Energie ist eine zentrale Säule für soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Sie beeinflusst sämtliche Entwicklungsaspekte: Umweltschutz, Gleichstellung, Nahrungssicherheit, Klimawandelanpassung, Gesundheit, Bildung und Armutsbekämpfung. Aus diesem Grund ist der Zugang zu bezahlbarer, nachhaltiger und moderner Energie ein Schlüssel, um Fortschritte in der Armutsreduktion und dem Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele (MDG), ab 2015 die Sustainable Development Goals (SDG), in Afrika zu erreichen.

Der internationalen Energieagentur zufolge haben derzeit fast zwei Drittel der afrikanischen Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität. Das sind 650 Mill. Menschen. In ländlichen Gegenden liegt der Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu modernen Energiedienstleistungen bei nur acht Prozent. Nur vier Prozent der weltweit produzierten Elektrizität wird in Afrika hergestellt. Im Durchschnitt konsumiert der Kontinent etwa 492 kWh pro Kopf (verglichen mit mehr als 3.000 kWh in Europa und 7.700 kWh in den USA). Mit einer Gesamtkapazität von 103 GW verfügt ganz Afrika dabei über geringere Energiegewinnungskapazitäten als zum Beispiel Deutschland. Hinzu kommt: 46 Prozent dieser afrikanischen Kapazitäten befinden sich in Südafrika, 34 Prozent in Nordafrika.

 

Afrikas Energiehunger

Die afrikanischen Bevölkerungen wachsen schnell. Zugleich benötigen auch die afrikanischen Wirtschaften immer mehr Energie. Vor diesem Hintergrund haben die hohen und weiter steigenden Preise der fossilen Energien dazu geführt, dass 80 Prozent der Bevölkerung nach wie vor auf traditionelle Biomasse wie Brennholz, Kohle, landwirtschaftliche Abfälle und Tierdung als Energieträger angewiesen sind.

Die Folgen sind schwerwiegend. Da traditionelle Energieformen ineffizient sind, zahlen die Armen in der Regel vergleichsweise hohe Preise für Energie. In vielen Fällen werden die Brennstoffe in schlecht belüfteten oder geschlossenen Räumen verwendet. Dies führt zu erheblicher Luftverschmutzung in Innenräumen. Laut der Weltgesundheitsorganisation hat dies allein auf dem afrikanischen Kontinent den Tod von 600.000 Menschen – vor allem Frauen und Kindern – jährlich zur Folge.

Die nicht nachhaltige Verwendung von Biomasse führt auch dazu, dass Afrika jedes Jahr mehr als vier Millionen Hektar Wald verliert. Die Entwaldung in Afrika schreitet also doppelt so schnell voran wie im globalen Durchschnitt. Das macht den Kontinent auch stetig anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels. Dabei wird ein großer Teil der Haushaltseinkommen für Energie ausgegeben, zur Stromerzeugung (Diesel/ Benzin) sowie zum Kochen mit Kerosin und Kohle. Darüber hinaus investieren Frauen in Afrika einen großen Teil ihrer produktiven Zeit in das Sammeln und Transportieren von Brennholz.

Um die Energie-Armen zu erreichen, müssen überzeugende politische Konzepte und Geschäftsmodelle entwickelt werden. Eine weitere Verbreitung erneuerbarer Energien in Afrika wird nicht nur den Menschen dort helfen, sondern auch weltweite positive Auswirkungen haben und ermöglichen, die auf fossilen Energieträgern basierende Entwicklung der Industrieländer zu überspringen.

Eine Verbreitung erneuerbarer Energien in Afrika wird nicht nur den Menschen helfen, sondern auch weltweite positive Auswirkungen haben und ermöglichen, die auf fossilen Energieträgern basierende Entwicklung der Industrieländer zu überspringen.

Energiedienstleistungen haben einen bedeutenden Anteil an sozialer und ökonomischer Entwicklung, denn Energie befördert ökonomische Aktivitäten, steigert die Produktivität und ermöglicht Zugang zu Märkten. Darüber hinaus erfüllt Energie grundlegende menschliche Bedürfnisse wie Wärme, Licht und Nahrung und schafft wichtigen Zugang zu Bildung, Gesundheit, Information und Kommunikationsdienstleistungen.

