Beginnend am 25. August 2025 kam es über mehrere Tage zu Massenprotesten in einer Reihe von Städten wie Jakarta, Surabaya, Bandung, Yogyakarta, Pontianak und Makassar. Auslöser der Proteste war die Ankündigung, die Diäten der Parlamentsabgeordneten zu erhöhen, insbesondere bestimmte Zulagen, die zusammen ein Vielfaches des gesetzlichen Mindestlohns betragen sollten. Als dann am 28. August der Motorradfahrer Affan Kurniawan von einem Polizeifahrzeug überrollt und getötet wurde, eskalierten die Proteste, an denen überwiegend Schüler und Studenten, aber auch Arbeiter und viele der Beschäftigten im informellen Sektor teilnahmen. Die Frustration, die sich über Monate angestaut hatte, entlud sich in tagelangen Ausschreitungen, die auch die politische Elite in Jakarta schockierten.
Die Protestbewegung hat ein diffuses Gefühl von Wut und Desillusionierung auf die Straße getrieben. In diesem Jahr haben Tausende Indonesier aufgrund von Betriebsschließungen etwa in der Textilindustrie ihre Arbeit verloren, Hunderttausende Gig-Arbeiter sind prekär beschäftigt, Schüler und Studenten fürchten angesichts der Etatkürzungen um ihre berufliche Zukunft. Dazu kommen steigende Lebenshaltungskosten und Steuererhöhungen. Die Polizei reagierte auf die Demonstrationen mit aller Härte. Sie inhaftierte über 3 300 Personen, über 1 000 wurden verletzt und zehn Menschen starben.
Besonders auffällig war, dass sich Plünderer während der Ausschreitungen weitgehend ungestört von Sicherheitskräften Zugang zu den Häusern mehrerer Abgeordneter sowie der Finanzministerin Sri Mulyani verschaffen konnten. In einigen Fällen sollen gezielte Brandanschläge auffällig professionell durchgeführt worden sein. Noch immer kursieren Gerüchte und Verschwörungserzählungen über vermeintliche Hintermänner der Proteste, dazu kommen Spekulationen über dunkle Mächte aus dem Ausland. Gängiger sind aber Diskussionen über die spezifischen Interessen der Polizei und des Militärs, auch mit Bezug auf die Rivalität zwischen Präsident Prabowo Subianto und seinem Vorgänger Joko Widodo. Ungeachtet dieser zum Teil sensationslüsternen Spekulationen bleibt festzuhalten, dass der Ursprung der Proteste eine weit verbreitete Empörung über den Machtmissbrauch und den luxuriösen Lebensstil einer abgehobenen Oligarchie aus Unternehmern, Bürokraten, Politikern und der Führung von Polizei und Militär gewesen ist.
Die Proteste richteten sich gegen die Regierung von Präsident Prabowo Subianto und das sie stützende Parteienkartell.
Prabowo und der Polizeichef versprachen, den Tod von Affan Kurniawan rasch aufzuklären. Der Präsident kündigte zudem die Kürzung der Abgeordnetenzulagen an. Einige Politiker, darunter die Sprecherin des Parlaments, entschuldigten sich und gelobten Besserung. Anfang September überbrachten Vertreter der Protestbewegung schließlich dem Parlament eine Liste mit 17 kurzfristigen und acht langfristigen Forderungen. Direkt an den Präsidenten gerichtet sind zum Beispiel Aufforderungen, das Militär aus zivilen Bereichen abzuziehen, Demonstranten nicht zu kriminalisieren und eine Untersuchung zum Tode von Affan Kurniawan und anderen Opfern der staatlichen Gewalt einzuleiten. Das nationale Parlament soll die Zulagen zu den Diäten einfrieren, problematisches Verhalten einzelner Abgeordneter untersuchen und falls nötig die Korruptionsbekämpfungsbehörde einschalten. Von der Polizei fordert man, alle inhaftierten Demonstranten freizulassen, sich zukünftig an übliche Standards der Deeskalation zu halten und Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen.
Die Proteste richteten sich gegen die Regierung von Präsident Prabowo Subianto und das sie stützende Parteienkartell. Prabowo Subianto war im Februar 2024 zum indonesischen Präsidenten gewählt und im Oktober in sein Amt eingesetzt worden. Er war schon während der Diktatur Suhartos, der sogenannten Neuen Ordnung (1966–98), zu einem der mächtigsten Generäle aufgestiegen. Prabowo, damals Schwiegersohn Suhartos, war als Chef von Spezialeinheiten berüchtigt. So machten Menschenrechtsaktivisten ihn für Verbrechen verantwortlich, etwa im damals von Indonesien besetzten Osttimor oder im Zusammenhang mit der Entführung und mutmaßlichen Ermordung von Studentenaktivisten im Jahr 1998. Im selben Jahr wurde Prabowo unehrenhaft aus dem Militär entlassen und ging für einige Jahre nach Jordanien ins Exil, von wo aus er seinen politischen Aufstieg in Indonesien vorbereitete. 2014 und 2019 unterlag er Joko Widodo in stark polarisierten Präsidentschaftswahlkämpfen, in denen Prabowo als Rechtspopulist auftrat und auch die Unterstützung islamistischer Kräfte nicht scheute. Umso überraschender war seine 180-Grad-Wende nach den Wahlen 2019, als er das Angebot Joko Widodos annahm, dessen Kabinett als Verteidigungsminister anzugehören. Joko Widodo stellte sich im Wahlkampf 2023/2024 sogar hinter Prabowo und schaffte es, seinen Sohn Gibran an die Seite Prabowos zu stellen – unter tätiger Beihilfe eines Verfassungsgerichts, das die Altersgrenze für Vizepräsidentschaftskandidaten in letzter Minute senkte.
