Der wachsende Widerstand gegen Zuwanderung verändert die politische Landschaft weltweit. In den Vereinigten Staaten ebnete das Versprechen, kompromisslos gegen Zuwanderung vorzugehen, Donald Trump 2024 den Weg zurück ins Weiße Haus. Bereits in seiner ersten Woche im Amt rief er an der Südgrenze den nationalen Notstand aus. Seither weitet seine Regierung Razzien gegen Einwanderinnen und Einwanderer in Unternehmen aus, sie droht massenhafte Abschiebungen an und hat den befristeten Aufenthaltsstatus von mehr als einer Million Menschen in den USA aufgehoben. Obwohl ein wachsender Teil der Wählerschaft dieses rigorose Vorgehen der Regierung ablehnt, stößt Trumps Zuwanderungspolitik in der amerikanischen Bevölkerung auf mehr Zustimmung als all seine anderen Maßnahmen.
Die Vereinigten Staaten sind mit der zuwanderungsfeindlichen Haltung ihrer Bevölkerung kein Einzelfall. Weltweit gewinnen migrationsfeindliche Parteien an Zuspruch. In Europa sind rechtsextreme Parteien, die ihre Anziehungskraft maßgeblich aus der Hetze gegen Zuwanderung und der Forderung nach strengeren Grenzkontrollen beziehen, inzwischen die stärkste politische Kraft. Aus Angst, gegenüber der erstarkenden extremen Rechten weiter an Boden zu verlieren, sehen sich sogar Mitte-links-Regierungen wie die britische Labour Party gezwungen, zu einer restriktiveren Zuwanderungspolitik überzugehen.
Viele Befürworter von Zuwanderung nehmen für sich in Anspruch, sowohl die Faktenlage als auch die moralischen Argumente auf ihrer Seite zu haben. Zuwanderung sei kein Nullsummenspiel: Mehr Zuwanderung könne die lokale und die nationale Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig das Leben von Menschen, die würdigere Lebensbedingungen suchen, zum Besseren wenden. Zuwanderungsfeindlichkeit sei das Resultat rassistischer Vorurteile oder von Falschinformationen. Sie kritisieren die demagogischen Versuche, schutzbedürftige Zuwanderinnen und Zuwanderer zum Sündenbock für wirtschaftliche und soziale Probleme zu machen. Vorurteile und Unwissenheit haben zwar einen gewissen Einfluss auf die Herausbildung von Einstellungen – und Spitzenpolitiker prägen die öffentliche Meinung stark mit. Gleichwohl haben viele Bürgerinnen und Bürger angesichts der Migration jedoch berechtigte Sorgen, die nicht einfach ignoriert werden dürfen. Dazu zählen konkrete Bedenken, ob der Staat die öffentliche Ordnung wahren, ob er auf dem Arbeitsmarkt einen fairen Wettbewerb sicherstellen und ob er dafür sorgen kann, dass der Wohnungsmarkt und die öffentliche Daseinsvorsorge nicht an ihre Belastungsgrenzen stoßen.
Diese Befürchtungen sind jedoch keine Rechtfertigung für eine rigide und inhumane Einwanderungspolitik. Die Suche nach einer tragfähigen politischen Lösung muss mit der Analyse der Ursachen beginnen, die der zuwanderungsfeindlichen Haltung der Öffentlichkeit zugrunde liegen. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist der unkontrollierte Zustrom von Menschen in ihr Land zutiefst beunruhigend – und das resultiert nicht aus Politikversagen oder mangelnder Kommunikation. Solange die politisch Verantwortlichen keine zielgerichtetere Zuwanderungspolitik in die Wege leiten, die sich eindeutig von der Frage leiten lässt, wie Zuwanderinnen und Zuwanderer für die Wirtschaft von Vorteil sein können, werden migrationsfeindliche Einstellungen zunehmen und entsprechende Parteien weiteren Zulauf gewinnen.
Die meisten Fachleute sind der Meinung, dass Regierungen in Einwanderungsfragen stärker auf die Wählerschaft eingehen sollten. Die Regierungen verstehen jedoch oft nicht, was die Bevölkerung eigentlich will. Eine gängige Antwort auf zuwanderungsfeindliche Reaktionen ist die Festlegung zahlenmäßiger Obergrenzen, mit denen zum Beispiel Großbritannien die „Nettozuwanderung“ senken will. Dahinter steht die Tendenz, Zuwanderung als bloßes Zahlenspiel zu begreifen. Wenn Regierungsparteien schlicht davon ausgehen, dass die Bevölkerung weniger Zuwanderung will, setzen sie auf eine Politik, die Zuwanderung pauschal beschränkt. Studien belegen jedoch, dass Mainstream-Politiker selbst dann, wenn sie Hardliner-Positionen vertreten und die Zahl der Neuzuwanderer begrenzen wollen, eine unzufriedene Wählerschaft nicht für sich gewinnen können.
