In der Nacht auf Freitag griff Israel überraschend den Iran an – nur wenige Tage vor einem geplanten Treffen zwischen iranischen und US-amerikanischen Unterhändlern am Sonntag im Oman. Nicht nur außenpolitische Beobachter waren davon überrascht, auch Teheran traf der Schlag völlig unvorbereitet. Noch kurz zuvor hatte die iranische Führung entsprechende Warnungen als Teil einer propagandistischen Drohkulisse abgetan – mit dem vermeintlichen Ziel, Washingtons Verhandlungsposition zu stärken und Teheran zu Zugeständnissen im Atomstreit zu drängen.

So überraschend der Angriff auch wirkte, Israels Vorgehen war offenbar langfristig und minutiös vorbereitet. Über Jahre hinweg ist es dem israelischen Geheimdienst gelungen, den iranischen Sicherheitsapparat zu unterwandern und operative Strukturen auf iranischem Boden zu etablieren. Das Resultat war eine militärische Überrumpelung. Damit folgt das israelische Vorgehen einem bekannten Muster – ähnlich den Angriffen auf die libanesische Hisbollah im vergangenen Jahr: Auch damals erfolgten die Schläge in abgestuften Wellen, bei denen gezielt Führungspersonal und strategische Infrastrukturen der Miliz ausgeschaltet wurden.

Bis zum Ende des Wochenendes hatte Israel weitgehend die Kontrolle über den iranischen Luftraum erlangt. Die bisherigen Angriffswellen zielten auf führende Militärs und Atomwissenschaftler, die gezielt ausgeschaltet wurden, sowie auf Nuklearanlagen, militärische Stützpunkte und Teile der Energieinfrastruktur. Einige Angriffe trafen auch Wohngebiete und forderten zahlreiche zivile Opfer.

Der Iran reagierte mit Raketen- und Drohnenangriffen. In mehreren israelischen Städten schlugen Raketen ein, darunter auch auf strategisch bedeutsame Ziele wie den Hafen von Haifa. Teheraner Offizielle reklamieren zudem Treffer auf israelische Militärbasen, darunter das Armeehauptquartier.

Zugleich hatte Israels internationales Ansehen infolge des Gaza-Kriegs einen Tiefpunkt erreicht.

Für Israel hatte sich ein strategisch günstiges Zeitfenster geöffnet. Irans regionaler Einfluss war nach der Schwächung der Hisbollah und dem Sturz von Präsident Assad deutlich geschrumpft, die iranische Luftabwehr galt spätestens seit den israelischen Angriffen im Jahr 2024 als ausgedünnt. Zugleich hatte Israels internationales Ansehen infolge des Gaza-Kriegs einen Tiefpunkt erreicht – Premierminister Benjamin Netanjahu musste auf kaum jemanden Rücksicht nehmen, zumal er sich der reflexhaften Rückendeckung aus Europa und den USA ohnehin sicher sein konnte. Israelische Kommentatoren verweisen zudem auf innenpolitische Motive: Der Premierminister steht massiv unter Druck und könnte versucht sein, durch eine außenpolitische Eskalation sein politisches Überleben zu sichern.

Der israelische Angriff bringt den Iran in eine prekäre Lage und stellt das Regime vor gleich mehrere Dilemmata. Um Gesicht zu wahren und eine Abschreckungswirkung zu erzielen, müsste Teheran eigentlich hart zurückschlagen. Doch ob der Iran über die Kapazitäten verfügt, die Intensität seines Raketenbeschusses signifikant zu steigern, ist fraglich. Eine entschiedene Reaktion würde zudem das Risiko einer regionalen Eskalation deutlich erhöhen – in einer Konstellation, in der die Eskalationsdominanz klar bei Israel und den USA liegt.

Paradoxerweise kann Teheran seine militärische Schlagkraft dort, wo sie besonders wirkungsvoll wäre – etwa durch asymmetrische Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Golfstaaten, die Schifffahrt in der Straße von Hormus oder US-Stützpunkte in der Region –, kaum entfalten, ohne einen direkten Eintritt der Vereinigten Staaten in den Konflikt zu riskieren.

Israel geht derweil aufs Ganze. Netanjahu hat die Messlatte in zweierlei Hinsicht hoch gehängt: Vordergründiges Ziel sei es, das iranische Atomprogramm und die Raketenindustrie des Landes entscheidend zu schwächen, im Idealfall sogar vollständig zu zerstören. Doch zugleich lässt Netanjahu kaum Zweifel daran, dass er über das militärische Ziel hinaus auf einen Sturz der Islamischen Republik abzielt.

