Es brodelt in der deutschen Rüstungsexportpolitik. Seit Jahren liefern sich Gegner und Befürworter deutscher Waffenausfuhren einen Streit um Deutungshoheit und Ausrichtung der Exportpolitik. Dreh- und Angelpunkt ist die Behandlung von Drittstaaten, also von Ländern außerhalb von EU und NATO. Für die einen weicht der Export in Krisenregionen bestehende Kontrollnormen und humanitäre Werte auf. Die anderen sehen die deutsche Rüstungsindustrie in Gefahr, wenn der Handel stärker als zuvor eingeschränkt werden sollte.

Die Rüstungsindustrie steht vor gravierenden Veränderungen. Traditionelle Märkte brechen seit Beginn des Sparkurses im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2009 zunehmend weg. Die Bundeswehr und Streitkräfte verbündeter Nationen beschaffen immer weniger und vollziehen einen Umbau, der eine Neuordnung der Fähigkeiten und Kapazitäten mit sich bringt.

Zwar gibt es durch die Ankündigung von Finanzminister Schäuble erste Anzeichen, den Kurs umzukehren und der Bundeswehr ab 2017 wieder mehr Geld zur Beschaffung neuer Waffen zur Verfügung zu stellen, aber allein zwischen 2009 und 2013 sind die Ausgaben für Beschaffungen und Instandhaltung innerhalb der europäischen NATO-Staaten um etwa neun Milliarden US-Dollar auf rund 50 Milliarden US-Dollar gefallen. Gleichzeitig eröffnen sich auf zahlreichen außereuropäischen Wachstumsmärkten neue Absatzmöglichkeiten, die Rüstungsunternehmen erschließen wollen. Gabriels Kritiker sehen deshalb eine Gefahr für die deutsche Rüstungsindustrie, für die Sicherheit Deutschlands und für den Erhalt der deutschen Schlüsseltechnologien, wenn Ausfuhren an Drittstaaten eingeschränkt werden.

Allein zwischen 2009 und 2013 sind die Ausgaben für Beschaffungen und Instandhaltung innerhalb der europäischen NATO-Staaten um etwa neun Milliarden US-Dollar auf rund 50 Milliarden US-Dollar gefallen.

Kritiker einer restriktiven Rüstungsexportpolitik argumentieren, dass die Bündnisfähigkeit nur über eine starke nationale Rüstungsindustrie gewährleistet werden könne. Doch dabei blenden sie aus, dass inzwischen ein überwiegender Anteil der Rüstungsproduktion in transnationale Strukturen eingebettet ist. Angesichts der Liberalisierung des europäischen Binnenmarktes, dem Versuch der EU-Kommission, immer mehr Kompetenzen zu erlangen, und einer immer engeren Kooperation europäischer Rüstungsunternehmen wäre etwas anderes wichtig: nämlich ein Nachdenken darüber, wie eine Europäisierung der Rüstungsindustrie zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zukunftsweisend und positiv ausgestaltet werden kann.

So könnte ein Abbau der Überproduktionskapazitäten auf europäischer Ebene langfristig dazu führen, auch die Abhängigkeit von Rüstungsexporten an unsichere Drittstaaten zu beenden, die den Rüstungsunternehmen volle Auftragsbücher bescheren. Im Sinne einer Arbeitsteilung wäre es dann auch möglich, zu diskutieren, was Deutschland von anderen Staaten beschaffen könnte und welche Schlüsseltechnologien hierzulande erhalten werden sollen. Eine Europäisierung der Rüstungsindustrie ist jedoch ambitioniert und mit politischen und wirtschaftlichen Stolperfallen versehen.

Wenn dieser Tage über eine europäische Armee diskutiert wird, sollte auch über einen gemeinsamen europäischen Rüstungsmarkt nachgedacht werden. Denn auch ein solcher wäre Ausdruck einer glaubwürdigen europäischen Verteidigungspolitik. Zusätzlich ließe sich durch eine solche Ausrichtung das schon lange angedachte pooling und sharing in der EU besser umsetzen.

Wenn dieser Tage über eine europäische Armee diskutiert wird, sollte auch über einen gemeinsamen europäischen Rüstungsmarkt nachgedacht werden.

Eine solche Entwicklung stößt jedoch nicht nur auf nationale Vorbehalte, sondern wirft auch neue Fragen auf. Etwa, wie die Kontrolle europäischer Unternehmen aussehen sollte. Bisher liegt die Rüstungsexportkontrolle nach Artikel 346 des EU-Vertrages in nationaler Verantwortung. Wenn die Europäisierung der Rüstungsindustrie zum erklärten politischen Ziel werden sollte, müsste mittel- bis langfristig auch die Exportkontrolle neu gestaltet werden. Die durchaus nicht wünschenswerte Alternative wäre ein poröses Regelwerk der EU, das den Unternehmen durch eine Liberalisierung des Binnenmarkts zahlreiche Grauzonen und Schlupflöcher bietet.

Eine Neuregelung sollte sowohl die Aufweichung bestehender restriktiver Kontrollsysteme verhindern als auch das Europaparlament mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten ausstatten. Eine Europäisierung der Rüstungsindustrie und der Exportkontrolle darf nicht zu Lasten der Kontrollaufgaben und -möglichkeiten nationaler Parlamente umgesetzt werden.