Die Einigung der Eurogruppe mit der griechischen Regierung bedeutet, dass eine Politik fortgesetzt wird, die fünf Jahre an Griechenland erprobt wurde und dabei auf allen Ebenen gescheitert ist. Die Arbeitslosigkeit ist massiv angestiegen, die Wirtschaft ist drastisch geschrumpft. Es grassiert Armut in einem Land der Europäischen Union. Bezeichnend ist, dass das Hauptziel der bisherigen Reformprogramme, die Konsolidierung der griechischen Finanzen, weit verfehlt wurde. Die öffentliche Verschuldung verzeichnet historische Höchststände, Griechenland ist faktisch bankrott und kann aus eigener Kraft weder den Schuldendienst leisten noch laufende Ausgaben bestreiten.
Es gibt keinen Grund zur Hoffnung: Die Fortsetzung dieser gescheiterten Politik wird die Krise Griechenlands nicht beenden, das neue Programm die Krise wahrscheinlich sogar noch vertiefen. Nach wie vor fehlt ein Lösungsansatz, der das Land aus der Krise führen könnte. Daher stellt sich weiterhin die Frage, wie eine Perspektive für Griechenland jenseits von Austerität und markt-liberalen Strukturreformen aussehen könnte. Griechenland braucht einen Plan B. Dieser muss drei zentrale Herausforderungen bewältigen: Lösung der Schuldenproblematik, Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung und Behebung der Defizite im griechischen Staatswesen. Ansatzpunkte für einen Plan B in vier Schritten:
Umstrukturierung der Schulden
Ohne ein Entgegenkommen der Gläubiger bei der Schuldenlast wird sich Griechenland nicht aus der Krise befreien können. Dies tut inzwischen selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) lautstark kund. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Schulden Griechenlands zwangsläufig annuliert werden müssen. Kredite der Euroländer sowie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegte griechische Staatsanleihen könnten bis auf ein für Griechenland zu bewältigendes Maß in sogenannte „Ewige Anleihen“ umgewandelt werden, für die Griechenland abhängig vom Wirtschaftswachstum Zinsen zahlt. Griechische Staatsschuldentitel würden so gewissermaßen in „Griechenland-Aktien“ umgewandelt. Der Vorteil wäre, dass die Gläubiger, anders als bei einem Schuldenschnitt, nicht leer ausgehen. Die Halter dieser „Griechenland-Aktien“ würden in Form einer Wachstums-Dividende von einer wirtschaftlichen Genesung Griechenlands finanziell profitieren. Die im neuen Programm wohl vorgesehene Ablösung kurzfristiger Verbindlichkeiten gegenüber dem IWF und der EZB durch langfristige Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) geht daher in die richtige Richtung. Sie verschafft Griechenland mehr Zeit für die Reform des Steuerwesens und erspart dem Land überdies Zinszahlungen für mehrere Jahre.
Investitions- und Wachstumsstrategie
Dass eine Erleichterung der Schuldenlast nicht automatisch zu einer wirtschaftlichen Erholung führt, hat der Schuldenschnitt des Jahres 2012 gezeigt. Damals wurde versäumt, Maßnahmen zu ergreifen, die Griechenland wieder hätten auf einen Wachstumspfad führen können. Dieses Versäumnis muss nun nachgeholt werden. Zwar verspricht das neue Programm, europäische Mittel in Höhe von 35 Milliarden Euro sowie eine teilweise Wiederverwendung der angestrebten Privatisierungserlöse für öffentliche Investitionen, diese Investitionskomponente ist jedoch mehr Schein als Sein. Erstens handelt es sich dabei um EU-Mittel, die Griechenland ohnehin zustehen, für die es aber einen Eigenanteil aufbringen muss, den es momentan schlicht nicht hat. Zweitens sind 25 der angestrebten 50 Milliarden Euro aus dem Verkauf öffentlichen griechischen Eigentums bereits fest für die Rekapitalisierung griechischer Banken vorgesehen. Von den darüber hinausgehende Einnahmen „darf“ Griechenland die Hälfte reinvestieren. Allerdings ist völlig unklar, ob dabei überhaupt substanziell mehr als 25 Millarden Euro erwirtschaftet werden wird. Bisher blieben die Privatisierungserlöse jedenfalls stets hinter den Erwartungen zurück.
Für eine Wiederbelebung der griechischen Wirtschaft wären gezielte öffentliche Investitionen (ohne Eigenanteil) aus einem europäischen Marshall-Plan in ausgewählte strategische Sektoren nötig, die aus einer einmaligen europaweiten Vermögensabgabe und Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer finanziert werden könnten.
Ein Bestandteil dieser Investitions- und Wachstumsstrategie müsste eine auf den griechischen Kontext hin maßgeschneiderte Industriepolitik sein. Hierbei bietet sich beispielsweise die Förderung alternativer Energien an, insbesondere der Solarenergie. Dies hätte mindestens zwei nutzbringende Effekte. Erstens würde sich die Abhängigkeit Griechenlands von teuren Ölimporten verringern. Zweitens würde eine zukunftsträchtige Hochtechnologie-Branche gefördert, für die Griechenland aufgrund seiner natürlichen Gegebenheiten geradezu prädestiniert wäre. Weitere strategische Zielsektoren wären unter anderem die Tourismus-Branche, die Pharma- sowie die Nahrungsmittelindustrie.
