Seine Regierung habe keine „geschlossene Strategie“ gegen die islamistischen Extremisten im Nahen Osten, gestand US-Präsident Barack Obama auf dem G-7-Gipfel im Juni 2015 in Deutschland. Aber was sollen die Amerikaner in Nahost tun? Im Moment bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig, als der irakischen Regierung bei der Vertreibung des IS und der Wiederherstellung der Ordnung zu helfen. Doch in Hinblick auf die Krisen in Syrien und im Jemen und viele weitere Probleme in der Region haben die USA mehr Möglichkeiten und müssen eine langfristige Strategie entwickeln.
Diese Strategie sollte China als wichtigen Bestandteil berücksichtigen. Die Macht Chinas wächst unablässig, und das Land rückt zunehmend in den Mittelpunkt der Weltpolitik. Mittlerweile ist es bereit, in der internationalen Politik und vor allem im Nahen Osten eine größere Rolle zu spielen. Die wachsende Wirtschaftskooperation mit Israel und den arabischen Ländern sowie der Umstand, dass das Land religiös und politisch relativ unbelastet ist, macht China zu einem idealen Kandidaten für die Aufgabe, den Stillstand im Nahen Osten zu beenden und konstruktive Veränderungen herbeizuführen. Die USA sollten diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung ziehen und sich dafür einsetzen, dass China Aufgaben in der Unruheregion übernimmt.
Die USA: Teil des Problems
Das beherrschende Problem im Nahen Osten ist der israelisch-arabische Konflikt. Die USA haben Israel lange unterstützt und beschützt. Aus arabischer Sicht stehen sie in der israelisch-arabischen Frage eindeutig auf der »anderen Seite« und können daher nicht als neutraler Vermittler agieren.
Die Amerikaner haben zudem mit verschiedenen arabischen Nationen ein kompliziertes Netz aus Beziehungen gesponnen und sind tief in die Nahostpolitik verstrickt. Sie sind daher Teil des Nahostproblems und können auch insofern kein effektiver Vermittler sein.
Doch ebenso wenig kann Washington seine Verbindungen im Nahen Osten einfach kappen und die Region ihrem eigenen Schicksal überlassen. Mindestens drei wichtige Faktoren zwingen die Vereinigten Staaten, im Nahen Osten präsent zu bleiben. Erstens müssen sie nach der Invasion 2003 und der damit einhergehenden Zerstörung beim Wiederaufbau des Irak helfen. Zweitens bindet die Iran-Frage die USA im Nahen Osten. Und drittens stehen die Vereinigten Staaten im Konflikt zwischen Israel und den Arabern auf der Seite Israels.
Das erste Problem werden die USA wahrscheinlich allein lösen müssen. Im zweiten Punkt, dem Atomstreit mit dem Iran, sollte Washington aus der Krise mit Nordkorea lernen, in der China als Vermittler auftrat. China hat sich bereits in den Verhandlungen zwischen den P5+1-Staaten (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland) und dem Iran um die Beendigung des iranischen Atomprogramms engagiert. In künftigen Verhandlungen sollten die USA Gipfeltreffen in Peking (statt in Wien) vorschlagen. Diese Strategie würde China ein unverdientes internationales Prestige verschaffen, doch das wäre ein geringer Preis: Würde China mehr Verantwortung übertragen, könnte in dem jahrzehntealten Konflikt eine dramatische Wende herbeigeführt werden.
Auch im dritten Punkt, der israelisch-arabischen Problematik, sind die USA auf die Hilfe Chinas angewiesen. Nur China, das in der Region wachsenden wirtschaftlichen Einfluss hat und frei ist von diplomatischem Ballast, kann dabei helfen, die Kluft zwischen Israel und den USA auf der einen und den Arabern auf der anderen Seite zu überbrücken.
Der Nahe Osten: Es geht doch nur ums Geschäft!
Über die Förderung von Investitionen in der Region hat China starke Beziehungen sowohl zu Israel als auch zu dessen arabischen und muslimischen Nachbarn geknüpft. Diese Beziehungen verhelfen China zu dem nötigen Einfluss, mit dem sich friedlichere Verhältnisse in der Region vermitteln lassen. Chinesische Geschäftsleute und Unternehmer investieren intensiv in Israels »Silicon Wadi« und bescheren dem Land durch Risikokapital und Unternehmensbeteiligungen Wachstum. China ist der drittgrößte Handelspartner Israels, und Israel ist für China der zweitgrößte Lieferant von Militärtechnologie.
In den arabischen Ländern investieren chinesische Unternehmen stark in die Infrastruktur, schließen Waffengeschäfte ab und engagieren sich im großen Stil im Rohstoffabbau. Das Bestreben Chinas, in der Welt und insbesondere im Nahen Osten eine größere Rolle zu spielen, resultiert in erster Linie aus seinem Öl- und Rohstoffhunger. Im Jahr 2014 importierte China fast 6,2 Millionen Barrel Öl am Tag, von denen etwa 3,1 Millionen aus dem Nahen Osten kamen. Genau gesagt waren es 989 000 Barrel aus Saudi-Arabien, 573 000 aus dem Irak und 546 000 Barrel aus dem Iran. Infolge seines Wirtschaftswachstums hat China die USA als weltgrößten Erdölimporteur überholt. Und da die Vereinigten Staaten ihr Öl nach wie vor lieber aus nicht-arabischen Quellen beziehen, werden die Beziehungen zwischen den ölproduzierenden arabischen Staaten und chinesischen Konzernen noch enger werden.
