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Wohl noch im Frühjahr gingen Donald Trump und seine engsten Vertrauten davon aus, dass seine Wiederwahl gesichert ist. Zum einen hatte Trump die Gefahr eines politisch fatalen Skandals überstanden: Der lang erwartete Mueller-Report über die russische Einmischung in die US-Wahl war zwar ein Schlag für ihn, aber ein doch sehr gedämpfter. So kamen zwar belastende Details ans Licht, politische Folgen hatten sie jedoch nicht. Zum anderen war Trump überzeugt, dass die boomende Wirtschaft seine Kandidatur beflügeln würde. Wenngleich seine Behauptung schnell widerlegt war, dass er die beste Wirtschaftsleistung in der Geschichte der Menschheit erreicht hatte, die wirtschaftliche Realität schien zumindest gut genug, um sie als großen Erfolg zu verkaufen.

Doch welchen Unterschied ein paar Monate machen können, zeigt die aktuelle Situation, in der sich Trump befindet. Derzeit verfolgt jeder das Amtsenthebungsverfahren und ich habe dem nicht viel hinzuzufügen, außer einer Warnung: Zu jedem Zeitpunkt dieses Prozesses haben die Republikaner bewiesen, dass sie sich für wirklich kein noch so verblüffendes Verhalten zu schade sind. Oder konnte irgendjemand den Versuch der republikanischen Abgeordneten vorhersehen, die geheime Untersuchung des Repräsentantenhauses mit echtem Körpereinsatz zu stören? Mein Punkt ist: Je enger sich die Schlinge um Trump zieht, desto hässlicher wird die Antwort der Republikaner sein. Hässlicher als wir alle es uns jemals haben vorstellen können.

Was derzeit verständlicherweise weniger Aufmerksamkeit bekommt, ist die Tatsache, dass Trumps Narrativ der wirtschaftlichen Stärke ebenfalls auseinanderfällt. Um fair zu sein eines vorab: Der allgemeine Zustand der Wirtschaft ist noch immer ziemlich gut. Die Arbeitslosenquote ist sehr niedrig und das Beschäftigungswachstum hält an. Und auch, wenn es am Ende eine landesweite Rezession geben wird – der Wirtschaftszyklus wurde noch nicht gänzlich unterbrochen – ist es gut möglich, dass diese erst nach der Wahl im nächsten Jahr beginnt.

Das allgemeine Wirtschaftswachstum verlangsamt sich deutlich. Da die Wachstumsrate der Wirtschaft eher die Wahl beeinflussen wird als Daten zur Arbeitslosenquote, sind das keine guten Nachrichten für die Republikaner.

Trotzdem schwächeln wichtige Teile der Wirtschaft schon heute. Die verarbeitende Produktion ist im letzten Jahr zurückgegangen; zusammengenommen mit der Schwäche im Transport und den schweren Zeiten für die Landwirtschaft befindetsich effektiv etwa ein Fünftel der Wirtschaft bereits jetzt in der Rezession. Die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania ist zurückgegangen – Staaten, die Trump 2016 mit verschwindend kleinen Mehrheiten gewählt und ihm damit den Sieg bei den Wahlmännern gesichert haben, obwohl nicht die Mehrheit der Amerikaner für ihn gestimmt hatte.

Und auch wenn das allgemeine Wirtschaftswachstum noch positiv ist, verlangsamt es sich eindeutig: Aufschlussreich sind hier „nowcasts“‑Systeme, die unvollständige Daten nutzen, um die Konjunkturentwicklung vorherzusagen. Sie prognostizieren ein wenig beeindruckendes Wirtschaftswachstum von weniger als zwei Prozent. Da die Wachstumsrate der Wirtschaft eher die Wahl beeinflussen wird als Daten zur Arbeitslosenquote – Ronald Reagan erzielte 1984 einen deutlichen Wahlsieg bei einer Arbeitslosenquote von über sieben Prozent –, sind das keine guten Nachrichten für die Republikaner.

