Südkorea hat am Sonntag gewählt. Neuer Präsident für die nächsten fünf Jahre ist der linksliberale Moon Jae-in. Womit konnte er sich gegenüber seinen zwölf Mitbewerbern, vor allem aber gegenüber den beiden Mitfavoriten, Ahn Cheol-soo und Hong Jun-pyo, durchsetzen?
Moon Jae-in verkörpert für viele, vor allem jüngere Wähler, eine Alternative zur Politik der Regierung unter Park Geun-hee. Diese war im März aufgrund mutmaßlicher Korruptionsaffären, Amtsmissbrauch und Verrat von Staatsgeheimnissen <link regionen asien artikel detail untauglich-1908>des Amtes enthoben worden. Ihr wird nun der Prozess gemacht. Die monatelangen Demonstrationen gegen Präsidentin Park waren aber auch durch den allgemeinen Unmut über die gesellschaftlichen Verhältnisse von wachsender sozialer Ungerechtigkeit und Polarisierung getragen. Da haben Moons Wahlversprechen, mit staatlichen Programmen 170 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst und weitere 650 000 in der Wirtschaft zu schaffen, bei vielen Menschen Hoffnung auf bessere Verhältnisse aufkommen lassen. Auch hat er immer wieder die Notwendigkeit einer Politik der sozialen Ausgleichs und der Reform sozialer Sicherungssysteme betont. Seine beiden Kontrahenten haben mit ihren zurückhaltenden Aussagen in diesen Fragen nicht überzeugen können.
Wer ist Moon Jae-in? Was sind seine Überzeugungen und welchen Politikstil verfolgt er?
Moon Jae-in kommt aus einfachen Verhältnissen. Er wurde 1953 kurz vor Ende des Korea-Kriegs in eine Flüchtlingsfamilie hineingeboren. Er hat Jura studiert, wurde aber aufgrund seiner studentischen Aktivitäten gegen die Militärregierung von Park Chung-hee verurteilt und kam in Haft. Nach Abschluss des Studiums konnte er deshalb nicht die Richterlaufbahn einschlagen, weil diese für politisch Verurteilte nicht zugängig war. Diese Erfahrungen haben ihn in seiner Anwaltskarriere dazu gebracht, sich für Menschenrechte einzusetzen. So hat seine Zusammenarbeit mit dem späteren Präsidenten Roo Moo-hyun begonnen. Dieser hat ihn dann, als er 2002 gewählt wurde, zum Stabschef im Präsidialamt gemacht.
Er gilt als selbstbewusst und entschlussfreudig. Aber unter den gegenwärtigen Bedingungen werden im gleichen Maße seine Dialogfähigkeit und -bereitschaft gefordert sein. Er verfügt mit den 119 Sitzen der Demokratischen Partei über keine Mehrheit im Parlament und muss sich einen Koalitionspartner suchen, wenn er künftig mit stabilen Mehrheiten regieren will. Seine demokratische Gesinnung wird ihm dabei zum Vorteil gereichen.
Das überragende Motto seiner Kampagne war die Wiederherstellung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und gerechterer sozialer Verhältnisse.
Welche innenpolitischen Probleme sollte er und welche will er zuerst angehen?
Das überragende Motto seiner Kampagne war die Wiederherstellung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und gerechterer sozialer Verhältnisse. Hierfür muss er sozial- und wirtschaftspolitische Initiativen ergreifen. Aber auch im Bereich Bildungspolitik warten große Herausforderungen auf ihn. Weiterreichende Reformen wird er auch bei der Verfassung in Angriff nehmen müssen. Die Amtsführung von Präsidentin Park hat gezeigt, welchen Missbrauch die Machtfülle der Präsidentschaft im koreanischen Präsidialsystem ermöglicht. Es wird dabei darum gehen, die Kompetenzen des Parlaments zu stärken und die Verantwortung der Präsidentschaft gegenüber dem Parlament und den Bürgern zu verankern. Ohne eine Wiederwahl des Präsidenten, wie es die gegenwärtige Verfassung untersagt, kann dieser für fünf Jahre wie ein Monarch regieren, ohne dass er sich dafür gegenüber den Wählern verantworten müsste.
Welche Veränderungen sind mit ihm außenpolitisch zu erwarten?
Moon jae-in hat vor, die Beziehungen zu Nordkorea auf eine neue Grundlage zu stellen. Dabei sollen neben der aktuellen Sanktionspolitik auch zunehmend Dialogangebote formuliert und ernsthaft verfolgt werden. Es wäre schon bald möglich, der nordkoreanischen Seite Gespräche über eine Wiederaufnahme des gemeinsamen Wirtschaftsparks von Kaesŏng anzubieten. Er will auch zu anderen schwierigen Themen der gemeinsamen Beziehungen einen Dialog beginnen. Ziel ist, schrittweise zu einer umfassenden Erneuerung der innerkoreanischen Beziehungen zu kommen. Dafür ist es auch wichtig, dass er die Beziehungen zu den USA um das Thema einer Friedensarchitektur in Nordostasien erweitert. Das setzt natürlich voraus, dass er auch mit Peking hier neue Akzente setzt. Entscheidend wird für all dies aber sein, ob er schon frühzeitig erste Erfolge in möglichen Ouvertüren gegen Pjöngjang verzeichnen kann.
Wie geht es mit Park Geun-hye weiter?
Der Strafrechtsprozess wird seinen Gang durch die Instanzen nehmen und bis zum Obersten Gerichtshof gehen. Für die Präsidentschaft von Moon Jae-in wird dies zunächst keine große Rolle mehr spielen. Spannend könnte es erst dann werden, wenn eine der Instanzen befinden sollte, dass unzureichende Beweise vorliegen, um sie strafrechtlich zu verurteilen.
Die Fragen stellte <link ipg autorinnen-und-autoren autor ipg-author detail author anja-papenfuss>Anja Papenfuß.