Japan hat sich als einer der führenden Verfechter einer regelbasierten internationalen Ordnung positioniert. Grund dafür sind insbesondere die zunehmenden Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum. Seit 2010 äußert sich Tokio immer wieder besorgt angesichts des forschen Auftretens Chinas in Territorialstreitigkeiten, gerade mit Blick auf die Senkaku-Inseln und das Südchinesische Meer. Die japanische Führung hat erkannt, dass die Einhaltung des Völkerrechts für ihre Sicherheit von entscheidender Bedeutung ist, und hat sich daher aktiv für den Aufbau des Rahmenwerks Free and Open Indo-Pacific (FOIP) eingesetzt. Während die japanische Regierung seit langem eine regelbasierte Ordnung hochhält, hat der Aufstieg eines zunehmend selbstbewussten Chinas (der aus japanischer Sicht deutlich mehr auf Zwang als auf Konsens basiert) dazu geführt, dass der japanische Ansatz für regionale Stabilität neu definiert wurde.

Nach eigenem Bekunden strebt Japan eine legitime internationale Ordnung an, die auf Inklusivität, Einhaltung von Regeln und auf der Ablehnung von Zwang, Gewalt und Druck oder Einflussbereichen beruht, in denen schwächeren Staaten der Wille stärkerer Mächte aufgezwungen wird. Dem entgegen stehen Ereignisse wie die Invasion der Ukraine durch Russland, die eine direkte Verletzung der UN-Charta darstellt, da durch sie die politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine untergraben wird. Eine derartige Aggression steht sinnbildlich für die umfassenderen globalen Herausforderungen, bei denen es gilt, das Prinzip der nationalen Selbstbestimmung gegen die Ambitionen dominanter Staaten, die ihre Vormachtstellung mit Gewalt durchsetzen, zu wahren.

Aus japanischer Sicht stellt China eine doppelte Herausforderung dar: Einerseits versucht Peking einseitig, den geopolitischen Status quo im asiatisch-pazifischen Raum zu ändern; andererseits übt es wirtschaftlichen Druck auf Staaten aus, die seinem Vorgehen kritisch gegenüberstehen – und nutzt dabei deren wirtschaftliche Abhängigkeit aus.

Chinas „neue Normalität“ im Südchinesischen Meer, die durch Zwangsmaßnahmen etabliert wurde, ist nicht legitim. Konkurrierende Parteien in der Region haben die faktische Vormachtstellung nicht gebilligt. Dieser Ansatz hat das Vertrauen untergraben und die regionalen sicherheitspolitischen Spannungen erhöht – wodurch auch die von den USA geführten Sicherheitsnetzwerke gestärkt wurden. Ebenso hat Chinas Führung mit ihren ökonomischen Sanktionen diverse Partner verprellt. Sollte Peking Taiwan mit Gewalt oder durch politische Unterwerfung einnehmen, wäre seine Kontrolle international illegitim und dürfte auf langfristigen Widerstand stoßen.

Tokio betrachtet die Krisen in der Ukraine und in Taiwan durch die Linse des Widerstands gegen unfreiwillige Unterwerfung.

Tokio betrachtet die Krisen in der Ukraine und in Taiwan durch die Linse des Widerstands gegen unfreiwillige Unterwerfung sowie der Aufrechterhaltung der Norm der politischen Selbstbestimmung über Einflusssphären. In der UN-Charta werden derartige Gewalt und Zwang missbilligt. Genau darauf baut Japans dreigleisige Strategie zur Verteidigung einer regelbasierten internationalen Ordnung auf: erstens, Gewaltanwendung verhindern; zweitens, erzwungenen Status-quo-Revisionen widersprechen und ihnen entgegentreten; und drittens, wirtschaftliche Beziehungen diversifizieren und entsprechende Risiken minimieren. In der Praxis bedeutet dies unter anderem, die Verteidigungsfähigkeiten zu stärken, das Bündnis mit den USA zu vertiefen, die Sicherheitsnetzwerke im indopazifischen Raum und in Europa zu erweitern und Partnerschaften mit Schwellen- und Entwicklungsländern zu fördern, um die Widerstandsfähigkeit und das nachhaltige Wachstum angesichts der weltweiten Verwerfungen in den Lieferketten zu stärken.