Was jedoch wohl noch schwerer wiegt, ist die dramatische Abnahme der Zuversicht unter den Unternehmern, die fast einem Kollaps gleicht. Dieser Kollaps zeigt sich auf unterschiedliche Weise, eine davon sind Umfragen unter Führungskräften. Demnach äußerten sich diese in den ersten beiden Regierungsjahren Trumps sehr zuversichtlich und sind nun bemerkenswert pessimistisch gestimmt.

Die Zuversicht begann Ende letzten Jahres zu bröckeln als deutlich wurde, dass Trump es ernst meinte mit dem Handelskrieg gegen China.

Ein weiterer Hinweis ist der Anleihenmarkt, der ein sehr viel besserer Indikator für ökonomische Erwartungen ist als der Aktienmarkt. Langfristige Zinssätze neigen dazu, hoch zu sein, wenn Investoren eine boomende Wirtschaft erwarten. In diesem Fall verknappt die US-Notenbank die Geldmenge, um eine Inflation abzuwenden. Wenn Investoren hingegen eine langanhaltende ökonomische Schwäche und günstige Kredite erwarten, sind die Zinssätze eher niedrig.

Und genau das ist passiert: Die Zinssätze für auf zehn Jahre gebundene Anleihen sind gefallen, von über drei Prozent im letzten Jahr auf aktuell 1,75 Prozent. Das letzte Mal, dass wir einen solchen Abfall beobachten konnten, war in den Jahren 2010-2011. Damals bemerkten die Investoren endlich, dass die Genesung von der Großen Rezession langsam und schmerzhaft werden und eine rasche Erholung ausbleiben würde.

Was ist also aus dem „Trump-Boom“ geworden? Die Zuversicht begann Ende letzten Jahres zu bröckeln als deutlich wurde, dass Trump es ernst meinte mit dem Handelskrieg gegen China; dies setzte sich fort, als sich die Beweise verdichteten, dass die Steuersenkung von 2017 im Sande verläuft, weil sie das Investment nicht ankurbelte, sondern der Wachstumsrate höchstens ein kurzes Hoch bescherte.

Sogar Pessimisten haben der Steuersenkung mehr positive und dem Handelskrieg weniger negative Kraft zugesprochen, als sie im Endeffekt hatten.

Doch in Wahrheit haben sogar Pessimisten der Steuersenkung mehr positive und dem Handelskrieg weniger negative Kraft zugesprochen, als sie im Endeffekt hatten. Warum haben sich die Dinge so dürftig entwickelt? Eine Antwort, die ich unterscheiben würde, lautet, dass der Handelskrieg nicht nur einen direkten Einfluss auf die US-Exporte und Unternehmen hatte, die auf chinesische Zulieferer angewiesen sind. Er hat noch dazu eine schädliche Grundstimmung geschaffen. Auf globale Lieferketten angewiesene Unternehmen werden Investitionen zurückhalten aus Angst, dass sich der Handelskrieg noch verschlimmern könnte. Aber auch Unternehmen, die in der Lage wären einzuspringen und Importe zu ersetzen, halten ihre Investitionen zurück, weil sie fürchten, dass Trump am Ende doch nachgibt.

Meine Vermutung ist, dass noch viel mehr dahinter steckt. Unternehmer haben es zwar lange geleugnet, aber erkennen jetzt die Realität an: Trump und sein Team sind sehr seltsame Menschen, die keine Ahnung von dem haben, was sie da tun – und genau dieser Umstand bringt eine enorme Unsicherheit mit sich. Bedenkt man, dass der Handelskonflikt mit China das Herzstück von Trumps Wirtschaftspolitik ist, beunruhigt der Fakt umso mehr, dass sein Hauptstratege in diesem Konflikt, Peter Navarro, sich auf eine Quelle bezieht,  die er „Ron Vara“ nennt. Er zitiert diese Quelle auch mehrfach in seinen Büchern. Und doch existiert dieser imaginäre Freund nicht. Sein Name ist lediglich ein Anagramm von „Navarro“.

Die Wahlen im nächsten Jahr sollten Trumps Bruch seines Amtseides zum Thema machen. Aber realistisch gesehen wird eine gewichtige Rolle die Tatsache spielen, dass die Wirtschaft wohl nicht mehr auf seiner Seite steht.

Aus dem Englischen von Marius Mühlhausen.

(c) The New York Times 2019