Tatsächlich interessieren sich nur wenige Menschen für abstrakte Zuwanderungszahlen.
Tatsächlich interessieren sich nur wenige Menschen für abstrakte Zuwanderungszahlen. Studien zufolge besteht kein Zusammenhang zwischen dem Widerstand gegen Immigration und den realen Zuwandererzahlen. Selbst in weltoffenen Städten löst schon eine geringe Zuwanderung heftige Kontroversen aus – wie zum Beispiel 2022 das Eintreffen von Zehntausenden Asylsuchenden in New York. Weitaus größere Migrationsereignisse dagegen – wie etwa die Aufnahme von Millionen Menschen aus der Ukraine durch die Europäische Union im Jahr 2022 nach der russischen Invasion oder die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus Osteuropa durch Israel nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – stießen auf deutlich weniger Widerstand. Dass die Einstellung der Bevölkerung zur Immigration mit dem tatsächlichen Umfang der Zuwanderung nicht unmittelbar korreliert, erklärt auch, warum Menschen in Regionen mit vergleichsweise wenigen Einwanderern strikt gegen Zuwanderung sind, wenn dieses Thema auf nationaler Ebene zum zentralen Diskussionsthema wird.
In wohlhabenden Demokratien hat die überwältigende Mehrheit der Wählerschaft keine besonders feste Meinung zur Zuwanderung im Allgemeinen. Nur 10 bis 20 Prozent sprechen sich entweder für eine vollständige Schließung der Grenzen oder für deren völlige Öffnung aus. Für alle anderen hängt die Einstellung zur Zuwanderung von der konkreten Ausgestaltung der Zuwanderungspolitik ab – und davon, ob sie überzeugt sind, dass die Neuankömmlinge dem Land einen Nutzen bringen. Wenn neu Zugewanderte als Bereicherung für die eigene Gemeinde und das ganze Land wahrgenommen werden, wächst die Bereitschaft, Zuwanderung zu unterstützen und einer restriktiven Migrationspolitik eine Absage zu erteilen.
Mit anderen Worten: Zuwanderung wird nicht danach bewertet, ob sie die Menschen unmittelbar betrifft, sondern danach, welchen Einfluss sie auf die Gesellschaft hat. In meiner Forschungsarbeit bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bevölkerung in Großbritannien Zuwanderung ablehnt, wenn sie der Ansicht ist, dass sie den eigenen Landsleuten schadet. Sieht sie Zuwanderung hingegen – bezogen auf das ganze Land – als Gewinn, ist sie bereit, Neuzuwanderer zu akzeptieren. Daten aus anderen Ländern lassen ein ähnliches Muster erkennen: Befragte, denen wirtschaftsfördernde Maßnahmen wie die Anwerbung von Zuwanderern zur Deckung des Arbeitskräftemangels präsentiert wurden, zeigen eine größere Bereitschaft, diese Maßnahmen zu unterstützen. In den Vereinigten Staaten befürwortet eine große Mehrheit – darunter auch viele Trump-Anhänger, die ansonsten dessen harte Einwanderungspolitik nachdrücklich begrüßen – die Anwerbung neuer hochqualifizierter Fachkräfte, die dazu beitragen sollen, den technologischen Vorsprung des Landes zu sichern.
Die mangelnde Kohärenz der aktuellen US-Zuwanderungspolitik ruft großes Misstrauen und Widerstand gegenüber Zuwanderern hervor. Das Problem liegt nicht allein in einer wenig überzeugenden Rhetorik. Das Zuwanderungssystem ist derart undurchsichtig und schlecht verwaltet, dass nur wenige Menschen glauben, die Zuwanderung könne dem Land zu mehr Wohlstand verhelfen. Der Kongress steckt in einer niemals endenden Dauerschleife fest: Immer wieder versucht er, eine umfassende parteiübergreifende Lösung zu finden, die einen Kompromiss zwischen den Wegen zur Staatsbürgerschaft und der Grenzsicherung schafft –, aber keine dieser Initiativen stellt am Ende alle zufrieden. Das gesamte System ist inzwischen so funktionsunfähig und die Debatte über Zuwanderung derart vergiftet, dass es für viele schwer vorstellbar ist, Zuwanderung könnte überhaupt im öffentlichen Interesse der Vereinigten Staaten liegen.