Doch Öl ist nicht der einzige Faktor, der die chinesisch-arabischen Beziehungen stärkt. China und der Nahe Osten sind auch enge Handelspartner. Die neue chinesische Seidenstraße verbessert als Rohstoffverteilungsroute, die von China bis nach Europa führt, die wirtschaftlichen Chancen des Nahen Ostens. Die Seidenstraße, die aus Land- und Seerouten besteht, verbindet China mit Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan, dem Iran, der Türkei und Europa. China plant, in der Region fast 50 Milliarden Dollar in den Bau von Eisenbahnen, Straßen, Pipelines, Schiffswegen und anderen Infrastruktureinrichtungen zu investieren. Der chinesische Nahost-Sonderbotschafter Gong Xiaosheng, betrachtet die Seidenstraßen-Initiative „One Belt, One Road« als Schlüssel für die Lösung des Nahost-Friedensproblems. Eine umfassende Einbeziehung des Nahen Ostens in die geplante Seidenstraße werde die Jugendarbeitslosigkeit verringern und das ungleiche Wirtschaftswachstum in bevölkerungsreichen Zentren einebnen. Die Initiative werde so erheblich zur Bekämpfung der Ursachen für die Instabilität in der Region beitragen.
Auch die künftige Rolle der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) für die Einigung der verschiedenen Lager in Nahost sollte nicht unterschätzt werden. Ägypten ist ein Gründungsmitglied der AIIB, und auch Saudi-Arabien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Oman, Katar und Kuwait sind der Bank beigetreten. Die AIIB-Mitgliedschaft ermöglicht diesen Ländern einen schnellen Zugriff auf chinesische Investmentfonds und wird sie hinter gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen einen.
China: die ideale Alternative?
Ein verstärktes Engagement Chinas im Nahen Osten ist allerdings noch kein Garant für künftige diplomatische Erfolge. Die Hauptakteure müssen auch bereit sein, mit den Chinesen zu kooperieren. Historische und aktuelle Entwicklungen in Politik und Wirtschaft deuten darauf hin, dass Israel wie auch Palästina dies wohl tun werden. Die chinesische Unterstützung Palästinas reicht lang zurück. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) erhielt in den 1970er und 1980er Jahren Waffen und Geld aus China, und chinesische Staatschefs sprechen von Jassir Arafat als einem »alten Freund des chinesischen Volks«. Doch Chinas historisch pro-arabische Position und seine Unterstützung des Regimes im Iran hat die israelische Regierung nicht davon abgehalten, chinesische Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Technologie zu fördern. Auch die Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) begrüßen das wirtschaftliche Engagement Chinas als stabilisierenden Faktor in der Region. Saudi-Arabien und Katar beispielsweise hoffen, dass sie in ihren Bemühungen, die Region zu stabilisieren, dank China nicht mehr so stark von westlichen Mächten abhängig sind.
Das wachsende chinesische Engagement in Nahost bedeutet aber auch, dass China schwere Entscheidungen treffen muss. Es ist wahr, dass sich China bislang gern im Windschatten der USA hält, während diese die undankbare Aufgabe einer Nahost-Friedenspolitik und die damit einhergehende internationale Kritik schultern. Doch auch wenn die Chinesen vielleicht nicht alle Probleme im Nahen Osten lösen können, ihre Chancen dazu stehen jedenfalls besser als die der USA.
Dieser Text ist auf Englisch in The Diplomat erschienen. Er gibt die Meinung der Autoren und nicht zwangsläufig des U.S. Army War College wieder.





7 Leserbriefe
Dort ist Religionfreiheit für die Mulime ein Fremdwort.
Sicherlich hat China gewisse Vorteile gegeüber USA aus dieser Hinsicht, aber kann im Nahen Osten nicht vermitteln wie USA.
Im Übrigen Daesch/IS ist eine amerikanische Erfindung wie Taliban. IS wurde von USA stark unterstützt bis sie eine zu grosse Stellung erreicht hat. Dies ist heute, weder für USA noch für die arabische bzw. islamische Welt oder irgend einen vernüntig denekender Mensch in Ordnung ist.
Der zentrale Knackponkt des Nahostproblems ist das längst nicht mehr zeitgemäße Religionsverständnis dort, und gerade das ist ja auf Unveränderbarkeit angelegt. Fänden sich fähige Religionsumgestalter, wäre der aktuelle, kulturelle Schwelbrand wohl einigermaßen noch kontrolliert zu löschen. Allerdings käme danach vermutlich der wirtschaftliche Rückstand der islamischen Welt vermehrt zum Tragen. Ob sich China in einen ökonomischen Konflikt mit Glaubenshintergrund gerne einbringen würde, darf allerdings bezweifelt werden.
Bleibt also festzustellen, daß die Begrenzung des Konfliktes auf die islamische Welt vermutlich die kostengünstigste Alternative ist.
Vielleicht wäre es ja ein Fortschritt, wenn man Schutzsuchenden das Aufgebenden ihrer ursächlichen Religion anraten würde, das würde dem Islam den Druck zur Konfliktausbreitung nehmen.
Hierbei wird vergessen, dass USA und Israel tatsaechlich nicht an einer Konfliktloesung interessiert sind, sondern diese Unruheherde sogar schaffen. USA aus Gruenden "divide et impera" und Israel aus Expansionsgruenden.