Die europäische Wirtschaft hat sich noch nicht erholt. In Griechenland ist mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen arbeitslos, die Schuldenstände sind historisch gesehen schon längst durch die Decke geschossen und eine klaffende Investitionslücke trübt die Aussichten für die Zukunft.

Die aktuelle Misere ist die Folge einer langen Entwicklung: Vor dem Ausbruch der Krise hat Europa es von hohen Wachstumsraten geblendet versäumt, in nachhaltige Bereiche zu investieren. Stattdessen kam es zu Fehlallokation auf den Finanzmärkten und Blasenbildung in Bereichen wie der Immobilienbranche. Nach Ausbruch der Finanzkrise hat der geringe fiskalische Spielraum dann sogar zu Kürzungen in vielen wichtigen Zukunftsfeldern wie Forschung und Entwicklung, Infrastruktur und Bildung geführt. Im Ergebnis liegt die Investitionsquote heute 15 Prozent unter dem Niveau von 2007 – ein Missverhältnis, das sich nachteilig auf die wirtschaftliche Erholung auswirkt.

Schon heute ist einer von vier Europäern von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Die Auswirkungen sind besonders im Süden Europas zu spüren. Die im Prozess der Europäischen Integration erreichte wirtschaftliche und soziale Konvergenz des Kontinents ist de facto aufgehoben. Tatsächlich ist ganz Europa von einer lang anhaltenden Phase ökonomischer Stagnation, hoher Arbeitslosigkeit und geringer Wettbewerbsfähigkeit bedroht.

 

Das Versagen der bisherigen Ansätze

Die bisherige Krisenpolitik hat ganz offensichtlich versagt. Nicht nur konnte sie die Folgen der Finanzkrise nicht bewältigen, sie hat darüber hinaus zu einem Vertrauensverlust in die Politik und in Europa insgesamt geführt. Populistische Parteien und Bewegungen aller Couleur sind im Auftrieb. Europa bangt vor Agitatoren mit Namen wie Farage oder Le Pen. Ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik ist deshalb nicht nur die folgerichtige Konsequenz aufgrund ökonomischer Messdaten, sondern auch eine politische Notwendigkeit.

Die bisherigen Versuche den wirtschaftlichen Aufschwung herbei zu führen sind gescheitert. In der Lebenswirklichkeit der Menschen ist wenig angekommen. Was wir brauchen ist also kein Duplikat der Vorgänger des Juncker-Plans, sondern eine Ergänzung der bisherigen EU-Werkzeuge. Wenn diese Prämisse eingehalten wird, kann der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) eine echte Trendwende einleiten und den Weg zu Wachstum und Beschäftigung ebnen. Der Vorschlag der Kommission könnte zu einem ersten Schritt in die richtige Richtung werden. Damit Europa aber eine echte Chance auf neues Wachstum und Beschäftigung bekommt, braucht es noch mehr.

Ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik ist deshalb nicht nur die folgerichtige Konsequenz aufgrund ökonomischer Messdaten, sondern auch eine politische Notwendigkeit.

Um das Investitionspaket zum Erfolg zu führen, muss sichergestellt werden, dass Projekte gefördert werden, die einen wirklichen Mehrwert für die Menschen in Europa bringen. Wir brauchen intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum – kein Strohfeuer. Bei der Projektauswahl muss deshalb darauf geachtet werden, dass die Anschubfinanzierung durch die EU-Investitionen Folgeinvestitionen aus dem privaten Sektor nach sich zieht. Zugleich geht es um neue Projekte. Bereits finanzierte Projekte können und dürfen nicht Gegenstand des Fonds sein. Mitnahmeeffekte, also Förderung für Investitionsvorhaben, die auch ohne den EFSI realisiert werden, sind unbedingt zu vermeiden. Dabei gilt auch: Eine bloße Um-Etikettierung wird das Europaparlament ebenfalls nicht akzeptieren. Förderung darf es nur dann geben, wenn bisher keine anderen Quellen zur Finanzierung in Betracht gekommen sind. Gemeint sind insbesondere Projekte mit einem hohen Risikoanteil, die einen Kick-off benötigen. Mit diesen wichtigen Kriterien kann sichergestellt werden, dass insbesondere unterfinanzierte Bereiche wie Infrastruktur, Breitband und Energieeffizienz gefördert werden können.

Und natürlich ist zentral: Das Investitionspaket darf nicht auf halber Strecke verhungern. Mitgliedsstaaten müssen befähigt werden, ihren Teil zum Fonds beitragen. Bareinzahlungen in den Juncker-Topf müssen dabei genauso möglich sein wie die Förderung über Investitionsplattformen und nationale Förderbanken. Langfristige Rentabilität muss auch in der Zukunft sichergestellt werden. Dies geschieht durch öffentliche oder private Beteiligung. Lokales Know-How in den Regionen und der Sachverstand des Mittelstands in den verschiedenen Branchen sind dafür die Katalysatoren. Denn es ist offensichtlich, dass nicht in Brüssel oder Luxemburg entschieden werden kann, wo und wie das Geld am effizientesten für Wachstum und Beschäftigung in den Regionen eingesetzt werden kann. Subsidiarität lässt grüßen. Die Einbindung nationaler Förderbanken ist daher unerlässlich.

Die Startfinanzierung zur neuen Investitionsstrategie wird von der Europäischen Investitionsbank und dem EU-Haushalt bereitgestellt. Die Europaabgeordneten fühlen sich deshalb zu Recht für eine effektive und effiziente Verausgabung der Mittel verantwortlich. Es ist selbstverständlich, dass wir Parlamentarier an den grundlegenden Entscheidungen über den neuen Fonds angemessen beteiligt werden. Das gilt sowohl für die strategische Ausrichtung als auch für die Auswahl des entscheidenden Personals. Im Interesse der Bürger Europas muss ein notwendiges Maß an demokratischer Kontrolle und Mitsprache sichergestellt werden.

Wachsende soziale Ungleichheit und Perspektivlosigkeit der jungen Generation in Europa führen dazu, dass der Zusammenhalt in Europa bröckelt. Sollten diese Probleme nicht gelöst werden, wachsen Europamüdigkeit und nationalistische Entgleisungen. Ein Erfolg kann dazu beitragen, das verlorene Vertrauen in die europäische Politik wieder herzustellen. Der Investitionsplan ist eine Chance zur Trendwende.