Der Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien in ganz Afrika hätte das Potenzial, deutlich zur Erreichung aller acht MDGs und deren Nachfolger, der SDG beizutragen. Auch das politische Ziel, die Schaffung von Arbeitsplätzen, wird durch Zugang zu Erneuerbaren Energien unterstützt.

Nahezu alle afrikanischen Länder leiden unter ernsthaften Energiekrisen. Sie wurzeln im rapiden Anstieg der Energienachfrage, der die Angebotssteigerung überfordert. Energieproduktion und Energieverbrauch des Kontinents werden auch in Zukunft stark steigen. Eine schwach ausgebaute und veraltete Infrastruktur sorgen jedoch für hohe Effizienzverluste. Dies ist ein erheblicher wirtschaftlicher Wettbewerbsnachteil.

 

Es gibt in Afrika keine Alternative zu regenerativen Energien

Steigende Preise für fossile Energieträger sowie hohe Kosten für Kernkraftwerke (und die damit zusammenhängenden Probleme) lassen afrikanischen Gesellschaften letztlich kaum Alternativen zu regenerativen Energien.

Nachhaltiges Wachstum kann tatsächlich nur auf Basis von erneuerbarer Energieproduktion gelingen. In vielen Fällen sind groß angelegte Wasserkraftprojekte jedoch durch ihre negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen keine empfehlenswerte Option. Darüber hinaus zeigt die Empirie, dass die Diversifizierung des Energiesektors etwa in Kenia oder Mauritius deutlich zur Stabilisierung des Stromsektors beigetragen hat. Afrikas Anfälligkeit für externe Schocks, die Risiken schwankender Weltmarktpreise für fossile Ressourcen sowie Dürren im Fall großer Wasserkraftprojekte wurden dadurch abgeschwächt – ohne hohe Subventionen oder Strompreissteigerungen.

Mittlerweile sind viele erneuerbare Energie-Technologien preislich wettbewerbsfähig. Doch um den zukünftigen Energiebedarf Afrikas zu decken, werden in den nächsten Jahrzehnten massive Investitionen nötig sein. Dabei werden Investitionsentscheidungen die Struktur des Energiesystems für die nächsten 30 oder 40 Jahre bestimmen. Dies ist eine große Chance, nationale Systeme zu transformieren. Sie sollte genutzt werden, um von großen, zentralisierten, konventionellen Stromerzeugung zu dezentraler, erneuerbarer Energie überzugehen. Diese bieten ein riesiges ökonomisches Potenzial in einem expandierenden Markt, da erneuerbare Energiequellen in Afrika bisher kaum genutzt wurden. Dies liegt hauptsächlich am mangelnden Interesse der Politik und der Investoren.

Letztere fürchten dabei wahrgenommene und reale Risiken und verweisen oft auf instabile politische Umfelder sowie auf fehlende staatliche Garantien. Zugleich fehlt nahezu überall eine konkrete und durchdachte Politiklinie. Dies wird oft mit Recht oft auf mangelndes Fachwissen zurückgeführt. Zugleich aber wäre eine moderne Elektrizitätsinfrastruktur mit dezentralen Besitzverhältnissen dem persönlichen Gewinnstreben und Patronage-Netzwerken der Profiteure des derzeitigen Systems abträglich. Auch deshalb erscheint einigen Entscheidungsträgern ein „weiter so“ attraktiver.

Hinzu kommt: Egal wie offensichtlich die Energiekrise ist, die Eliten selbst sind davon kaum betroffen. Sie können sich nicht zuletzt auf teure Notstrom-Dieselgeneratoren verlassen. Zudem ist Energie ein Querschnittsthema, das koordinierte, gemeinsame Anstrengungen aller Stakeholder erforderlich macht. Diese intersektorale Kooperation ist in Afrika sicher ausbaufähig.

 

Vorbild: Der Triumph des Mobilfunks

Erneuerbare Energien benötigen neuartige Finanzierungsmodelle. Mit einer Solaranlage etwa erwirbt der Kunde den gesamten Elektrizitätsbedarf der nächsten 20-30 Jahre im Voraus und auf einen Schlag. Diese langfristige Perspektive benötigt Finanzierungsoptionen mit niedrigen Zinsraten und ausgedehnten Tilgungsperioden. Beides steht in der Regel bei kommerziellen Banken nicht zur Verfügung. Auch hier könnte eine weitsichtige Politik zur Finanzierung und damit zum Wachstum der erneuerbaren Energien beitragen.

