Acht Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise sind viele Herausforderungen weiterhin ungelöst. Banken besitzen zu wenig Eigenkapital, um ihre Risiken im Falle einer Krise aufzufangen. Einigen Instituten macht es sogar zu schaffen, die in der EU ab 2018 verbindliche leverage ratio von voraussichtlich drei Prozent ihrer Bilanzsumme einzuhalten, die eine Verschuldung der Institute auf das 33-fache ihres Kapitals begrenzen soll (Maximale Verschuldungsquote). Großbanken sind weiterhin zu groß und zu vernetzt – too big to fail –, um im Krisenfall abgewickelt zu werden. Gleichzeitig fließen gerade bei diesen Großbanken besonders viele Mittel in Geschäfte innerhalb des Finanzsektors – oft mit entsprechend höheren Risiken. Dabei sollte die Versorgung der Realwirtschaft mit Krediten die Kernaufgabe der Banken darstellen.

Ein Grund für diese verfahrene Lage liegt in den Reformen selbst. International wurden zwar viele Maßnahmen ergriffen, um die Krisenresistenz von Finanzmarktakteuren zu erhöhen: Dank Basel III-Regelungen und den Empfehlungen des Financial Stability Boards sind Banken weltweit mit höheren Anforderungen an ihr Eigenkapital und ihr Risikomanagement konfrontiert. Innerhalb Europas wurde zeitgleich die Bankenunion ins Leben gerufen. Diese neue europäische Aufsichtsstruktur bildet das Kernelement, um die internationalen Regeln umzusetzen und ergänzende europäische Maßnahmen zu entwickeln.

Ungeachtet dieser anhaltenden Dynamik lassen die bisherigen Reformen – sowohl international wie in der EU – den großen Wurf in der Finanzmarktregulierung vermissen. Vor allem die Risiken der Großbanken für die Gesellschaft sind trotz der Bankenunion weiterhin kaum zu überblicken, geschweige denn zu beherrschen.

 

Der einheitliche europäische Aufsichtsmechanismus

Im einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (kurz: SSM) beaufsichtigt die Europäische Zentralbank (EZB) gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden seit November 2014 die 120 größten („signifikanten“) Bankengruppen der Eurozone, die zusammen rund 85 Prozent der Bilanzsummen des Bankensektors stellen. Der SSM bietet großes Potential, einheitliche Standards der Aufsicht zu etablieren, nationale Interessen zu überwinden sowie institutsspezifische und systemische Risiken besser zu verstehen. Diese Fortschritte in der Bankenaufsicht sind natürlich zu begrüßen.

Viele Risiken der Banken sind jedoch weiterhin vorhanden und mit zu wenig Eigenkapital unterlegt. Die in Basel III verankerte und im SSM umgesetzte Eigenkapitalquote liegt bei lediglich acht Prozent. Da Banken bestimmte Risiken jedoch weiterhin mit weniger – im Fall von Staatsanleihen sogar mit keinem – Eigenkapital unterlegen müssen, fällt das Eigenkapital gemessen an der Bilanzsumme der Banken weit hinter diese acht Prozent zurück. Einige Großbanken (u. a. die Deutsche Bank und BNP Paribas) stellen bei Investitionen von 100 Euro derzeit weniger als vier Euro Eigenkapital. Sie liegen somit nur leicht oberhalb der maximalen Verschuldungsquote von drei Prozent. Die direkte Folge ist, dass gerade den Banken, die eine besonders große Gefahr für die wirtschaftliche und soziale Stabilität der EU darstellen, schon bei kleineren Krisen das Kapital fehlt, um Verluste aus eigener Kraft zu kompensieren.

Gleichzeitig entziehen sich enorme Risiken fast gänzlich der staatlichen Regulierung, indem risikoreiche Geschäfte zu Hedge- und Geldmarktfonds des sogenannten Schattenbanksektors abwandern. Die kürzlich vom EU-Parlament beschlossenen Regulierungsmaßnahmen werden den enormen systemischen Risiken der Schattenbanken für Wirtschaft und Gesellschaft nicht gerecht und fallen sogar hinter die Empfehlungen des globalen Finanzstabilitätsrats zurück.

