Mit fast vier Milliarden US-Dollar waren diese Zwischenwahlen die teuersten der US-Geschichte. Wie entscheidend war das große Geld?
Seit der Entscheidung des US-Verfassungsgerichts 2010 Citizens United vs. Federal Election Commission können Political Action Committees oder auch sogenannte SuperPACs unbegrenzt Spenden von Einzelpersonen, Unternehmen, aber auch Gewerkschaften einsammeln und für Wahlkämpfe verwenden. 2014 waren das rund 600 Millionen US-Dollar. Und all das, ohne ihre Einzelspender offenzulegen. Einzige Bedingung ist, die Inhalte ihrer Spots nicht mit dem Kandidaten und seinem Wahlkampf zu koordinieren. Dies führt zu drei Entwicklungen: Teurere Wahlkämpfe, Intransparenz und zwangsläufig zu Schmutz- beziehungsweise Negativkampagnen. Denn positive Wahlkampfspots für die Werte und politischen Ziele eines Kandidaten sind rechtlich heikel.
Dennoch können diese Gelddruckmaschinen politische Stimmungen nur verstärken, nicht selbst erzeugen – zumindest bisher. Zudem hat der monetäre Overkill im Wahlkampf auch seine Grenzen. In den vergangenen Wochen wurden allein gegen drei republikanische Senatskandidaten jeweils 30 Millionen US-Dollar eingesetzt. Gegen Thom Tillis in North Carolina, Cory Gardner in Colorado und Joni Ernst in Iowa. Trotzdem haben sie die Wahl gewinnen können.
Nach ihrem Sieg in den US-Zwischenwahlen müssen die Republikaner nun Politik machen. Können sie das überhaupt noch? Und wie steht es um innerparteiliche Grabenkämpfe mit der Tea Party?
Die Republikaner haben im Wahlkampf kaum konkrete Inhalte angeboten. Das ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass es die Republikaner schwer haben, sich mit ihrem extremen Tea Party-Flügel auf eine gemeinsame Agenda für die nächsten zwei Jahre zu einigen. Zudem braucht es weiterhin eine „Supermehrheit” von 60 Stimmen im Senat, um Gesetzesvorschläge zur Abstimmung zu bringen. Doch die kann Präsident Obama dann mit einem Veto stoppen.
Wichtigstes Thema der Wähler war mit 45 Prozent die Wirtschaftslage, deren positive Entwicklung nicht eindeutig dem Präsidenten und seiner Partei zugeschrieben wird. Unklar ist, ob jenseits der üblichen Steuersenkungsslogans neue Impulse von den Republikanern zu erwarten sind. Die Gesundheitspolitik war mit 25 Prozent das zweitwichtigste Thema der Wähler. Die Gesundheitsreform genießt bei demokratischen Wählern hohe Popularität. Sicherlich werden die Republikaner die Implementierung von „Obamacare” durch Kürzung von Mitteln erschweren, was wiederum der Präsident durch Veto verhindern wird. Immigrationspolitik ist das dritte große inhaltliche Thema gewesen. Hier ist von den Republikanern aufgrund ihrer Spaltung mit keiner wesentlichen Initiative zu rechnen. Präsident Obama wird versuchen, durch administrative Erlasse die Lage von illegalen Immigranten zu erleichtern.
Weitere republikanische Themen werden die Ausweitung von Bohrungen für Öl und Gas, Stichwort: Keystone Pipeline, Maßnahmen zur Beschäftigung von Veteranen sowie eine weitere Beschränkung der Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sein.
Bei den Freihandelsabkommen könnte es zur Erneuerung der „Trade Promotion Authority” des Präsidenten kommen, was Einfluss auf die Verhandlungen zu TTIP und das transpazifische Freihandelsabkommen TPP haben wird.
Obamas erfolgreiche Präsidentschaftswahlkämpfe haben Kampagnenleiter quer durch Europa elektrisiert. Was ist nun aus dieser Niederlage der Demokraten zu lernen?
Die demokratischen Kandidaten haben sich auf ihre bewährte Wahlkampfmaschine aus bezahlten und unbezahlten Wahlkampfhelfern verlassen, die die eigenen Wählergruppen mobilisieren sollten. Dafür hat das demokratische Wahlkampfkomitee im Senat etwa 60 Millionen US-Dollar ausgegeben. Ziel war es, Schwarze, Latinos, unverheiratete Frauen und junge Leute an die Wahlurnen zu bringen. Dies ist ihnen aus zwei Gründen weniger gut gelungen als noch 2012: Trotz wirtschaftlichen Wachstums fehlten positive politische Botschaften, die die eigene Basis ausreichend mobilisiert hätten. Das fällt der Partei des Präsidenten in Zwischenwahlen ohnehin traditionell schwerer als der Opposition. Hinzu kommt: Viele demokratische Kandidaten haben einen großen Bogen um ihren Präsidenten gemacht und vor allem Einzelthemen wie Frauenrechte oder lokale Themen bearbeitet. Der Präsident wiederum hat nichts unternommen, um das negative Bild seiner Amtszeit durch ein neues Narrativ umzudefinieren.