Firmen sind einer der Hauptmotoren für Entwicklung. Ein aktuelles Beispiel ist der Erfolg der Mobilfunkmärkte in Afrika, der alle Erwartungen übertroffen hat. Neue Technologien, eine enorme Nachfrage und die Liberalisierung des Telekommunikationssektors sowie Unterstützung des Wettbewerbs haben den Markt drastisch revolutioniert. Dies hat nicht nur zu verbesserten Dienstleistungen, sondern auch zu einem generellen Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität geführt.

In vielen Ländern existiert keine ausgeprägte Energieinfrastruktur. Dieses Manko könnte nun in einen Vorteil umgewandelt werden. Denn in der Entwicklung könnten konventionelle, fossile, zentralisierte Energieproduktionen schlicht übersprungen werden.

In vielen Ländern des globalen Südens existiert keine ausgeprägte Energieinfrastruktur. Dieses Manko könnte nun in einen Vorteil umgewandelt werden. Denn in der Entwicklung könnten konventionelle, fossile, zentralisierte Energieproduktionen schlicht übersprungen werden. Stattdessen sollte direkt eine Energieinfrastruktur installiert werden, die gleichzeitig dezentral, nachhaltig und erneuerbar, sozial gerecht und umweltfreundlich ist.

Das ambitionierte Ziel der Regierung von Cap Verde etwa, ökonomische Entwicklung von fossiler Energienutzung (hauptsächlich Verbrennung importierten Öls und Diesels) abzukoppeln, hat Investoren wie InfraCo und führende Firmen im Bereich der erneuerbaren Energien wie Vestas Wind Systems angezogen. Bis 2020 sollen 50 Prozent der Stromversorgung erneuerbar werden. Darüber hinaus werden aber auch die Vorteile eines zu 100 Prozent erneuerbaren Energiesystems für das Land deutlich:

  • Die Kosten für importiertes Benzin werden auch 2020 noch hoch und fluktuativ sein.
  • Der Beispielcharakter des Landes wäre deutlich stärker, da 50 Prozent verhältnismäßig einfach zu erreichen sind.
  • Eine 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung würde anspruchsvollere Konstruktion und Planung bedeuten und daher Chancen für die Ausbildung der Bevölkerung bieten.
  • Deutlich mehr Investitionen würden ins Land fließen.
  • Das Land würde stärker vom CO2-Handel profitieren.

Derzeit verbreiten sich auch innovative Bezahlmuster wie „pay-as-you-go“. Dabei wird nicht das gesamte Solarpaneel sondern nur der jeweilige Stromverbrauch über das Mobiltelefon erworben & bezahlt. Neue Verteilungs- und Servicenetzwerke werden errichtet, um die Wartung zu garantieren. Auch im öffentlichen Sektor haben Kommunen begonnen, alternative Energielieferungen zu verfolgen, um soziale Stabilität und öffentliche Beteiligung zu erreichen. Ein faszinierendes Beispiel hierfür sind sogenannte Mikro-Netze. Die deutsche Firma INESUS entwickelte das MicroPowerEconomy Business und Risikomanagementmodell, das derzeit genutzt wird, um Dörfer in öffentlich-privater Partnerschaft mit Elektrizität zu versorgen. Das Modell beinhaltet Verhandlungen mit dem Dorf auf Augenhöhe, moderne Messtechnologie für Mikro- und Mininetze, die das Netz stabil halten sowie ein Gebührenmodell, das Planungssicherheit für Kunden und Anbieter gleichermaßen bietet. Durch solche Lösungen konnten Investitionen in erneuerbare Quellen mit Batteriespeicherung bereits konventionelle Diesel Generatoren bei der Versorgung übertreffen.

Afrikas Energieherausforderungen benötigen eine radikale Ausweitung des Zugangs zu Energie. Hierfür sind ein verbessertes Umfeld, effektive Politik und Regulierungen, verbesserte Managementkapazitäten und finanzielle Dienstleistungen erforderlich. Da erneuerbare Energien unerschöpflich verfügbar sind, bieten diese eine riesige Chance für direkte Investitionen in saubere, effiziente, erneuerbare Energie als Basis für das Wachstum einer grünen Wirtschaft in Afrika.