Die Finanz- und Wirtschaftskrise beschäftigt den Euro-Raum schon seit Jahren. Können Lehren aus der Krise gezogen werden?
Es gibt einen Unterschied zwischen den Lehren, die man aus der Krise ziehen könnte und denen die tatsächlich gezogen wurden. Wenn wir an Irland denken, das eine der größten Immobilienblasen und eine der größten Bankenkrisen zu verkraften hatte, dann wird da häufig die Geschichte daraus gesponnen, Irland habe Anpassungen vorgenommen und so die Krise überwunden, während die Griechen sich einfach nicht genug anstrengen würden, es ihnen gleich zu tun. Das ist sicher ein falscher Schluss. Denn Irland kann etwa die Profite von Starbucks und Google als Dienstleistungsexporte verbuchen, Griechenland nicht.
Wenn das Einzige, was wir aus der Krise gelernt haben, ist, dass wir unsere eigene Voreingenommenheit verstärken und immer nur nach Beweisen für unsere eigene Weltsicht suchen, dann haben wir eigentlich gar nichts aus der Krise gelernt.
Was wäre denn eine Lösung, um die Wirtschaft in den Euro-Ländern wieder anzukurbeln?
Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze sind nichts, was man einfach auf Knopfdruck herbeizaubert. Es ist nicht nur eine Frage der Politiken, sondern der weltweiten Bedingungen dafür. Die globale Wirtschaft hat eine zu geringe Inflation und Überkapazitäten an einem Ort und nicht genug an einem anderen. Ein Anfang wäre gemacht, wenn man nicht unnötig den Haushalt beschränkt. Europa ist die Sache falsch angegangen: mit einer sehr strengen Ausgabenpolitik und einer sehr lockeren Geldpolitik. Die ganze Hoffnung wurde auf etwas gelegt, das wir Strukturanpassung nennen, obwohl wir gar nicht so genau wissen, was das eigentlich bedeutet. Das ist nicht der richtige Mix. Steuer- und Geldpolitik sollten sich die Waage halten und Strukturreformen eine nachgeordnete Rolle spielen.
Wie kann das gelingen?
Der erste Schritt wäre anzuerkennen, dass die ökonomischen Probleme, mit denen wir es zu tun haben, im Grunde vor allem politische Probleme sind. Europa als ein Wirtschaftsraum hat in den verschiedenen Gegenden unterschiedliche wirtschaftliche Bedürfnisse. Wenn die Politiker jeweils nur den Problemen ihrer eigenen Wähler Gehör schenken, werden sie die Probleme Europas nicht gemeinsam lösen. Aber ich sage auch dazu: Es wäre schön, wenn Europa ein Staat, eine Kultur, eine Demokratie wäre, aber das ist es nicht. Und es geht auch nicht in die Richtung. Je mehr wir versuchen, es so zu machen, umso mehr Widerstand gibt es von Bevölkerungen, die nicht „mehr Europa“ wollen. Also wäre es erst einmal sinnvoll, zu geordneten Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und beim Wachstum zurückzufinden, ohne dies zwingend mit der Gründung eines Superstaates zu verknüpfen, wovor die Briten unter anderem solche Angst haben.
4 Leserbriefe
Den Superstaat Europa wird es nicht geben, da die Einzelstaaten in Europa gewachsen sind in Kultur, Wirtschaft, etc. Franzosen werden immer Franzosen und Deutsche immer Deutsche bleiben. Man kann doch die Identitaet der Voelker nicht einfach weg radieren.
Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Wie die Aufgabe der Kleinstaaterei in Deutschland trotz aller Irrwege zu einem für die Menschen vorteilhaften föderalen Nukleus in der EU wurde, kann nur ein demokratischeres Europa die Zukunftsaufgaben, Globalisierung, Klimawandel, Demographie, soziale Kohärenz u. a., angehen. Die Diskussion um TTIP zeigt es. Qualitative Verbesserungen in diesem Kontext sind nur von einer starken, demokratisch kontrollierten Gemeinschaft zu erreichen.
Aber ein Staatsgefüge das sich an die USA anlehnt wäre schon ein großer Traum von mir.
Es sollten aber durchaus nationale Interessen stärker berücksichtigt werden. Außerdem finde ich die schnelle Aufnahme aller osteuropäischen Staaten für falsch. Beispiel Polen, das ja nur auf das Strukturgeld Europas aus war und auf offenere Arbeitsmärkte. Ähnliches gilt für Rumänien.