Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Ghana am Samstag hat die Opposition einen Erdrutschsieg erzielt. Zum neuen Präsidenten wurde John Dramani Mahama vom National Democratic Congress (NDC) gewählt. Mahama war bereits von 2012 bis 2017 Präsident Ghanas und hatte sich nun erneut für das Amt beworben. Gestern wurde das offizielle Ergebnis verkündet: Mahama gewinnt die Wahl mit 56,5 Prozent der Stimmen und liegt damit deutlich vor seinem stärksten Konkurrenten, dem derzeitigen Vize-Präsidenten Dr. Mahamudu Bawumia der New Partiotic Party (NPP), der mit knapp 41 Prozent weit abgeschlagen ist.

In Ghana ist die Electoral Commission für die Durchführung und Auszählung der Wahlen zuständig und verkündet auch das offizielle Ergebnis. Dafür hat sie 72 Stunden Zeit. Trotz der laufenden Auszählung hat Bawumia bereits am Sonntagvormittag seine Niederlage in einer Rede eingestanden und Mahama zum Wahlsieg gratuliert. Bawumia begründete sein Eingestehen der Niederlage damit, weitere Spannungen in der Bevölkerung und möglicherweise gewalttätige Ausschreitungen verhindern zu wollen. Zu dem Zeitpunkt waren offiziell erst circa eine Million Stimmen ausgezählt. Für die Wahl registriert hatten sich knapp 18 Millionen Ghanaerinnen und Ghanaer. Doch neben den offiziellen Wahlhelfern der Electoral Commission senden auch die Parteien ihre Vertreter in die mehr als 40 000 Wahllokale, um den Wahlprozess und die Auszählungen zu beobachten und Ergebnisse schon vorab an die eigenen Parteizentralen weitergeben zu können. Damit soll auch möglichen Manipulationen im Auszählungsprozess begegnet werden. Die Kandidatinnen und Kandidaten wussten also frühzeitig, wie die Wahlergebnisse aussehen.

Zudem gilt in Ghana traditionell, dass nur Präsidentin oder Präsident werden kann, wer in seinen eigenen Parteihochburgen für eine starke Mobilisierung der eigenen Wählerschaft sorgt und dort klar gewinnt, dort also 80 bis 90 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen kann. Dies ist dem NPP-Kandidaten Bawumia überhaupt nicht gelungen. Im Gegenteil, die NPP hat in vielen ihrer Hochburgen bei der Präsidentschaftswahl nur knapp gewonnen oder musste gar Niederlagen hinnehmen. Auch bei den Wahlen zum Parlament konnten einige Kandidatinnen und Kandidaten der Partei des neuen Präsidenten der NPP in deren Hochburgen die Parlamentssitze abnehmen.

Der Erdrutschsieg für den NDC gelang demnach nicht nur bei der Präsidentschaftswahl, auch bei den Wahlen zum ghanaischen Parlament räumte die derzeitige Oppositionspartei ab. Im zukünftigen Parlament wird sie eine komfortable Mehrheit haben. Doch warum kam es zu einem so deutlichen Sieg der Opposition?

Im Wahlkampf ging es vor allem um ein Thema: die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes.

Im Wahlkampf ging es vor allem um ein Thema: die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes und die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen. Die Regierung hat es nicht vermocht, auf die Herausforderungen der letzten Jahre zu reagieren. Sowohl die COVID-19-Pandemie als auch der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hatten massive Auswirkungen auf Ghana. Jedoch konnten sie nur deshalb zum Niedergang der ghanaischen Wirtschaft beitragen, da die inneren Probleme des Landes es anfälliger für externe Schocks gemacht hatten. Eine starke Abhängigkeit von Einnahmen aus dem Verkauf unverarbeiteter Exportprodukte wie Kakao, Gold und Öl, die anfällig für Preisschwankungen und im Fall von Kakao von klimatischen Bedingungen sind, treffen in Ghana auf eine wiederum starke Abhängigkeit von Importen. Circa 90 Prozent der Konsumgüter, darunter verarbeitete Lebensmittel, stammen aus dem Ausland. Auch Probleme bei der Regierungsführung und Korruptionsvorwürfe trugen zum Vertrauensverlust in die aktuelle Führung des Landes bei. Eine über mehrere Jahre galoppierende Inflation, der massive Wertverlust der nationalen Währung Cedi sowie letztlich die Zahlungsunfähigkeit Ghanas und das Aufsetzen des 17. Schuldenrestrukturierungs-Programms des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Jahr 2022 wurden zum Fanal der Regierung des Präsidenten Nana Akufo-Addo. Ein erneuter Einzug eines Kandidaten der NPP ins Jubilee House, den Sitz des Präsidenten, schien schon damals sehr unwahrscheinlich.

