Wenn US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin eines gemeinsam haben, dann ist es, dass man keinem von beiden trauen kann. Trump widerspricht sich offen, bricht Versprechen selbst gegenüber seinen treuesten Anhängern und attackiert jeden, der seine Heuchelei entlarvt. Putin wiederum gibt vor, etwas zu wollen, untergräbt es dann jedoch mit obskuren „Nuancen“ und versteckten Bedingungen und offenbart so seine wahren, oft finsteren Absichten. Wenn sich die beiden Staatschefs nun in Alaska treffen, um über ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges zu sprechen, können die Ukrainer nahezu sicher sein, dass ihre Forderungen hinter dem Ego und den Machenschaften der beiden Männer zurückstehen werden.

Weder die Ukraine noch die Europäische Union scheinen bei dem Gipfel willkommen zu sein, obwohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj offenbar noch hofft, zumindest einen gewissen Einfluss geltend machen zu können. Damit bleiben der ukrainischen Führung nur wenige Möglichkeiten, die Interessen ihres Landes zu verteidigen. Sie kann lediglich versuchen, noch einmal klarzustellen, dass die Ukraine kein Territorium gegen einen Waffenstillstand eintauschen wird.

Da Russland als Bedingung für einen Waffenstillstand den vollständigen Rückzug der Ukraine aus dem Donbass fordert – von dem es derzeit rund 88 Prozent besetzt hält –, dürfte dies allein genügen, um die Verhandlungen scheitern zu lassen. Vorerst scheint Putin jedoch noch zu hoffen, etwas (den Donbass selbst sowie die Aufgabe zentraler Prinzipien durch die Ukraine) für wenig (einen Waffenstillstand, den er womöglich jederzeit brechen könnte) bekommen zu können.

An diesem Punkt könnte „etwas“ für Putin schon ausreichen – selbst wenn es mit Kosten verbunden ist. Zweifellos hat er sich in der Ukraine ehrgeizige Ziele gesetzt und er behauptet weiterhin, der Krieg genieße breite Unterstützung im eigenen Land. Offizielle Umfragen scheinen das zu stützen: Der diesjährige „Happiness Index“ stieg zuletzt auf 7,3 von 10 Punkten. Die bittere Wahrheit, die Putin sehr wohl kennt, ist jedoch, dass die meisten Russen sich nichts sehnlicher wünschen als ein Ende eines Konflikts, der konservativ geschätzt 120 000 Tote und mehrere Hunderttausend Verwundete gefordert hat. Was die vermeintliche Zufriedenheit betrifft, so könnte dies mit dem steigenden Konsum von Antidepressiva zu tun haben, deren Verkauf im Jahr 2024 um 16,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist.

Die Russen müssen mit Jahren der Isolation, mit Unterdrückung, schweren Verlusten und wachsenden wirtschaftlichen Belastungen leben.

Tatsächlich zeigen gewöhnliche Russen deutlich mehr Begeisterung für Möglichkeiten, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten, als für die „patriotischen“ Inszenierungen des Kremls, während Personen des öffentlichen Lebens wie der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew unermüdlich antiwestliche Propaganda verbreiten und mit nuklearen Drohgebärden spielen. So konnte der russische McDonald’s-Ersatz Vkusno i Tochka am Moskauer Puschkin-Platz nie an die Beliebtheit des Originals anknüpfen, das 2022 schloss – bis er im vergangenen Monat eine Sonderveranstaltung zu Ehren der japanischen Comicfigur Hello Kitty ausrichtete.

Es kann weder von Glück noch von Patriotismus die Rede sein. Die Russen müssen mit Jahren der Isolation, mit Unterdrückung, schweren Verlusten und wachsenden wirtschaftlichen Belastungen leben. Bei einer Inflationsrate von zehn Prozent fällt es vielen schwer, selbst die grundlegendsten Bedürfnisse – Lebensmittel, Energie, Medikamente und Gas – zu bezahlen. Der Staatshaushalt ist nicht besser aufgestellt: Das Defizit hat das Regierungsziel für dieses Jahr bereits überschritten, nicht zuletzt wegen eines Einbruchs der Öl- und Gaseinnahmen um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Das könnte für Putin, der auf die Unterstützung der russischen Eliten angewiesen ist, Anreiz genug sein, ein Friedensabkommen anzustreben. Natürlich ist Russland kein normales Land, und seine Führer haben sich oft irrational verhalten. Der Krieg in der Ukraine ist ein typisches Beispiel dafür: Putin hat die Fähigkeiten des russischen Militärs massiv überschätzt – er ging davon aus, binnen weniger Tage den Sieg verkünden zu können – und ignorierte wiederholte Warnungen des damaligen US-PräsidentenJoe Biden, eine Invasion werde mit „harten und koordinierten wirtschaftlichen Maßnahmen“ beantwortet.

Doch selbst Russlands Staatschefs haben sich zuweilen dem Willen der Öffentlichkeit gebeugt. Nikita Chruschtschow hätte dem Beispiel seines Vorgängers Josef Stalin folgen und eine Diktatur mit eiserner Faust fortführen können. Stattdessen kam er dem Wunsch der Bevölkerung nach einem Ende der Massenunterdrückung nach und leitete die Entstalinisierung ein. Auch Michail Gorbatschows Perestroika und Glasnost waren Reaktionen auf Forderungen aus der Gesellschaft.

Selbst Russlands Staatschefs haben sich zuweilen dem Willen der Öffentlichkeit gebeugt.

Putin hat noch einen weiteren guten Grund, bald ein Abkommen zu schließen: Trump. Getrieben von dem Wunsch, sowohl den Friedensnobelpreis zu erringen als auch seine widerspenstige, nationalistische Basis zu besänftigen, die ausländische Verstrickungen überwiegend ablehnt, hat Trump erheblichen Druck auf Putin ausgeübt, unter anderem mit der Drohung, noch schärfere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. In vielerlei Hinsicht ist er für den Kreml jedoch ein wahr gewordener Traum: Trump schätzt Putin und will ein Abkommen mit ihm erreichen. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hingegen mag er nicht und er hat gegenüber der Ukraine bislang nur wenig Loyalität gezeigt.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Russland für ein Abkommen keinen hohen Preis zahlen müsste. Mindestens sollte Putin einem Waffenstillstand zustimmen, gefolgt von einem „gegenseitigen Gebietstausch“ mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine, wie es europäische Diplomaten vorgeschlagen haben. Jede Vereinbarung würde zudem verlangen, dass Putin darauf verzichtet, die Ukraine fest in den russischen Einflussbereich zu ziehen, und ihr erlaubt, ihre Beziehungen zu Europa weiter zu vertiefen.

In den 1980er Jahren trafen sich Michail Gorbatschow und Ronald Reagan zu einer Reihe wegweisender Gipfel, die den Kalten Krieg schließlich beendeten. Das bevorstehende Treffen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump in Alaska könnte ähnlich historische Bedeutung erlangen – allerdings nur, wenn Putin akzeptiert, dass der Ausweg aus dem selbst geschaffenen Sumpf seinen Preis hat.

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