In einer idealen Welt würden die Bürgerinnen und Bürger die tatsächlichen Vorzüge einer Zuwanderungspolitik für die Gesellschaft realistisch einschätzen. Oder eine charismatische Politikerin, ein charismatischer Politiker könnte sie mit rhetorischem Geschick und überzeugenden Fakten zur Unterstützung einer Zuwanderungspolitik bewegen, deren Vorteile die gesellschaftlichen Kosten überwiegen. Doch leider ist Politik niemals so einfach. Dennoch können besser konzipierte politische Maßnahmen dazu beitragen, mehr Zuspruch für Zuwanderung zu erzeugen.
Beispiele aus verschiedenen wohlhabenden Demokratien deuten darauf hin, dass zuwanderungspolitische Maßnahmen, die vorrangig auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Aufnahmelandes ausgerichtet sind, eher Zustimmung finden als Maßnahmen, die humanitären Erwägungen folgen. In Schweden zum Beispiel ist der wachsende Zulauf zu rechtsextremen Migrationsgegnern eine Reaktion auf die jüngsten Zuwanderungswellen. In den vergangenen Jahrzehnten nahm Schweden Hunderttausende Geflüchtete und ihre Angehörigen auf – ohne deren Einkommen oder Qualifikationen zu berücksichtigen. Im Rahmen seines langjährigen Engagements für Asyl und Gleichberechtigung gewährt Schweden Neuankömmlingen großzügige Unterstützung. Bis ins Jahr 2000 wurde Arbeitsmigration in den Einwanderungsstatistiken des Landes nicht einmal als eigene Kategorie erfasst.
In einer idealen Welt würden die Bürgerinnen und Bürger die tatsächlichen Vorzüge einer Zuwanderungspolitik für die Gesellschaft realistisch einschätzen.
Die unbequeme Wahrheit ist, dass im Ausland geborene und nach Schweden zugewanderte Personen, die in vielen Fällen als Asylsuchende ins Land kamen, im Durchschnitt weniger Steuern zahlen, als der Staat für ihre Unterstützung aufwendet. Dieser Neu-Zuzug schürt soziale Spannungen und Sorgen angesichts der wachsenden Belastung des Sozialstaats. Durch medienwirksame Gewalttaten entwickelten sich Zuwandererviertel zu nationalen Brennpunkten, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung mit der Meinung verknüpfen, die Integration neuer Zuwanderer in die schwedische Gesellschaft sei gescheitert. Das Gefühl, dass das Einwanderungssystem nicht mehr funktioniert, trägt seit den 2010er Jahren maßgeblich zum Aufstieg der rechtsextremen Schwedendemokraten bei.
Ökonomen führen ins Feld, dass auch die Aufnahme gering qualifizierter Zugewanderter in der Regel positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum habe und der Gesellschaft insgesamt zugutekomme. Zuwanderer können wichtige Arbeitsplätze besetzen und bewirken, dass einheimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in besser bezahlte Positionen aufrücken. Sie können dazu beitragen, strukturschwache Gemeinden in ländlichen oder postindustriellen Regionen wiederzubeleben. Doch die meisten Wählerinnen und Wähler nehmen diese Vorteile nicht wahr, weil sie – sofern vorhanden – sich breit verteilen und sich erst nach vielen Jahren bemerkbar machen.
Kanada hat im Gegensatz dazu ein System etabliert, das zwar eine große Zahl an Zuwanderern aufnimmt, dabei aber selektiv vorgeht. Um benötigte Arbeitskräfte anzuwerben, arbeitet die kanadische Regierung mit einem Punktesystem, das Menschen mit seltenen oder gefragten Qualifikationen Vorrang einräumt. Zuwanderer werden vor allem danach ausgewählt, welchen Beitrag sie in absehbarer Zeit für die Gesellschaft leisten können. Das Verfahren basiert auf transparenten Kriterien wie Bildungsgrad oder regionalem Arbeitskräftebedarf und somit auf Faktoren, die für einen Großteil der kanadischen Bevölkerung nachvollziehbar sind.
Diese Politik ist auffallend erfolgreich. Kanada verzeichnet eine der höchsten Zuwanderungsraten pro Kopf weltweit. Zwar äußerten einige Bürgerinnen und Bürger lautstarke Bedenken über die angespannte Wohnraumsituation und den Missbrauch von Studierendenvisa, doch die kanadische Regierung reagierte zügig mit strengeren Zuwanderungskontrollen und passte die Zulassungsbedingungen an. Damit sollte das Vertrauen der Bevölkerung gewahrt werden, die mehrheitlich nach wie vor davon überzeugt ist, dass das kanadische Zuwanderungssystem dem Land nützt. Infolgedessen haben zuwanderungsfeindliche Demagogen in der nationalen Politik kaum eine Chance, Fuß zu fassen.
