Am frühen Sonntagmorgen stand das Ergebnis der Stichwahl zum neuen Staatspräsidenten der Slowakei fest: Der Multimillionär Andrej Kiska konnte sich mit fast 60 Prozent gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Robert Fico durchsetzen. Fico, zugleich Chef der sozialdemokratischen Smer-SD, erhielt lediglich etwas mehr als 40 Prozent der Stimmen. Am 15. Juni 2014 wird Kiska das Amt übernehmen.
Zur ersten Runde am 15. März 2014 waren 14 Kandidaten und Kandidatinnen angetreten. Fico gewann mit 29 Prozent der Stimmen, Kiska kam mit 24 Prozent in die Stichwahl. Schon zu diesem Zeitpunkt überraschte das vergleichsweise schwache Wahlergebnis des Ministerpräsidenten.
In den beiden Wochen bis zur Stichwahl versuchten beide Kandidaten, ihre Kampagne zu intensivieren. Kiska warb um die Stimmen der Wahlverlierer der ersten Runde und schwenkte voll auf eine Anti-Fico-Kampagne ein. Dabei appellierte er an das Wahlvolk, das Land nicht komplett einer einzigen Partei zu überlassen. Die Smer-SD regiert seit März 2013 mit absoluter Mehrheit. Fico wiederum versuchte, Kiska als einen etwas dubiosen Unternehmer darzustellen, der keinerlei politische Erfahrung vorweisen und zugleich nicht überzeugend erklären kann, wie er zu seinem immensen Vermögen gekommen ist. Nach den letzten TV-Duellen und Umfragen lief eigentlich alles auf einen knappen Sieg von Fico hinaus. Und nun eine solch klare Niederlage – was war passiert?
Gründe für die Niederlage
Für Ficos Niederlage gibt es mehrere Gründe: Einer davon ist die niedrige Wahlbeteiligung. 50,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler gingen im zweiten Wahlgang an die Urnen. Im ersten Durchgang waren es nur etwas mehr als 45 Prozent gewesen. Robert Ficos Anhänger finden sich vor allem in den ländlichen Regionen und gehören nicht zu den einkommensstärksten Schichten der Bevölkerung. Kiska dagegen konnte in fast allen größeren Städten das Rennen klar für sich entscheiden. Dort lag die Wahlbeteiligung erheblich höher als in den ländlichen Gebieten. Fico, eigentlich ein begnadeter Wahlkämpfer, hat es also nicht geschafft, seine Unterstützer in den ländliche Gebieten auch nur annähernd so zu mobilisieren, wie das noch bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr gelang.
Teil des Problems: Viele Smer-SD-Wähler wollten und wollen ihren Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten genau in diesen beiden Funktionen behalten – und nicht im eher repräsentativen Amt des Staatspräsidenten sehen. Die Angst vieler Sozialdemokraten vor einer Zeit nach Fico in der Partei- und in der Regierungsspitze war offenbar größer als angenommen.
Es war und ist mehr die generelle Sehnsucht nach einer neuen Form politischer Gestaltung, die Kiska nach oben gespült und Fico stellvertretend für das etablierte Parteiensystem abgestraft hat.
Andrej Kiska hat dabei von mehreren Faktoren profitiert. Der seit den Parlamentswahlen im letzten Jahr begonnene Zerfall der Mitte-Rechts-Parteienlandschaft in der Slowakei hat die traditionellen parteipolitischen Debatten weiter ent-professionalisiert. Kiska hat die resultierende Anti-Establishment-Stimmung ausgenutzt. Er hat sich als unverbraucht, nicht korrupt und als frischen Kandidaten für einen Neuanfang positioniert und vor allem Proteststimmen eingesammelt. Es war und ist mehr die generelle Sehnsucht nach einer neuen Form politischer Gestaltung, die Kiska nach oben gespült und Fico stellvertretend für das etablierte Parteiensystem abgestraft hat. Der Demonstrationseffekt aus Tschechien mag dabei eine zusätzliche Rolle gespielt haben. Dort ist der Milliardär Andrej Babis aus dem Stand Vizepremier und Finanzminister geworden.
Der allgemeine Trend zur Oligarchisierung der Politik setzt sich also fort. Nächste Station dieses Trends zur „Olikratie“ könnte die Ukraine sein. Dort steht bereits der Milliardär Piotr Poroschenko bereit, um vom Schokoladen-Tycoon zum Staatspräsidenten aufzusteigen.
Niemand kann momentan sagen, wie es mit Robert Fico weitergeht. Er hat sich eine Auszeit genommen, um für sich und mit der Partei zu entscheiden, ob und wie er nach dieser Niederlage weitermacht. Die Niederlage hat ihn schwer getroffen. Sollte er wirklich Konsequenzen ziehen, hätten all die Wählerinnen und Wähler, die ihn gern als Ministerpräsident behalten wollten – und ihn daher nicht gewählt haben – einen fatalen Fehler begangen.