 

Der einheitliche Abwicklungsmechanismus

Die zweite Säule der Bankenunion, der einheitliche Abwicklungsmechanismus (SRM), dürfte auf Grundlage der gesetzlich geforderten rechtlich-organisatorischen „Entflechtung“ die Abwicklung kleinerer Institute zwar erleichtern. Genau jene Institute jedoch, von denen aufgrund ihrer Größe und internationalen Verflechtung eine systemische Gefahr ausgeht, sind weiterhin too big to fail. Die Bilanzsummen der Megabanken sind zum Teil sogar noch größer als vor der globalen Finanzmarktkrise. Selbst für den notwendigen Übergangsbetrieb für die Abwicklung einer einzelnen Großbank würde die geplante Kapazität des Europäischen Abwicklungsfonds nicht ausreichen (SRF; 55 Mrd. Euro ab 2024). Auch sind die Institute zu stark mit anderen Banken, Versicherungen und anderen Finanzmarktakteuren verflochten, um diese an den Kosten einer Abwicklung zu beteiligen, ohne ihre Existenz zu gefährden und somit Ansteckungseffekte zu riskieren. Der gesetzlich verankerte Bail-in dürfte sich im Ernstfall als zahnloser Tiger herausstellen.

Auch die derzeitigen EU-Pläne zum Trennbankensystem therapieren an diesem Problem der zu großen Vernetzung vorbei: Selbst wenn das Investmentbanking rechtlich-organisatorisch vom Kundengeschäft getrennt wird, bleiben die Risiken einer Abwicklung aufgrund der hohen Vernetzung mit anderen Finanzmarktakteuren schwer zu kontrollieren. Die starke Vernetzung der Investmentbank Lehman Brothers, die Hypothekenkredite in großem Umfang an klassische Geschäftsbanken verkauft hatte, ist ein illustratives Beispiel für diese Gefahr der hohen Vernetzung. In Zukunft wird der Staat also weiterhin für die Verluste einzelner Großbanken gerade stehen müssen, wenn diese in Schieflage geraten.

 

Zurück zu einem nachhaltig stabilen Banksektor

Insgesamt verliert sich der Reformeifer der vergangenen Jahre in inkrementellen Anpassungen. Die in der Krise zu Tage getretenen Probleme wurden weder international noch in der EU hinreichend adressiert. Derzeit scheint es im Rahmen der geplanten Kapitalmarktunion sogar zu einer Renaissance komplexer Derivate zu kommen – einem der Haupttreiber der Finanzmarktkrise.

Abhilfe würde nur ein international koordinierter Paradigmenwechsel in der Finanzmarktregulierung schaffen, der durch die EU vorangetrieben werden sollte. Zentraler Eckpfeiler dieses Paradigmenwechsels sollte es sein, die Tätigkeiten der Banken wieder stärker auf ihre Kernaufgabe zu konzentrieren: die Versorgung der Realwirtschaft mit Krediten. Dabei sollten klare Anreize gesetzt werden, risikoreiche Geschäfte ohne Bezug zur Realwirtschaft zu reduzieren. Die weitreichende Besteuerung besonders risikoreicher Finanzmarktgeschäfte und -produkte böte eine vielversprechende Option, die in Form der seit geraumer Zeit diskutierten Finanztransaktionssteuer zeitnah umgesetzt werden könnte.

Zeitgleich sollten die kombinierten Anforderungen an den maximalen Verschuldungsgrad sowie die Eigenmittel von Banken substantiell angehoben werden. Mittelfristig könnte die Politik drei- bis viermal höhere Quoten anvisieren als bisher. Bei der Berechnung des Eigenkapitals müssten natürlich alle Anlagen entsprechend ihrer Risiken adäquat berücksichtigt werden. Diese steigenden Kapitalanforderungen dürften die Kernfunktionen der Banken bei entsprechenden Übergangsfristen nicht gefährden. Gleichzeitig wären die Kapitalisierungskosten für die Banken aufgrund ihrer sinkenden Risiken überschaubar. Alle Maßnahmen müssten natürlich gleichermaßen auf alle Marktteilnehmer – also auch Schattenbanken – angewendet werden.

Sobald mit diesen „einfachen“ und zeitgleich weitreichenden Maßnahmen ein nachhaltig stabiler Bankensektor etabliert wurde, könnte man Banken an anderer Stelle von den Lasten der derzeit hochkomplexen und kleinteiligen Regulierung befreien. Da die Institute in Zukunft die Kosten ihrer eigenen Fehlentscheidungen tragen würden, könnte sich die Aufsicht aus vielen Detailfragen, z. B. zum Geschäftsmodell eines Instituts, zurückziehen. Das senkt Regulierungsrisiken für Banken und eröffnet ihnen mehr Eigenverantwortung bei der Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Kernaufgaben.