Dass nach einem Punktesystem entschieden wird, wer einwandern darf oder wo Arbeitskräfte benötigt werden, mag angesichts der zutiefst menschlichen Beweggründe für grenzüberschreitende Migrationsbewegungen hartherzig und gefühllos erscheinen. Doch eine solche Politik ist der einzig gangbare Weg zu einem offeneren Zuwanderungssystem. Wie meine Untersuchungen zeigen, ist es bislang noch keinem demokratischen Land gelungen, die weit verbreiteten Bedenken gegenüber Zuwanderung auszuräumen, wenn es nicht streng auswählt, wen es aufnimmt. Ländervergleiche belegen zudem: Staaten mit einer selektiveren Einwanderungspolitik – wie Kanada – nehmen insgesamt mehr Zuwanderer verschiedenster Kategorien auf. Kanadas Erfahrung zeigt also, dass eine Zuwanderungspolitik, die nachweislich auf nationale Bedürfnisse abgestimmt ist, in der Bevölkerung eine Akzeptanz schafft, die sich später auf noch stärker schutzbedürftige Immigranten ausweiten kann – auch auf Geflüchtete.
Ein Punktesystem, das nur die „Besten und Klügsten“ ins Land lässt, ist nur eine von vielen möglichen Maßnahmen, mit denen gesellschaftliche Akzeptanz für Zuwanderung erreicht werden kann. Jede Maßnahme, die vorrangig auf das Lösen klar erkennbarer nationaler Probleme abzielt und gleichzeitig das Signal aussendet, dass die Bevölkerungsströme gesteuert werden, dürfte die öffentliche Haltung zur Zuwanderung positiv beeinflussen. Umgekehrt führen Maßnahmen, die ausdrücklich die Interessen der eigenen Bevölkerung außer Acht lassen, eher zu Abwehrreaktionen, Ressentiments und Populismus. Eine Zuwanderungspolitik, die den Arbeitskräftemangel beheben, strukturschwache Regionen wiederbeleben oder die Familienzusammenführung mit unmittelbaren Angehörigen erleichtern will, hat das Potenzial, Zustimmung in der Bevölkerung zu gewinnen.
Es wird immer einige Politikerinnen und Politiker geben, die es darauf absehen, Ängste vor Zuwanderung zu instrumentalisieren, Probleme zu dramatisieren und Fehlinformationen zu verbreiten. In Schweden gelingt dies jedoch leichter als in Kanada – nicht weil die kanadische Bevölkerung grundsätzlich toleranter wäre oder ihre Führungsspitze die perfekte Kommunikationsstrategie zur Beeinflussung der Öffentlichkeit gefunden hätte. Vielmehr erkennt die Wählerschaft, dass die kanadische Zuwanderungspolitik funktioniert. Je mehr demokratische Regierungen die Sorgen der Allgemeinheit ernst nehmen und je überzeugender sie ihre Zuwanderungspolitik so gestalten, dass sie der Gesellschaft in klar nachvollziehbarer Weise zugutekommen, desto weniger Raum bleibt für fremdenfeindliche Populisten, die für sich reklamieren, nur sie allein hätten das Wohl des Landes im Blick.
Verantwortungsbewusste demokratische Regierungen, die Zuwanderung politisch tragfähig gestalten wollen, müssen kompromissbereit sein.
Verantwortungsbewusste demokratische Regierungen, die Zuwanderung politisch tragfähig gestalten wollen, müssen kompromissbereit sein. Allzu oft werden Zuwanderungsdebatten in starren Gegensätzen ausgetragen – offen versus geschlossen, pro versus contra Zuwanderung, nationalistisch versus kosmopolitisch. Doch die entscheidende Frage lautet, welche Art von Zuwanderungspolitik ein Land betreibt. Arbeitsorientierte Maßnahmen stoßen in der Regel auf breitere Zustimmung als humanitäre Ansätze. Schweden hat diesen Weg inzwischen eingeschlagen und selektivere Einwanderungskriterien eingeführt. Deutschland wiederum ließ sich vom kanadischen Modell inspirieren und hat ein eigenes Punktesystem für Zuwanderer etabliert. 2024 stellte die Bundesrepublik zehn Prozent mehr Visa für Fachkräfte aus als im Jahr zuvor.