Viele demokratische Kandidaten haben einen großen Bogen um ihren Präsidenten gemacht und vor allem Einzelthemen wie Frauenrechte oder lokale Themen bearbeitet.
Die Republikaner haben aus ihren Fehlern gelernt und ihren Wahlkampf in Technik und Strategie wesentlich modernisiert. So hat der konservative SuperPAC „Americans for Prosperity” mit mehr als 60 Millionen US-Dollar unter anderem auch 500 bezahlte Wahlkampfkoordinatoren in den entscheidenden Wahlkreisen finanziert. Dadurch wurde der Vorteil der Demokraten in der direkten Ansprache der Wähler durch „face to face”-Kommunikation ausgeglichen. Das bedeutet für die Zukunft aber keine Abkehr vom digitalen Datenwahlkampf und von Fernsehspots.
Der neue Trend wird wohl die weitere Privatisierung und Professionalisierung des Social Media Managements im Wahlkampf der politischen Parteien werden. Schon heute buhlen große Firmen um Aufträge für ihre sozialen Netzwerkangebote, für Datenmanagement, Online-Angebote, Sozialmedienconsulting und weitere Dienste. Sie verfügen über große personenbezogene Datenmengen, die sie mit politischen, demografischen und anderen Informationen anreichern, um die Wähler individuell und maßgeschneidert anzusprechen.
Die Republikaner dominieren nun Repräsentantenhaus und Senat. Kommt jetzt die Zeit außenpolitischer Initiativen des Präsidenten?
Mit großen Initiativen ist wohl nicht zu rechnen, denn die Amerikaner sind kriegsmüde und die Republikaner wenig kompromissbereit. Die aktuellen internationalen Konflikte in Syrien oder der Ukraine sind für den Präsidenten kaum geeignet, um sich positiv zu profilieren. Dies schließt Initiativen wie die Atomverhandlungen mit dem Iran nicht aus, an deren Erfolg Präsident Obama ein hohes, die Republikaner allerdings ein niedriges Interesse haben. Jede seiner künftigen Initiativen wird von der Frage nach der „Legacy” dominiert werden – mit welcher politischen Leistung will Obama in die Geschichtsbücher eingehen?
Ein mögliches Thema der Profilierung könnte der Kampf gegen den Klimawandel sein, den Obama mit präsidentiellen Verfügungen führen und damit die Republikaner unter Druck setzen will. In dieses Bild passt die bemerkenswerte Agenda der US-Ratspräsidentschaft im Arktischen Rat, in der das Thema Klimawandel ganz oben steht.
Worüber wurde in den Wahlen noch abgestimmt?
Die Wahlen werden in den Bundesstaaten immer auch für Abstimmungen zu bestimmten Einzelfragen genutzt, die zwar nicht von nationaler Bedeutung sind, aber dennoch langfristige Trends aufzeigen. So wurden in einigen Bundesstaaten verschärfte Abtreibungsbestimmungen und laxere Waffengesetze abgelehnt. Höhere Mindestlöhne, die Legalisierung von Marihuana und die Entschärfung der Strafgesetzgebung bei gewaltlosen Straftaten wurden hingegen in anderen Bundesstaaten befürwortet. Dieser Liberalisierungstrend setzt sich sehr langsam aber unaufhaltsam in der amerikanischen Gesellschaft durch.
Was bedeutet der Wahlausgang für die Präsidentschaftswahl 2016?
Der Präsidentschaftswahlkampf hat gestern begonnen. Die Demokraten sind trotz der herben Schlappe nicht schlecht aufgestellt, denn der politische Rückenwind für die Republikaner im Senat dreht sich 2016. Dann stehen nämlich 23 republikanische Senatoren zur Wahl und nur zehn Demokraten. Davon viele in Wahlkreisen, die Obama 2008 und 2012 gewonnen hat. Zudem müssen die Republikaner mit ihrer Dominanz in beiden Kammern des Kongresses politische Erfolge vorweisen und können sich nicht nur auf das Blockieren von Regierungsinitiativen reduzieren.
Die Demokraten sind trotz der herben Schlappe nicht schlecht aufgestellt, denn der politische Rückenwind für die Republikaner im Senat dreht sich 2016.
Die Kandidatur von Hillary Clinton scheint für die Demokraten bereits festzustehen, obwohl sie sich selbst noch nicht eindeutig geäußert hat. Ihr Erfolg wird entscheidend vom republikanischen Herausforderer abhängen. Sollten die negativen Erfahrungen mit Mitt Romney 2012 die Republikaner dazu verleiten, einen konservativeren Kandidaten wie Rand Paul oder Ted Cruz zu nominieren, wäre dies ein Vorteil für die Demokraten. Falls allerdings ein gemäßigter Republikaner wie Chris Christie oder Jeb Bush zum Kandidaten gekürt würde, könnte das Rennen spannend werden.
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