Bis Anfang der 2010er Jahre galt die marktbasierte liberale Demokratie als unangefochtenes Legitimitätsmodell. Dieser Konsens ist zerbrochen. Staatskapitalistische, nichtdemokratische Mächte wie China und Russland befürworten nun eine „westfälische“ Ordnung ohne Bezugnahme auf liberale Werte und stellen damit eine Herausforderung für den globalen normativen Rahmen dar. Gleichzeitig erschweren Debatten innerhalb der USA über die Verbreitung liberaler Prinzipien diesen Wandel zusätzlich. Die meisten Nationen, die oft unter dem Begriff „Globaler Süden“ zusammengefasst werden, nehmen eine nuancierte Position ein, irgendwo zwischen einer „liberalen Obergrenze“ mit reduziertem Interventionismus und der entsprechenden Untergrenze einer rein „westfälischen“ Souveränitätsordnung ohne jegliche liberale Zusagen, Bindungen und Verpflichtungen. Diese sich entwickelnde weltpolitische Landschaft stellt eine Herausforderung für die strategische Positionierung Japans dar.

Japans Strategie zur Handhabung der sich gerade entwickelnden internationalen Ordnung beruht auf drei Grundpfeilern. Erstens strebt Tokio danach, Frieden und Wohlstand zu fördern, indem es eine liberale, regelbasierte Ordnung in Partnerschaft mit den G7-Staaten und anderen gleichgesinnten Demokratien aus einer universalistischen Perspektive stärkt. Zweitens strebt Japan danach, mit den Ländern des sogenannten Globalen Südens eine kollektive Resilienz aufzubauen, indem es eine funktionierende Zusammenarbeit fördert und inklusive unilaterale sowie multilaterale Rahmenbedingungen schafft, die einen pluralistischen Ansatz widerspiegeln. Drittens muss Japan zu einem Sicherheitsgaranten werden, indem es die Kosten und Risiken übernimmt, die erforderlich sind, um revisionistische Mächte wie China und Russland in Schach zu halten und abzuschrecken.

Japan strebt aktiv multilaterale Sicherheitspartnerschaften mit Partnern im indopazifischen Raum und in Europa an, doch diese Bemühungen ergänzen lediglich die unverzichtbare Rolle der Vereinigten Staaten, statt sie zu ersetzen.

Während die japanische Führung so versucht, ihre strategischen Ziele voranzutreiben, bleiben die USA der wichtigste Verbündete und Garant für die Sicherheit Japans. Während unter den europäischen Verbündeten die Diskussionen über „strategische Autonomie“ an Fahrt gewinnen, kann Japan solche Gedankenspiele aufgrund der regionalen Sicherheitsrealität im Indo-Pazifik nicht anstellen. Japan strebt aktiv multilaterale Sicherheitspartnerschaften mit Partnern im indopazifischen Raum und in Europa an, doch diese Bemühungen ergänzen lediglich die unverzichtbare Rolle der Vereinigten Staaten, statt sie zu ersetzen. Trotz der Übernahme von Donald Trumps America First-Agenda durch die Republikanische Partei bleibt der Internationalismus in der US-Außenpolitik bestehen; eine weitere Zusammenarbeit wird als gesichert angesehen.

America First beruht auf der Überzeugung, dass die Sicherheit und der Wohlstand der Vereinigten Staaten von denen ihrer Verbündeten getrennt werden könnten. Um dem entgegenzuwirken, sollten die Verbündeten der USA ihr Engagement auf allen Ebenen – auf Regierungs-, Wirtschafts- und allgemeiner Gesellschaftsebene – verstärken, um das Verständnis für miteinander verflochtene Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen wiederherzustellen, insbesondere mit Partnern im indopazifischen Raum und in Europa. Wenn man sich hingegen nicht mit einer potenziellen America First-Regierung auseinandersetzt, besteht die Gefahr, dass die Abschottung der USA verfestigt und der Internationalismus geschwächt wird. Jede Hoffnung, den dramatischen Wandel in der internationalen Ordnung zu bewältigen, erfordert gemeinsame Anstrengungen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten. Diesmal müssen die Verbündeten der USA jedoch den Provinzialismus in der US-Außenpolitik bewältigen und abbauen, anstatt die Kapazitäten und die Leistungsfähigkeit der USA (die die anderer Großmächte auch heute noch übertreffen) als selbstverständlich anzunehmen.

Die Zukunft der internationalen Ordnung hängt also von den gemeinsamen Anstrengungen der USA und ihrer Verbündeten ab. Japans Bekenntnis zu einem regelbasierten Rahmen wird von entscheidender Bedeutung sein, um autoritärem Revisionismus entgegenzuwirken und eine sichere und prosperierende indopazifische Region aufzubauen. Wenn Japans Führung durch diese komplexen Zusammenhänge navigiert, wird ihre Strategie nicht nur darauf beruhen, die eigenen nationalen Interessen zu verteidigen, sondern auch darauf abzielen, eine sich verändernde globale Landschaft zu stabilisieren.