Auf der Suche nach neuen Partnern hat Saudi-Arabien dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping bei seinem dreitägigen Besuch den roten Teppich ausgerollt. Die beiden Länder streben die Unterzeichnung von Handelsabkommen mit dem Volumen von rund 30 MilliardenUS-Dollar an, um die Beziehungen zu stärken. Aktuell beträgt das bilaterale Handelsvolumen der beiden Länder fast 90 MilliardenUS-Dollar. Doch abgesehen vom Prunk dieses Treffens ist vor allem der Kontext wichtig, in dem es stattfindet.
Die Golfstaaten, insbesondere Saudi-Arabien, sind zu wichtigen Akteuren auf den globalen Energiemärkten geworden, seit die von Washington und seinen Partnern verhängten Sanktionen gegen den russischen Energiesektor die Öl- und Gaspreise in Europa und den Vereinigten Staaten in die Höhe schnellen ließen.
Um den Preisanstieg zu dämpfen, suchte US-Präsident Joe Biden nach Alternativen. Dabei wandte er sich an von den USA sanktionierte Länder wie Venezuela und brachte die Möglichkeit einer Lockerung der Beschränkungen für den Iran ins Gespräch. Zudem versuchte er, Telefonate mit dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate und dem Kronprinzen von Saudi-Arabien zu initiieren – beide weigerten sich, seine Anrufe entgegenzunehmen.
Biden drohte Saudi-Arabien mit „Konsequenzen“, weil es seine wirtschaftlichen Interessen über die der USA stellte.
Wie viele Golfstaaten ist Saudi-Arabien ein Satellitenstaat, der den militärischen Schutz der USA vor regionalen Bedrohungen sucht. Doch als die jemenitischen Huthis Anfang des Jahres saudische Ölraffinerien angriffen, fehlte es an einer ernsthaften Absicht Washingtons, die Schuldigen zu verfolgen. Darüber hinaus verspottete Biden die saudische Monarchie während des US-Präsidentschaftswahlkampfs, als er versprach, das Regime zu einem Pariastaat zu machen – Worte, die Kronprinz Mohammed bin Salman nicht vergessen hat.
Ein letzter Versuch, den Kronprinzen bei einem Besuch in Dschidda im Juli dazu zu bewegen, die Ölproduktion der OPEC+-Staaten zu erhöhen, blieb erfolglos. Die Produktion wurde um zwei Millionen Barrel pro Tag reduziert, um die Preise zu stabilisieren. Doch anstatt sein Vorgehen zu überdenken, ging Biden noch einen Schritt weiter und drohte Saudi-Arabien mit „Konsequenzen“, weil es seine wirtschaftlichen Interessen über die der USA stellte. Er erklärte zudem kategorisch, dass die USA Saudi-Arabien „nicht verlassen und ein Vakuum hinterlassen werden, das von China, Russland oder dem Iran gefüllt werden kann“.
Peking hingegen betonte beim jetzigen Besuch den Wunsch, weiterhin mit den arabischen Ländern zusammenzuarbeiten, und verwies auf die gemeinsamen Werte: Achtung der gegenseitigen Souveränität, Unabhängigkeit, territoriale Integrität, gegenseitigen Gewaltverzicht und vor allem die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Gegenübers.
Der chinesische Besuch wird als weitaus bedeutsamer interpretiert als ein üblicher Austausch zwischen zwei Regionalmächten.
Dies steht in krassem Gegensatz zu Bidens Ankündigung, weder China noch Russland oder der Iran sollten in Erwägung ziehen, das von den USA hinterlassene Machtvakuum zu füllen – eine Ankündigung mit dem dunklen Unterton einer kolonialen Denkweise. Mit anderen Worten: Die USA werden die Reichtümer des Nahen Ostens vielleicht nie aufgeben.
Ihre Partner wie Saudi-Arabien versuchen jedoch, ihre eigenen Wege in Richtung Peking und Moskau zu gehen, die verlässliche und handfeste Investitionen zum beiderseitigen Nutzen anbieten, anstelle der Illusion von Sicherheit, die Washington derzeit vermittelt. So hat Saudi-Arabien beispielsweise China um Unterstützung bei der Entwicklung seines eigenen Programms für ballistische Raketen gebeten, um den Bedrohungen zu begegnen, an deren Abwehr die USA nicht interessiert sind.
Der chinesische Besuch wird als weitaus bedeutsamer interpretiert als ein üblicher Austausch zwischen zwei Regionalmächten. Denn Saudi-Arabien will in Chinas Belt and Road-Initiative einbezogen werden, indem es die Mitgliedschaft in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und möglicherweise auch in den BRICS-Staaten anstrebt. Während die Präsenz der USA im letzten Jahrhundert die Region mit Kriegen und Putschen geplagt hat, könnten engere Beziehungen zu China dem Nahen Osten endlich eine Chance auf Wohlstand bieten.
Engere Beziehungen zu China könnten dem Nahen Osten endlich eine Chance auf Wohlstand bieten.
Für viele Länder liegt die Anziehungskraft Chinas in seiner Fähigkeit, Foren und Projekte anzubieten, die sich auf eine langfristige Vision konzentrieren. Diese gehen mit einem Ausbau der Infrastruktur und anderen Investitionen einher, die auch wichtige Pfeiler der saudischen Vision 2030 des Kronprinzen sind. Die USA hingegen sind vor allem auf die Sicherung ihrer eigenen Interessen in der Region konzentriert und haben kein Interesse an Investitionen, Bauvorhaben oder sonstiger Entwicklung.
Zwar reduzieren die westlichen Länder ihren Erdölverbrauch, um ihre Umweltziele zu erreichen, was zu einer natürlichen Verlagerung der Nachfrage nach Indien und China führt. Doch Saudi-Arabien könnte trotzdem Probleme haben, seine Interessen unabhängig zu verfolgen, da von den USA Widerstand zu erwarten ist.
China und die arabische Welt haben eine gemeinsame Vision für den Aufbau einer globalen Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Bestimmung. China ist der Ansicht, dass Peking und Riad für Multilateralismus eintreten und die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht der jeweils anderen Seite respektieren sollten.
Dieses gemeinsame Kerninteresse bildet die Grundlage für die wirtschaftliche, kulturelle und technologische Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten. Leider mangelt es dem Engagement der USA in Saudi-Arabien an diesen Merkmalen. Sie haben wenig zu bieten und können gemessen an ihrer jahrzehntelangen Präsenz nicht viel vorweisen.
Aus dem Englischen von Lucie Kretschmer