Vor genau zehn Jahren wurde das Pariser Klimaabkommen verabschiedet. Das Abkommen war bahnbrechend und wurde zu Recht als großer Erfolg gefeiert. Nach jahrelangem Stillstand hatte sich die Weltgemeinschaft endlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen.
Wie sieht es zehn Jahre später aus, wenn die Weltgemeinschaft im brasilianischen Amazonasgebiet in Belém zur 30. Weltklimakonferenz, der sogenannten Conference of the Parties (COP), zusammenkommt? Viele Fragen auf der Verhandlungsebene sind mittlerweile abgeschlossen. Daher wird die Umsetzung der gemachten Klima-Beschlüsse immer dringender – sie hinkt jedoch in den allermeisten Ländern hinterher, vor allem in Industrieländern, die eigentlich vorangehen müssten. Das untergräbt das Vertrauen in den Prozess und hat in den letzten Jahren oft zu falschen Erwartungen an die Klimakonferenzen geführt. Denn das Klima wird nicht in den zwei Wochen auf der COP gerettet – entscheidend sind die 50 Wochen dazwischen, in denen Länder konkrete Maßnahmen ergreifen, etwa um Emissionen zu reduzieren oder ihre Städte klimafest zu machen. Hinzu kommt die zunehmend schwierige geopolitische Lage mit zahlreichen Kriegen und handelspolitischen Konflikten. Das schafft Unsicherheiten, die ambitionierte Ergebnisse immer schwerer machen und die internationale Klimapolitik infrage stellen – allen voran durch den Rückzug der USA aus dem internationalen Klimaschutz.
Gerade in Zeiten geopolitischer und geoökonomischer Konflikte sind die Klimakonferenzen wichtige globale Plattformen, die zeigen, dass der Multilateralismus weiterhin funktioniert. Nur so bleibt der Druck aufrechterhalten – auch und gerade, wenn der Klimaschutz weiter unten auf der politischen Tagesordnung steht. Die Konferenzen bieten zudem eine wertvolle Möglichkeit, „Koalitionen der Willigen“ zu schmieden und ambitionierte Klima-Initiativen voranzubringen, die über die Beschlüsse der COPs hinausgehen. Gleichzeitig ist klar, dass das System der Klimakonferenzen reformiert werden muss, um effektiver zu werden. Hierzu hat die brasilianische COP-Präsidentschaft bereits Initiativen auf den Weg gebracht. Doch das sind komplexe und langsame Reformprozesse mit ungewissem Ausgang. Eine bessere Alternative ist daher derzeit nicht in Sicht.
Just Transition ist das zentrale Element, um soziale Gerechtigkeit in der globalen Transformation ins Zentrum zu stellen und möglichst alle Bevölkerungsgruppen mitzunehmen.
Ein zentrales Thema auf der diesjährigen COP ist der Abschluss der Verhandlungen zum Just Transition Work Program (JTWP) – eine wichtige Priorität der brasilianischen COP-Präsidentschaft. Just Transition ist das zentrale Element, um soziale Gerechtigkeit in der globalen Transformation ins Zentrum zu stellen und möglichst alle Bevölkerungsgruppen mitzunehmen. Nur so kann gesellschaftliche Akzeptanz für Klimaschutz entstehen – eine Akzeptanz, die vor allem in demokratischen Ländern essenziell ist und dazu beiträgt, rechtspopulistischen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen, die Klimaschutz zunehmend infrage stellen.
Bisher fristete das Thema Just Transition im Rahmen der Klimakonferenzen eher ein Schattendasein. Zwar wurde es in der Präambel des Pariser Abkommens von 2015 erwähnt, doch einen eigenen Verhandlungsstrang gab es erst ab 2022. Ermutigend ist die jüngste Allianzbildung progressiver Akteure – Gewerkschaften, feministische Gruppen, Klimabewegung und Jugendorganisationen –, die gemeinsam mit vielen Ländern des globalen Südens fordern, dass auf der COP30 ein internationaler Mechanismus für Just Transition verabschiedet wird. Dieser soll soziale Gerechtigkeit für Arbeitnehmende und betroffene Gemeinden ins Zentrum rücken.
Viele Industrieländer und v.a. die EU fürchten indes, dass die Etablierung eines so weitreichenden Mechanismus zu einer Überfrachtung der Klimakonferenzen führen wird und der gewählte Fokus zu breit gefasst ist. Dies wird von vielen Ländern des globalen Südens und den Beobachtergruppen zu Recht kritisiert. Ein ambitioniertes Ergebnis im Bereich Just Transition wäre dringend geboten – und zwar sowohl, um Vertrauen von Partnerländern im Globalen Süden und in den Multilateralismus selbst zurückzugewinnen als auch um die Frage sozialer Gerechtigkeit ins Zentrum der internationalen Klimadebatte zu rücken.