Griechische Sonderwirtschaftszone
Der dritte Bestandteil einer umfassend angelegten Entwicklungsstrategie ist die Etablierung einer auf fünf bis sieben Jahre zeitlich befristeten griechischen Sonderwirtschaftszone. Um sicherzustellen, dass die Investitionen aus einem europäischen Marshall-Plan auch tatsächlich der griechischen Wirtschaft zugute kommen, müsste eine Reihe von europäischen Binnenmarktregularien vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. Hierbei wäre vor allem ein Moratorium der europäischen Wettbewerbsregeln notwendig. Das darin enthaltene Verbot staatlicher Beihilfen sowie Vorgaben zur öffentlichen Auftragsvergabe verhindern, dass Fördermaßnahmen gezielt auf den Aufbau griechischer Industriestrukturen und auf die Förderungen griechischer Unternehmen zugeschnitten werden können.
Es wäre darüber hinaus auch zu erwägen, ob diese Maßnahmen durch vorübergehende Einfuhrzölle auf ausgewählte Güter flankiert werden sollten, um in der Anfangsphase eine ‚geschützte‘ Entwicklung griechischer Industriestrukturen zu ermöglichen. Als Nebeneffekt würden sich eingeführte Waren im Vergleich zu in Griechenland hergestellten verteuern und somit der Konsum griechischer Produkte gefördert.
Reform des Steuerwesens und Bekämpfung der Korruption
All diese Maßnahmen setzen zwingend voraus, dass zugleich das griechische Steuersystem grundsätzlich reformiert und Korruption sowie Cliquenwirtschaft effektiv bekämpft werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die eingesetzten Mittel nicht zweckentfremdet werden und die angestrebte wirtschaftliche Belebung auch tatsächlich zu einer Konsolidierung der Staatsfinanzen beiträgt.
Sollte dies aber gelingen, zielt der hier skizzierte Plan B, anders als die gescheiterte Politik der letzten Jahre, auf eine langfristig angelegte Krisenbewältigungs- und Entwicklungsstrategie für das Land.
13 Leserbriefe
Meine Idee wäre, dass man einen Plan ausarbeitet oder ausarbeiten lässt, der die finanziellen Hilfen ganz klar und hart an ganz konkrete verwirklichter Reformen knüpft. Aber klar: wer sollte diesen Plan machen? - und wer die Einhaltung wirklich überprüfen?
Denn es ist doch einleuchtend, dass alle bisherigen Maßnahmen nicht viel gebracht haben, nicht weil sie falsch waren, sondern weil sie an den Ursachen (korrupte Oberschicht, verlotterte Verwaltung) nichts geändert haben.
Eine schwierige Aufgabe, an der sich Europa beweisen müsste. Alle Streitereien um Fehler der Vergangenheit sind doch ziemlich nutzlos.
es ist nicht verständlich, warum die eu den griechen den grexit nicht ermöglicheen und begleiten. unter der drachme hätten die griechen ohne druck die möglichkeit ihren staat neu zu formieren, ihre agrarproduktion massiv zu erhöhen und ihre wirtschaft.... vorerst für den binnenmarkt voranzubringen, und ihr ganzes steuer und finanzsystem zu ordnen........
und mithilfe der eu ! das wäre günstiger für beide seiten.
Solange eine "sozialistische Regierung" das Geld bei den Armen einsammelt und die Reichen schont, ist sie unglaubwürdig!
Bis jetzt ist das Verhalten der griechischen Regierung ein Suchtverhalten: andere sollen immer weiter, immer mehr finanzieren, die Idee, auf eigenen Füssen zu stehen ist eher exotisch.
1. bereits vor dem Eintritt Griechenlands in die Euro-Zone über diverse Fonds (Strukturfonds, Kohäsionsfonds) ca. 100 Mrd. € nach Griechenland floss. Das Geld floss in den Konsum statt in die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Zudem hatte Griechenland laufend Zuwendungen von der EU bekommen und
2. Griechenland Steuer-Forderungen in Höhe von ca. 70 Mrd. haben soll.
Die Lösung liegt im Abbau struktureller Verwaltungsmängel und der Errichtung eines marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmens, dessen wichtigstrer Bestandteil die Einforderung der Eigenverantwortlichkeit sein sollte. Dazu braucht es kein Geld, sondern Willen und Können.
Ohne eine "Revolutionierung" des griechischgen Staatswesens ist JEDER Euro, der nach Griechenland fließt, verloren!
Sie schreiben: "für eine Wiederbelebung der griechischen Wirtschaft wären gezielte öffentliche Investitionen (ohne Eigenanteil) aus einem europäischen Marshall-Plan in ausgewählte strategische Sektoren nötig, die aus einer einmaligen europaweiten Vermögensabgabe und Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer finanziert werden könnten."
Griechenland ist aber reich. Es hat ein riesiges privates Immobilienvermögen in den schönsten Lagen Europas und nicht nur in Griechenlad und es verfügt über die größte Handelsflotte der Welt. Die Steuereinnahmen liegen mit 9,314 Milliarden unter denen des Landes Berlin. Wäre da nicht erstmal eine griechische Vermögensabgabe vergleichbar z.B. mit der Adenauerschen Zwangsanleihe in Deutschland im Jahr 1949 angezeigt, bevor auf alle privaten europäischen Vermögen zugegriffen wird? Deutschland könnte den Griechen einen "Uli-Hoeneß-Knast" bauen.
Was Herr Holland-Cunz vorschlägt, eine Binnenwährung ist durch die Euroverträge gedeckt.
Was er unter Umlaufantrieb versteht, wäre näher auszuführen.
Eine Parallelwährung macht nur Sinn, wenn eine Parität zum Euro gefunden wird und gleichzeitig der Anreiz zur Nutzung der Parallelwährung im Lande gegeben ist. Hier sei an Gsell und die bestehenden Parallelwährungen "Chiemgauer, Elbtaler" in Deutschland verwiesen. Wie auch an die bestehende WIR-Genossenschaft in der Schweiz, gegründet 1934.