Hinzu kam als weiteres wichtiges Thema in den letzten Monaten vor der Wahl der illegale Goldabbau im Land. Dabei geht es vor allem um den illegalen „Kleinbergbau“, der vielerorts mit einfachem technischem Gerät und ohne große Fachkenntnisse erfolgt. Durch die Umwandlung von Kakao- und Waldflächen in illegale Abbaugruben gehen alternative Einnahmequellen und Biodiversität verloren. Der Einsatz giftiger Chemikalien verseucht die Wasserversorgung und die Fischbestände. Die Menschen in Ghana machen die Regierung dafür verantwortlich, dass der illegale Goldabbau außer Kontrolle geraten ist. Mit einer massiven Erhöhung der Lizenzen für den Kleinbergbau hat die Regierung dem Problem in den letzten Jahren weiteren Vorschub geleistet, bis zu dem Punkt, dass der illegale Goldabbau die Lebensgrundlage der Menschen in Ghana gefährdet.

Das dritte große Thema der Wahlen war Bildung. Ghana hat ein vergleichsweise gutes Bildungssystem, allerdings ist gerade die tertiäre Ausbildung an Hochschulen sehr teuer, sodass viele junge Menschen ihr Potenzial nach der High School nicht weiter entfalten können. Außerdem beklagen viele Unternehmen, dass die jungen Menschen, die auf den Arbeitsmarkt strömen, nicht die Fähigkeiten mitbringen, die gebraucht werden. Das Bildungssystem bildet demnach am Bedarf vorbei aus. Deshalb haben beide Präsidentschaftskandidaten hier Abhilfe versprochen, insbesondere indem das erste Jahr der tertiären Ausbildung kostenlos angeboten werden soll. Mehr als die Hälfte der 18 Millionen registrierten Wählerinnen und Wähler in Ghana sind unter 35 Jahre alt. Bildung und Ausbildung sowie das Schaffen von Jobs dürften demnach die wahlentscheidenden Punkte für sie gewesen sein. Hier fehlte es offensichtlich am Glauben, dass der Vize-Präsident, der als Mitglied der Regierung seinen Anteil an der aktuellen schlechten wirtschaftlichen Lage hat, als Präsident das Ruder herumreißen könnte.

John Mahama übernimmt Ghanas Präsidentschaft in schwierigen Zeiten.

So ist der ehemalige Präsident, der nach seiner ersten Amtszeit 2016 und auch 2020 die Wahlen gegen den amtierenden Präsidenten Akufo-Addo verloren hatte, nun zum Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft für Ghana aufgestiegen. John Mahama übernimmt Ghanas Präsidentschaft in schwierigen Zeiten. Zwar wurde vor wenigen Wochen das IWF-Programm abgeschlossen und von der ghanaischen Regierung sowie vom Währungsfonds als Erfolg verbucht. Doch die Verwerfungen des Programms, das zum ersten Mal auch private Gläubiger mit einbezogen und somit private Anlagen entwertet hat, und das durch die Erhebung von Steuern auf Produkte des täglichen Bedarfs das Leben vieler Menschen weiter verteuert hat, haben tiefe Spuren hinterlassen.

Wirtschaftspolitisch besteht zunächst kaum Handlungsspielraum für die neue Regierung, da sie kaum finanzielle Spielräume für Investitionen hat. Mahama hat zwar große Infrastrukturprojekte angekündigt, doch offen ist, wie diese finanziert werden sollen. Gleiches gilt für die Unterstützung von Unternehmen, die seine Idee der 24-hour-Economy umsetzen sollen, um die Produktion anzukurbeln und Wertschöpfungsketten im Land zu behalten. Auch hier ist offen, wie eine Unterstützung seitens der Regierung aussehen könnte, die über die Gewährung von Steuernachlässen hinausgeht. Mahamas Idee, zunächst das Investitionsklima im Land zu verbessern und gezielt Steuern und Gebühren zu reduzieren, zum Beispiel um Produktionskosten zu verringern, aber auch um Konsumgüter und damit die Lebenshaltungskosten der Menschen zu verringern, soll der Anfang für ein substanzielles Wirtschaftswachstum sein. Allerdings würden damit die Einnahmen des Staates zunächst einmal geringer, was wiederum den Handlungsspielraum in anderen Bereichen einschränkt. Ein hohes Risiko, da nicht klar ist, ob Mahamas Konzept zündet und tatsächlich Wirtschaftswachstum und Staatseinnahmen generiert. Ob es ausreicht, die Anzahl der hohen Regierungsposten zu halbieren, wie von Mahama angekündigt (zurzeit gibt es circa 120 Ministerinnen und Minister), um finanzielle Spielräume zu schaffen, bleibt abzuwarten.

Eine weitere Herausforderung für Mahama werden die regionalen Beziehungen sein, insbesondere zu den Putsch-Ländern der Sahelregion. Nicht nur die Beziehungen zu den Militärregierungen werden zur Herausforderung, auch die dort aktiven dschihadistischen Gruppierungen könnten für Ghana zu einem großen Problem werden, sollten sie in die nördlichen Regionen des Landes einsickern.

Es gilt, Ghana wirtschaftlich und finanziell zu stabilisieren, die Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten und jungen Ghanaerinnen und Ghanaern eine Perspektive zu schaffen. Es gibt viel zu tun für den alten Präsidenten und neuen Hoffnungsträger.