Als der chinesische Präsident Xi Jinping vor fünf Jahren Papua-Neuguinea besuchte, gab es keinen Zweifel an Chinas großen Ambitionen in der Region. Auch Papua-Neuguinea war sich der Signifikanz des Besuchs bewusst und rollte nicht nur sprichwörtlich einen roten Teppich zu seiner Begrüßung aus.
US-Präsident Joe Biden hätte im Mai ein ähnlicher Pomp erwartet – für seinen Besuch war extra ein nationaler Feiertag ausgerufen worden. Doch Biden sagte - anders als Xi - wegen der US-Haushaltskrise kurzfristig ab und die Enttäuschung in Papua-Neuguinea war groß. „Wir haben Bidens historischen Besuch sogar zum nationalen Feiertag erklärt“, schrieb der politische Aktivist Martyn Namorong auf Twitter. „Und dann ließen die USA uns im Stich.“ Damit würden die USA sich immer wieder selbst ins Bein schießen, meinte er in einem weiteren Post. Denn China müsse sich nicht mit solchen internen Streitereien auseinandersetzen.
Tatsächlich wird Peking die Entscheidung Bidens gerade recht gekommen sein. Chinesische Staatsmedien können dadurch ihre Narrative weiterspinnen, dass die USA innenpolitisch im Chaos sind und sich gegenüber Verbündeten als unzuverlässig erweisen. Chinas Präsident Xi Jinping dürfte sich die Hände gerieben haben. Da half es auch wenig, dass US-Außenminister Antony Blinken in aller Eile stellvertretend für Biden anreiste, um ein geplantes Sicherheitsbündnis zwischen den Ländern zu unterzeichnen, das – so Blinken – die militärischen Fähigkeiten Papua-Neuguineas verbessern soll. Beispielsweise sind gemeinsame militärische Trainingsübungen geplant.
Dass die beiden mächtigsten Länder der Erde um Papua-Neuguinea buhlen, hat damit zu tun, dass sich der pazifische Inselstaat in einer geostrategisch wichtigen Position befindet: Nördlich von Australien gelegen gilt das Land als Tor nach Asien und zu den Pazifikstaaten. Die geostrategische Bedeutung sei sicherlich „ein Faktor“, bestätigt dann auch Meg Keen, Direktorin des Pacific Island-Programms des in Sydney ansässigen Thinktanks Lowy Institute. Aber Papua-Neuguinea und die Region seien auch noch wegen anderer Gründe „wichtig“: Keen zählt die aneinandergrenzenden Seegebiete, integrierte Informations- und Kommunikationstechnologie, kommerzielle Interessen und diplomatische Allianzen auf.
Die strategische Lage rückte das Land schon im Zweiten Weltkrieg in den Fokus.
Die strategische Lage rückte das Land schon im Zweiten Weltkrieg in den Fokus. Damals hatten die Japaner bereits eine Strategie entwickelt, die die Hauptstadt Port Moresby als einen der wichtigsten Häfen für ihren Vormarsch in Südostasien ansah. „Papua-Neuguinea ist bei weitem das bevölkerungsreichste und einflussreichste Land im Pazifik – mindestens doppelt so groß wie Neuseeland“, sagt auch Ian Kemish, ein früherer Diplomat und Experte für Südostasien und den Pazifik, der inzwischen an der University of Queensland in Australien lehrt. Nicht nur liege es an der Schnittstelle zwischen Asien und dem Pazifik, es verfüge auch über einen enormen Reichtum an Mineralien.