Zunächst ist nachvollziehbar, dass ein nuklear bewaffneter Iran für Israel eine existenzielle Bedrohung darstellen würde. Zwar gehen US-Geheimdienste laut Einschätzungen vom März davon aus, dass die iranische Führung bislang keine aktive Entscheidung zum Bau einer Atombombe getroffen hat. Doch Teheran hat in jüngerer Vergangenheit zahlreiche Schritte unternommen, die eine solche Entscheidung technisch überhaupt erst möglich machen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, wie weit das iranische Atomprogramm durch die israelischen Angriffe tatsächlich zurückgeworfen werden kann.

So wurde Uran auf einen Reinheitsgrad von 60 Prozent angereichert – nur einen kurzen technischen Schritt von waffenfähigem Material entfernt. Die gelagerten Mengen würden bereits für mehrere Atombomben ausreichen. Hinzu kommen Hinweise auf Vorbereitungen für mögliche Nukleartests sowie auf Arbeiten an Zündsystemen für atomare Sprengköpfe.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, wie weit das iranische Atomprogramm durch die israelischen Angriffe tatsächlich zurückgeworfen werden kann. Die Anlage in Natans, wo der Großteil der iranischen Urananreicherung erfolgt, wurde offenbar weitgehend zerstört. Bislang jedoch nicht substanziell getroffen wurde hingegen die unterirdische Anlage in Fordow – im Hinblick auf ein potenzielles Atomwaffenprogramm die entscheidendere Einrichtung. Viele Militärexperten gehen davon aus, dass ein solcher Angriff spezielle bunkerbrechende Bomben und entsprechende Trägersysteme erfordern würde, über die allein die USA verfügen. Israel selbst scheint daher darauf hinzuwirken, Washington zum Eintritt in den Krieg zu bewegen.

Über die militärischen Angriffe hinaus fordern israelische Vertreter offen einen Regimewechsel im Iran. In seltener Einigkeit rufen sowohl Regierungs- als auch Oppositionspolitiker – darunter Premierminister Netanjahu, Oppositionsführer Yair Lapid und Ex-Premier Naftali Bennet – die iranische Bevölkerung dazu auf, sich gegen das herrschende Regime zu erheben. Aufgegriffen werden diese Appelle bislang vor allem im Exil von den Monarchisten unter Führung von Reza Pahlavi, dem Sohn des 1979 gestürzten Schahs.

Aus dem Iran selbst liegen bislang keine Berichte über Proteste vor. Zwar hat das Regime – wie schon in früheren Krisen – den Internetzugang erheblich eingeschränkt, um eine mögliche Koordinierung von Demonstrationen zu erschweren. Doch wäre es zu größeren Erhebungen gekommen, hätte dies aller Wahrscheinlichkeit nach auch unter den aktuellen Bedingungen internationale Aufmerksamkeit erregt.

Ein Ende des iranisch-israelischen Kriegs ist derzeit nicht absehbar.

Ein belastbares Meinungsbild aus dem Iran ist derzeit kaum zu erheben. Anekdotische Eindrücke deuten auf eine ambivalente Stimmungslage hin: Einerseits gibt es offenbar Genugtuung über die gezielte Ausschaltung führender Vertreter des weithin verhassten Regimes. Andererseits überwiegt offenbar die Sorge um das eigene Überleben – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des israelischen Vorgehens im Libanon und im Gaza-Krieg. Einige regimekritische Stimmen, wie der Teheraner Politikprofessor Sadegh Zibakalam, werfen Reza Pahlavi in diesem Zusammenhang gar ein Bündnis mit dem „Feind“ vor.