Eine sozial gerechte Transformation muss auch finanziert werden – in Deutschland wie weltweit. Nur mit ausreichender Finanzierung können ärmere Länder, die bisher kaum zum Klimawandel beigetragen haben, wichtige Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels umsetzen – und sind auch nur dann dazu bereit. Zentral ist hier die Umsetzung der Beschlüsse zur Klimafinanzierung der letzten COP. Demnach sollen ab 2025 jährlich 300 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung durch Industrieländer wie Deutschland bereitgestellt und bis zu 1,3 Billionen US-Dollar durch zusätzliche Länder und Initiativen mobilisiert werden. Die durch den Rückzug der USA entstandene Lücke ist groß – und bislang ist nicht absehbar, dass sie geschlossen wird, insbesondere wenn die EU und Deutschland nicht bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es ist jedoch entscheidend, dass reiche Industrieländer ihre Zusagen einhalten, um andere Länder zum Mitmachen zu motivieren. Hier braucht es auch innovative Ansätze. So plant Brasilien auf der diesjährigen Klimakonferenz, die Tropical Forest Forever Facility ins Leben zu rufen – einen internationalen Fonds, der durch private Investitionen zum Schutz des Regenwaldes beitragen soll.
Nicht zuletzt soll es auf der COP30 auch darum gehen, ein globales Ziel für Klima-Anpassung festzulegen und mit Indikatoren zu unterlegen – ein solches Ziel existiert bislang nicht. Bereits viele Vorbereitungen wurden getroffen, um die noch sehr lange Liste von Indikatoren auf maximal hundert zu reduzieren. Mit Blick auf die weiter fortschreitende Erderwärmung wird dieses Thema künftig noch an Bedeutung gewinnen. Auch hier spielt Just Transition eine Rolle: Mit zunehmendem Klimawandel werden die Auswirkungen auf die arbeitende Bevölkerung gravierender. Der internationale Dachverband der Bau- und Holzarbeiter beschäftigt sich beispielsweise schon seit langem mit den Folgen von Hitzestress im Arbeitsumfeld. Und auch mit Blick auf die breitere Bevölkerung gilt: Ohne entsprechenden Schutz werden vor allem ärmere Bevölkerungsgruppen unter den Folgen der Klimakrise leiden, während reichere sich Schutzmaßnahmen leisten können.
Klimapolitik wird sich künftig daran messen lassen müssen, ob sie Lebensrealitäten verändert.
Nicht offiziell auf der Agenda steht die Frage, wie das ursprüngliche Ziel des Pariser Abkommens – die die Begrenzung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad – noch erreicht werden kann. Alle Vertragsstaaten waren in diesem Jahr bereits aufgerufen, ihre nationalen Klimaschutzpläne (Nationally Determined Contributions – NDCs) zu aktualisieren – ein Ergebnis der ersten globalen Bestandsaufnahme auf der COP28 in Dubai. Dabei wurde auch eine Abkehr von fossilen Energien, die Verdreifachung erneuerbarer Energien sowie die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 vereinbart. Dies sind wichtige Ziele, die nun umgesetzt werden müssen – und an die die COP30 anknüpfen muss.
Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Die eingereichten NDCs sind unzureichend, und bislang haben nur ein Drittel der Staaten ihre Pläne aktualisiert. Die EU hat noch gar kein aktualisiertes NDC eingereicht. Zwar liegt ein Vorschlag vor, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Dieses Ziel soll jedoch aufgrund von internen Widerständen erst am 4. November 2025 in einer Sondersitzung des EU-Umweltrats beschlossen werden – wenige Tage vor Beginn der COP30 am 10. November. Das ist zu spät, um noch eine breitere Signalwirkung zu entfalten. Auch hier zeigt sich: Eine größere Ambition beim Erreichen der Klimaschutzziele kann nur gelingen, wenn soziale Aspekte und gesellschaftliche Bedürfnisse mitgedacht werden.
Zehn Jahre nach Paris ist klar: Die Zeit der Versprechen ist vorbei, die Zeit der Umsetzung hat begonnen. Klimapolitik wird sich künftig daran messen lassen müssen, ob sie Lebensrealitäten verändert – mit Blick auf Arbeitsplätze, Infrastruktur, soziale Gerechtigkeit. Der Erfolg des Just Transition Work Program wird zeigen, ob die internationale Gemeinschaft diese Herausforderung verstanden hat.




