grundlegende Fragen stellen: Sollte das Völkerrecht auf Israel Anwendung finden? Sollen die Menschenrechte der Palästinenser geachtet werden? Und ist die internationale Gemeinschaft wirklich entschlossen, die globale Nachkriegsordnung zu bewahren? Die Antworten auf diese Fragen werden nicht nur über die Zukunft des israelisch-palästinensischen Konflikts entscheiden, sondern auch über die Glaubwürdigkeit des regelbasierten Systems selbst.

© Project Syndicate

Aus dem Englischen von Jan Doolan