In einer von Misstrauen, Kriegen und Unsicherheit geprägten Zeit übernimmt Kolumbien den Vorsitz der 16. UN-Konferenz über die biologische Vielfalt (CBD COP16), die vom 21. bis 31. Oktober in Cali stattfindet. Das Land strebt danach, gemeinsame Diskussionen von globalem Umfang zu leiten, um Lösungen für die Klimakrise und den Biodiversitätsverlust voranzutreiben. Die größte Herausforderung dabei ist, ein weiteres Überschreiten der neun Belastungsgrenzen der Erde aufzuhalten, die das Funktionieren lebenserhaltender Systeme auf der Erde regulieren. Bis 2023 wurden bereits sechs dieser Grenzen überschritten: beim Klimawandel, bei der Überladung mit neuartigen Stoffen, der Veränderung in biogeochemischen Kreisläufen, bei Veränderungen der Süßwassersysteme, bei der Landnutzung und der Integrität der Biosphäre.
Die COP16 wird sich insbesondere auf die Umsetzung der 23 Ziele konzentrieren, die vor zwei Jahren im Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework festgelegt wurden, die 30×30-Ziele: Bis 2030 sollen mindestens 30 Prozent der Land-, Binnengewässer-, Küsten- und Meeresökosysteme effektiv wiederhergestellt und mindestens 30 Prozent dieser Flächen durch Schutzgebietsysteme effektiv erhalten und verwaltet werden. Im Rahmen der Verhandlungen wird auch die Aktualisierung der nationalen Strategien und Aktionspläne für die biologische Vielfalt entsprechend der neuen Ziele bewertet. Der Höhepunkt wird jedoch die Diskussion über die Bereitstellung und Verteilung der finanziellen und technischen Mittel für die Umsetzung sein. In diesem Zusammenhang stehen folgende Punkte auf der Agenda: die Mobilisierung von Ressourcen und die Schaffung eines Treuhandfonds für Biodiversität als Finanzierungsmechanismus; die Entwicklung eines Mechanismus für den Zugang zu und die Verteilung von Gewinnen, die sich aus der Nutzung digitaler Sequenzinformationen genetischer Ressourcen ergeben; sowie der Fortschritt von Programmen zur Zusammenarbeit mit indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften.
Kolumbien – ein vom Krieg gezeichnetes Land – setzt auf Frieden als Grundlage für das Verständnis unserer Beziehung zur Natur. Unsere Erfahrung hat uns gelehrt, dass erst der Lärm der Waffen verstummen muss, bevor wir die Geräusche der Natur wahrnehmen, die der Vögel, des Windes inmitten des Dschungels und der Berge sowie des Flusses, der seinen Lauf zum Meer nimmt. Unser Einsatz besteht darin, uns auf das Wesentliche zu besinnen und die Blindheit des Ehrgeizes zu überwinden, um das zu finden, was uns als Menschen verbindet: verantwortungsvoll, würdevoll und demokratisch mit der Welt als unser aller Zuhause umzugehen.
Es bleibt die Frage, wie der scheinbare Widerspruch zwischen Wirtschaftswachstum und dem notwendigen Umweltschutz überwunden werden kann.
Zu Beginn der Verhandlungen bleibt jedoch die Frage, wie der scheinbare Widerspruch zwischen Wirtschaftswachstum und dem notwendigen Umweltschutz sowie die unterschiedlichen Interessen der Vertragsstaaten überwunden werden können. Dabei sind Länder, die ein höheres Wirtschaftswachstum anstreben, Länder mit ehrgeizigen Klimazielen, die einem starken innenpolitischen Druck ausgesetzt sind, bis hin zu Ländern mit Energiebedarf für ihre Industrialisierung oder solchen, die eine Umstellung auf sauberere Energie anstreben. In diesem Kontext muss Kolumbien eine vermittelnde Rolle übernehmen. Als Gastgeber und eines der artenreichsten Länder der Welt streben wir danach, in der internationalen Diplomatie sowohl in Bezug auf den Biodiversitätsschutz als auch auf den Klimaschutz eine Führungsrolle zu übernehmen. Zudem ist es in unserem Interesse, dass die Vereinten Nationen in diesem Bereich weiterhin eine starke Rolle spielen. Entgegen dem Trend setzt Kolumbien weiterhin auf den Multilateralismus als potenziellen Raum zur Lösung von Konflikten und zur Suche nach kollektiven Lösungen.
Die Bedeutung der Überwindung dieser Herausforderungen darf nicht unterschätzt werden: Sie wird nicht nur im Hinblick auf den Schutz der Biodiversität entscheidend sein, sondern auch als Testlauf und Vorbereitung für die 30. UN-Klimakonferenz (COP30), die nächstes Jahr in Brasilien stattfinden wird. Mit Brasilien als Gastgeber der COP30 und der Unterstützung Kolumbiens sowie anderer sich politisch nahestehender lateinamerikanischer Länder wird dies eine bedeutende Gelegenheit sein, die Ambitionen im Klimaschutz zu steigern. Insbesondere nachdem die letzten drei Klimakonferenzen in Ländern stattfanden, die der fossilen Brennstofflobby nahestehen. Ein wichtiger Faktor in diesem Kontext ist die starke Mobilisierung der Zivilgesellschaft rund um die COP16, insbesondere von Basisorganisationen auf lokaler und nationaler Ebene, wie den indigenen, afroamerikanischen und bäuerlichen Bewegungen sowie von Basisinitiativen aus der Stadt Cali, die aus den sozialen Protesten 2021 heraus entstanden sind. Wie 2015 in Paris oder 2022 in Glasgow zu sehen war, wird dieser Druck von sozialen Organisationen entscheidend sein, um immer ehrgeizigere Verpflichtungen zum Schutz der globalen Biodiversität zu erreichen.
Eine Spaltung verläuft dabei zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden.
Die Tatsache, dass die COP16 in Cali stattfindet – im Zentrum des kolumbianischen Pazifiks, einer der artenreichsten Regionen der Welt –, ist ein starkes Symbol für entschlossenes gemeinschaftliches Handeln. Dennoch bleiben wichtige Herausforderungen bestehen: die Notwendigkeit, einen Konsens zwischen einer Vielzahl von Akteuren mit sehr unterschiedlichen Interessen zu finden. Eine Spaltung verläuft dabei zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden, aber auch allein innerhalb Letzterem gibt es eine Vielfalt an Positionen. Wenn es uns gelingt, die internationale Aufmerksamkeit und die Mobilisierung der Zivilgesellschaft zu nutzen, können wir entscheidende Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit erzielen und den Weg für die Verhandlungen über die Klimakrise ebnen, die im nächsten Jahr stattfinden.
Das Symbol dieses Weltnaturgipfels ist die Inírida-Blume, die in Kolumbien beheimatet ist und als „ewige Blume“ bekannt ist, da sie extremen klimatischen Bedingungen standhalten kann. Sie symbolisiert Resilienz. Diese Fähigkeit benötigt die Menschheit – und zwar nicht, um extremen Bedingungen zu widerstehen, sondern um die Erde bewohnen zu können. Wir müssen dafür verantwortungsbewusst mit ihr umgehen und an die Bedingungen denken, die wir zukünftigen Generationen hinterlassen. Diese werden uns danach beurteilen, ob wirksame Entscheidungen angesichts der Klimakrise getroffen wurden. Kolumbien ist überzeugt, dass die Inírida-Blume von nun an das Symbol für die Wiedergeburt der Hoffnung auf eine Welt mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit sein wird.