Diese Vorteile will Papua-Neuguineas Premierminister James Marape für sein Land nutzen. Das Abkommen mit den USA helfe seinem Land, sein Militär zu verbessern und eine „robuste Wirtschaft“ aufzubauen, sagte er. Doch ganz nach der Strategie vieler Pazifikstaaten – „Freunde für alle, Feinde für niemanden“ – nimmt Marape für die Weiterentwicklung seines Landes auch chinesische Gefallen an. Mit Peking verhandelt das Land derzeit über ein Freihandelsabkommen. Bereits bei seinem Staatsbesuch 2018 hatte Chinas Präsident die chinesisch-pazifischen Beziehungen auf die Ebene einer „umfassenden strategischen Partnerschaft“ aufgewertet – eine der höchsten Kategorien bilateraler Beziehungen im chinesischen Diplomatenjargon. Dass Papua-Neuguinea auch bei Chinas „Neuer Seidenstraße“ mitmacht, die im Englischen als Belt and Road Initiative (BRI) bezeichnet wird, macht das Gesamtbild rund. Mit der Initiative finanziert die Volksrepublik Infrastrukturprojekte und baut damit ihre globale Macht geschickt aus. Ärmere Länder geraten dadurch des Öfteren in die Schuldenfalle, was sie eher zur Zurückhaltung bewegen dürfte. Denn wer übt schon Kritik an seinem Financier.
In einem Interview mit Chinas staatlicher Zeitung The Global Times vor etwa einem Jahr berichtete der chinesische Botschafter in Papua-Neuguinea, Zeng Fanhua, von einer neuen Technologie zum Reisanbau im Hochland, von Verbesserungen am Stromnetz und einem neuen Krankenhaus, das mit chinesischer Hilfe entstehe. Auch von Brücken-, Straßen- und Flughafenprojekten war die Rede, wobei Zeng betonte, dass China dem Land „wirtschaftliche und technische Hilfe ohne jegliche politische Bedingungen“ gebe.
Mit Peking verhandelt das Land derzeit über ein Freihandelsabkommen.
Der Experte Kemish zeigt sich bei dieser Aufzählung jedoch eher skeptisch. So haben seine Recherchen ergeben, dass bezüglich des Ausmaßes des chinesischen Engagements in Papua-Neuguinea „meist stark übertrieben wird“. Denn obwohl man in China gerne über die guten Taten spreche, habe die Volksrepublik in Wahrheit „nur sehr wenig in die Entwicklung Papua-Neuguineas investiert“. Unter den Projekten, die es in der Vergangenheit in die Medien schafften, waren dann auch eher dubiose, wie der Ausbau von Daru Island, einer Insel in der Torres-Straße, dem Engpass zwischen Australien und Papua-Neuguina. Auf dem knapp 15 Quadratkilometer großen Eiland plante eine chinesische Firma plötzlich eine neue Stadt mit Industrie- und Gewerbezone sowie einem Hafen. Außerdem war ein „groß angelegter multifunktionaler Industriepark für Fischerei“ im Gespräch, obwohl die Fischerei in der Torres-Straße streng reguliert ist.
Auch wenn es nicht wahrscheinlich ist, dass China mit Papua-Neuguinea ein Sicherheitsabkommen wie mit den Salomonen abschließen kann, so hat es zumindest wirtschaftlich einen Fuß auf dem Inselstaat. Dass Papua-Neuguinea beim Thema Sicherheit dann doch eher mit den USA oder Australien sympathisiert, begründet sich laut der Expertin Keen auch ein wenig mit der Historie: Australien kontrollierte die britische Kolonie Papua, den südöstlichen Teil der Insel, ab 1906 und übernahm mit Ende des Ersten Weltkrieges auch das Mandat über das ehemalige deutsche Kolonialgebiet Deutsch-Neuguinea. Und obwohl Papua-Neuguinea 1975 seine Unabhängigkeit erlangte, ist die Bande nach Australien nach wie vor eng: Allein im laufenden Geschäftsjahr flossen über 600 Millionen Australische Dollar, umgerechnet rund 365 Millionen Euro, an Hilfsgeldern nach Papua-Neuguinea. Australien wie auch die USA unterstützten das Land zudem beim Ausbau und der Verbesserung des wichtigen Marinestützpunkts in Lombrum auf Manus Island. Dort hatten die USA bereits 1944, also noch während des Zweiten Weltkrieges, einen Stützpunkt errichtet.
Der außenpolitische Ansatz „Freunde für alle, Feinde für niemanden“ funktioniert demnach also schon länger für Papua-Neuguinea. Daher darf man davon ausgehen, dass das Land ihm weiterhin treu bleiben und die Konkurrenzsituation zwischen den USA und China für sich nutzen wird.