Die Einführung von Punktesystemen allein wird jedoch nicht alle Probleme lösen. Der Erfolg solcher Systeme hängt entscheidend von ihrer Ausgestaltung ab. Viele sogenannte leistungsorientierte Modelle – einige davon haben die Republikaner in den vergangenen zehn Jahren in den US-Senat eingebracht – werden ihren Zweck verfehlen, wenn sie in erster Linie darauf abzielen, neue Möglichkeiten zur Verringerung des Gesamtzuzugs zu finden. Was hingegen die öffentliche Zustimmung stärkt, ist eine Zuwanderungspolitik, die sich klar am Arbeitskräftebedarf orientiert, die Neuankömmlingen sofortige Arbeitserlaubnisse erteilt und die die Vorteile der Einwanderung offensiv so kommuniziert, dass sie für die Bevölkerung nachvollziehbar sind.
Avancierte Demokratien könnten ihre Zuwanderungspolitik gezielt an nachweisbaren regionalen Bedürfnissen ausrichten. So könnten US-Bundesstaaten Visa für Arbeitskräfte ausstellen, die mit ihren Qualifikationen akute Engpässe auf dem Arbeitsmarkt beheben – etwa examinierte Pflegekräfte für unterbesetzte Krankenhäuser in Michigan oder Altenpflegerinnen und Altenpfleger in Minnesota. Besonders wirksam sind solche Maßnahmen, wenn die Visa zwischen zugelassenen lokalen Arbeitgebern übertragbar sind und die Politik ein Verfahren vorsieht, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach einer bestimmten Beschäftigungsdauer den Übergang zu einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht. Mögliche Vorbilder, an denen politische Entscheidungsträger in den Vereinigten Staaten sich orientieren können, sind das kanadische Provincial Nominee Program und das australische Regional Visa Program.
Ebenso können Regierungen bilaterale Beschäftigungspartnerschaften schließen, um Visa oder dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen für Arbeitskräfte aus bestimmten Ländern mit gefragten Qualifikationen zu beschleunigen. Solche Vereinbarungen könnten für Sektoren mit nationalem Fachkräftemangel gelten wie Altenpflege, Bauwesen, Ingenieurwesen oder Künstliche Intelligenz. Australien und Südkorea haben bereits wirksame regionale Programme etabliert, die Arbeitskräfte aus anderen Ländern vorbereiten und ausbilden, um sie anschließend an geprüfte Stellen mit garantierten Mindestlöhnen zu vermitteln.
Solche gezielten, eng gefassten zuwanderungspolitischen Maßnahmen können den Bürgerinnen und Bürgern vor Augen führen, welchen konkreten Nutzen Zuwanderung für ihr Land hat. Sie folgen der gleichen Logik wie zweckgebundene Steuern: Die Bevölkerung ist häufig bereit, Steuererhöhungen zu akzeptieren, wenn sie genau weiß, wofür ihre Steuergelder verwendet werden. Dem entspricht, dass sie nicht zwangsläufig weniger Zuwanderung will, sondern eine Zuwanderung mit für sie klar erkennbaren Vorteilen. Wenn Bürgerinnen und Bürger sehen, dass Zuwanderungspolitik funktioniert – dass sie Ärzte und Ärztinnen in unterbesetzte Krankenhäuser bringt, dass sie Unternehmer ins Land holt, die Arbeitsplätze schaffen, oder Pflegekräfte, die die alternde Bevölkerung unterstützen –, dann erkennen sie auch den Gewinn für ihre eigenen Gemeinwesen.
Dass eine gezielte und sinnvoll gesteuerte Einwanderungspolitik populärer ist als rein humanitäre Ansätze, schließt die Hilfe für Menschen in Not keineswegs aus. Doch auch Maßnahmen zur Unterstützung von Geflüchteten und Vertriebenen sollten ihren gesellschaftlichen Nutzen unter Beweis stellen, damit es nicht zu Gegenreaktionen kommt. Regierungen können eher auf die Zustimmung der Allgemeinheit bauen, wenn sie Zuwanderungsbestimmungen konsequent durchsetzen, anerkannten Geflüchteten rasch das Recht auf Arbeit gewähren, sie auf offene Stellen vermitteln und sowohl die Kommunen als auch private Unternehmen stärker in die Förderung von Neuankömmlingen einbinden. Wenn gewillte Bürgerinnen und Bürger sowie Arbeitgeber sich die Kosten teilen, können auch alle von der Zuwanderung gemeinsam profitieren – die politische Führung, die Beschäftigten und nicht zuletzt die Asylsuchenden selbst.
© Foreign Affairs
Aus dem Englischen von Christine Hardung