Im Parlament sind gegenwärtig acht Parteien vertreten – eine echte Opposition existiert allerdings nicht. Megawati Sukarnoputri – die Vorsitzende der Demokratischen Partei Indonesien-Kampf (PDI-P), die über die meisten Abgeordneten im nationalen Parlament verfügt – erklärte sogar, dass es im Präsidentialismus grundsätzlich keine Opposition gebe. Solche Haltungen entsprechen dem Demokratiekonzept von Prabowo, der eine Demokrasi santun, eine „höfliche Demokratie“, anstrebt und sich auf eine vermeintlich urindonesische, einvernehmliche und letztlich paternalistische Kultur der Entscheidungsfindung beruft.
Öffentliche Debatten werden häufig auch von Fake News bestimmt, bezahlte Influencer, aber auch Troll-Armeen heizen die Stimmung an.
In Indonesien besteht ein merkwürdiger Gegensatz zwischen einem Parlament, in dem kaum debattiert wird und in dem keine klare Grenzlinie zwischen Regierung und Opposition verläuft, und einer aktiven politischen Öffentlichkeit, die über alle erdenklichen Themen debattiert – in den sozialen Medien, aber auch in den zahlreichen Diskussionsrunden im Fernsehen. Die politische Klasse schottet sich nach außen hin ab, nur hin und wieder verschärft sich der Ton in Direktwahlen, besonders aber bei der Präsidentschaftswahl. Dann kann sich, wie 2014 und 2019, angefacht durch Islamisten und Rechtspopulisten, zumindest für einige Wochen sowohl zwischen Politikern als auch in der Zivilgesellschaft eine überaus starke Polarisierung entwickeln. Öffentliche Debatten werden häufig auch von Fake News bestimmt, bezahlte Influencer, aber auch Troll-Armeen heizen die Stimmung an. Sie können zusammen mit agents provocateurs und Polizisten oder Militärs in Zivil Proteste initiieren oder Eskalationen provozieren, was in der Vergangenheit immer wieder geschehen ist.
Nach knapp einem Jahr im Amt wird die Regierung Prabowo assoziiert mit einer Ausweitung militärischer Kompetenzen weit in zivile Bereiche hinein, so dass Kritiker sich an die berüchtigte Doppelfunktion (dwifungsi) der Neuen Ordnung unter Suharto erinnert fühlen. Die Doktrin der dwifungsi hatte einst die Militärdiktatur und die Allgegenwart der Streitkräfte legitimiert, so dass das Militär gleichzeitig politische und sicherheitsbezogene Aufgaben übernehmen konnte. Nun scheint Prabowo zumindest in Teilen die Neue Ordnung wieder herstellen zu wollen, dafür spricht auch der Versuch, die neueste Geschichte Indonesiens mithilfe einer Kommission umzuschreiben. Prabowo möchte eine von ihm als starkem Mann geführte, eingeschränkte Demokratie, in der sich Politik und Verwaltung an militärischen Verhaltensmustern orientieren. Ein privatwirtschaftlicher Sektor mit schwachen Gewerkschaften und begrenzten umweltpolitischen und sozialpolitischen Auflagen soll durch einen staatskapitalistischen Sektor ergänzt werden, der Prestigeprojekte vorantreibt. Ein Beispiel ist das umstrittene, weil überaus teure und wenig zielgerichtete Programm einer kostenfreien Mahlzeit für Schüler und stillende sowie werdende Mütter, das künftig 83 Millionen Menschen erreichen soll. Prabowo will außerdem in über 80 000 indonesischen Dörfern Kooperativen errichten. All das sind Programme, die den offiziellen Staatshaushalt belasten, was in vielen Bereichen zu teils enormen Budgetkürzungen geführt hat – Ausnahme ist der Verteidigungsetat, der stark gestiegen ist. Zudem wurde ein Staatsfonds, Danantara, geschaffen, der einmal ein Vermögen von 900 Milliarden US-Dollar verwalten soll. Damit ist anzunehmen, dass die Projekte sowie der riesige Staatsfonds Prabowo offensichtlich als Patronagemaschinerie dienen sollen.
Insgesamt setzt sich eine seit den 2010er Jahren erkennbare Regression der elektoralen Demokratie beschleunigt fort. Seit Jahren werden die Spielräume der Zivilgesellschaft eingeschränkt, zum Beispiel durch das Gesetz über Elektronische Informationen und Transaktionen. 2026 tritt ein neues Strafgesetz in Kraft, und dieses Jahr revidierte das Parlament das Streitkräfte-Gesetz. Revisionen des Polizeigesetzes und des Strafverfahrensrechts sollen noch folgen. Zusammen könnten sie die Stellung der Sicherheitskräfte und Prabowos ausbauen. Politische Beobachter fürchten daher, dass er seine außerordentliche Macht irgendwann nutzen könnte, um das Kriegsrecht auszurufen und eine neue Phase der Autokratie einzuleiten.