Ein Ende des iranisch-israelischen Kriegs ist derzeit nicht absehbar. Zwar hat der Iran – mutmaßlich auch in dem Versuch, internationalen Druck zu erzeugen – angeboten, seine Angriffe einzustellen, sofern auch Israel die Kampfhandlungen beendet. Premierminister Benjamin Netanjahu zeigt sich davon jedoch unbeeindruckt und kündigte an, „so lange wie nötig“ weiterzukämpfen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den politischen Erfolgsaussichten. Geht Netanjahus Kalkül auf? Eine vollständige Zerstörung des iranischen Atomprogramms und ein Sturz des Regimes sind zwar nicht ausgeschlossen – doch realistischer erscheint derzeit ein anderes Szenario: Das Programm wird erheblich zurückgeworfen, doch das Regime bleibt an der Macht und verfügt weiterhin über das Wissen zum Umgang mit Nukleartechnologie. In diesem Fall wäre Teherans Nuklearambition lediglich um einige Jahre verzögert – deutlich weniger als die 15 Jahre, die das Wiener Atomabkommen von 2015 einst an Kontrollzeit versprach.

In diesem Szenario gilt als wahrscheinlich, dass Teheran früher oder später die Entscheidung zum aktiven Bau einer Atombombe trifft. Bereits am Vorabend des israelischen Angriffs war im Iran eine solche Debatte aufgeflammt – unter Verweis auf die Schicksale Iraks und Libyens, deren Regime nach dem Verzicht auf ihre Atomprogramme von außen gestürzt wurden. Im Kontrast dazu steht Nordkorea, das sich dank seiner nuklearen Abschreckung in relativer Sicherheit wähnt.

Die Islamische Republik sieht sich mit Problemen existenziellen Ausmaßes konfrontiert.

Bleibt die Frage nach dem Regimesturz. Es dürfte außer Zweifel stehen, dass Israel in der Lage ist, in großer Zahl Regimekader zu töten und zentrale Teile der staatlichen Infrastruktur zu zerstören. Doch dass sich nach einem Sturz des Regimes aus den Trümmern der Islamischen Republik ein funktionierender – gar demokratischer – Staat erhebt, erfordert mit Blick auf die Referenzpunkte in der Region, von Afghanistan über Irak nach Libyen, einiges an Fantasie.

Plausibler erscheint daher angesichts des jüngsten israelischen Vorgehens ein anderes Szenario. Ähnlich wie nach dem Sturz Assads in Syrien könnte das Ziel sein, Irans militärische Fähigkeiten weitgehend auszuschalten – womöglich ergänzt durch gezielte Angriffe auf die öffentliche Ordnung, wie sie im Gaza-Krieg erprobt wurden. Im Vergleich zum Status quo ante dürfte ein geschwächter, im Chaos versinkender Iran jedenfalls für Israel ein deutlich willkommeneres Szenario sein.

Die Islamische Republik sieht sich somit mit Problemen existenziellen Ausmaßes konfrontiert. Gelingt es der Führung in Teheran, Staatlichkeit und militärische Befehlsketten zumindest ansatzweise aufrechtzuerhalten? Wie groß ist das verbleibende Raketenarsenal und wie lange kann Iran die Frequenz seiner Angriffe durchhalten? Ein gewisser Grundbestand an Raketen wird weiterhin für Abschreckung gegenüber den USA und den Golfstaaten benötigt. Was aber geschieht, wenn die Vorräte zur Neige gehen? Sucht Teheran dann mit dem Rücken zur Wand die große militärische Eskalation? Etwa durch gezielte Angriffe auf US-Stützpunkte im Irak und den Golfstaaten, auf Energieinfrastruktur und Schifffahrtswege in der Region?

Auch zum israelischen Vorgehen stellen sich Fragen. Nicht nur fehlt dem Angriff selbst die völkerrechtliche Grundlage. Nach den Erfahrungen des Gaza-Kriegs gibt es wenig Anlass, Drohungen wie „Teheran wird brennen“ oder die Ankündigung, die Bevölkerung der Hauptstadt werde „bald den Preis bezahlen“ für die Aktionen des Regimes, so jeweils der israelische Verteidigungsminister Katz, als bloße Rhetorik abzutun. Wer solche Aussagen ernst nimmt, kommt nicht umhin, auch an die völkerrechtlichen Leitplanken zu erinnern – etwa an das Verbot kollektiver Bestrafung und die Pflicht zum Schutz der Zivilbevölkerung.

Klar scheint derzeit nur eines: Die von europäischen Regierungen weiterhin mantraartig wiederholte Formel, es brauche eine diplomatische Lösung im Atomstreit, wurde von der seit Freitagmorgen geltenden Realität überholt. Allein damit hat Israel bereits eines seiner lang verfolgten Ziele erreicht: jegliche Form der Annäherung zwischen Teheran und Washington zu torpedieren.