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Wetterextreme wie Stürme, Überschwemmungen, Dürren haben in den letzten zwanzig Jahren weltweit zugenommen. Die Auswirkungen sind dabei denkbar ungleich verteilt. Es sind vor allem ärmere Staaten im globalen Süden, die von der dieser Zunahme besonders betroffen sind. So verursachte der Tropensturm „Irma" im September 2017 schwere Verwüstungen in der Karibik: Tausende Menschen wurden obdachlos, auf Barbuda wurden gar 95 Prozent der Gebäude zerstört. Auch die finanziellen Schäden solcher Ereignisse wiegen schwer: Die wirtschaftlichen Verluste infolge des Wirbelsturms „Matthew" im Jahr 2016 beliefen sich auf ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts von Haiti – Geld, das dann für Investitionen in Gesundheit, Bildung oder ländliche Entwicklung fehlt. Globalen Klimaprognosen zufolge müssen sich Entwicklungs- und Schwellenländer auch in Zukunft auf vermehrte und verstärkte Extremwetterereignisse einstellen. Sie bedrohen die Existenzgrundlagen ganzer Bevölkerungsgruppen.

Eine mögliche Antwort darauf sind Klimarisikoversicherungen. Sie bieten Entwicklungsländern einen Versicherungsschutz gegen Naturkatastrophen. Ähnlich wie bei einer normalen Versicherung zahlen die Staaten dabei eine jährliche Prämie an eine regionale, privat-öffentliche Versicherungsgesellschaft und erhalten dafür im Katastrophenfall eine vorher festgelegte Auszahlungssumme. Im Unterschied zu einer klassischen Versicherung gibt es dabei jedoch niemanden, der die Kosten der Katastrophe vor Ort begutachtet und beziffert. Stattdessen wird der Schaden von der Versicherung mit Hilfe eines Computermodells anhand von Wetter-und Satellitendaten in Echtzeit hochgerechnet. Zu einer Auszahlung kommt es, wenn ein vorher festgelegter Schwellenwert erreicht wurde. Eine solche Struktur ermöglicht eine schnelle Auszahlung (in der Regel innerhalb von 14 Tagen) und senkt die Verwaltungskosten, was wiederum die jährlichen Prämien günstiger macht. Das Risiko ist, dass die Computermodelle den Schadenswert unter- beziehungsweise überschätzen.

Klimarisikoversicherungen ermöglichen schnelle und garantierte Hilfe. Bisher agieren Entwicklungsländer als Bittsteller. Da sie oft bitterarm sind und nichts auf die Seite legen können, bleibt ihnen bisher nichts anderes übrig, als nach einer Katastrophe die reichen Staaten um Hilfe zu bitten. Die versprechen zumeist viel, zahlen dann umso weniger und verknüpfen die Hilfe an starre Vorgaben, welche unter Umständen an lokalen Bedürfnissen vorbeigehen. Zudem vergehen bis zum Eintreffen der Gelder vielfach Monate. Klimarisikoversicherungen können hier Abhilfe schaffen. Die Staaten können mit den garantierten Geldern wesentlich schneller Nothilfe und Wiederaufbaumaßnahmen einleiten, um die betroffene Bevölkerung zu unterstützen.  

Das Risiko ist, dass die Computermodelle den Schadenswert unter- beziehungsweise überschätzen.

Insofern ist es kein Wunder, dass Klimaaktivsten, NGOs, Versicherer, Entwicklungsbanken und die Bundesregierung begeistert sind. Auf der Weltklimakonferenz in Bonn hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), von Anfang an Unterstützer dieser Instrumente, eine „Globale Partnerschaft zur finanziellen Absicherung gegen Klimarisiken“ gegründet und rund 110 Millionen Euro zum Aufbau solcher Versicherungen bereitgestellt. Weitere Unterstützung kommt von anderen G20-Staaten und Entwicklungsbanken. Klimarisikoversicherungen werden als eine der großen Innovationen im Klimaanpassungsbereich gefeiert.

Doch sind sie wirklich so effektiv wie gern behauptet? Ein genauerer Blick verrät: nein. Klimarisikoversicherungen haben sicherlich einen Platz im Katastrophenmanagement, ihr Nutzen ist aber nicht unzweifelhaft erwiesen und hängt nicht zuletzt von ihrer Ausgestaltung ab.

Auszahlungen folgen zwar zeitnah, ihr Nutzen ist aber nicht belegt

Auch wenn die Gelder erfreulicherweise sehr schnell ausgezahlt werden, heißt das noch lange nicht, dass die Gelder den Staaten auch wirklich helfen.

Zum einen sind die Summen viel zu gering. Die bisherigen Auszahlungen lagen im Bereich zwischen 200 000 und 26 Millionen US-Dollar. So bekam beispielsweise die Insel Dominica nach dem Wirbelsturm „Maria“ im Oktober 2017 wie versprochen innerhalb von 14 Tagen einen Betrag von 19 Millionen US-Dollar von der karibischen Versicherungsgesellschaft CCRIF. Die Gesamtschäden durch den Wirbelsturm belaufen sich jedoch laut Schätzungen der Weltbank allein in Dominica auf rund 1,3 Milliarden US-Dollar und damit in etwa auf 224 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gemessen an den Gesamtschäden sind die 19 Millionen US-Dollar nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Damit kann und konnte nicht mehr geleistet werden als erste Hilfe. Zugegeben: Genau das wollen Klimarisikoversicherungen. In öffentlichen Debatten wird dies aber oft vergessen: Derartige Versicherungen bieten Staaten keinen umfangreichen Versicherungsschutz; sie bieten bestenfalls einen äußerst limitierten Basisschutz. Für umfangreiche Unterstützungs- und Wiederaufbaumaßnahmen sind Entwicklungsländer nach wie vor auf solidarische Hilfe von außen angewiesen. Die Weltbank ist gerade dabei, ein rund 100 Millionen US-Dollar schweres Finanzpaket für Dominica vorzubereiten. Auch das wird nicht reichen. Die Staaten müssen also weiterhin als Bittsteller agieren und auf traditionelle Finanzinstrumente wie Umwidmungen oder Katastrophenfonds setzen.

Zum anderen ist nicht klar, ob bisherige Auszahlungen auch wirklich diejenigen erreicht haben, die sie erreichen sollen. Der Grund: Es fehlt schlichtweg an Evidenzen. Die Hoffnungen, die seitens der G20 und anderen Enthusiasten in Klimarisikoversicherungen gesteckt werden, sind bisher vor allem annahmebasiert. Vertrauen ist sicherlich gut, Kontrolle ist besser. Klar, Klimarisikoversicherungen sind neu und Politiker können nicht immer warten, bis letzte wissenschaftliche Gewissheit herrscht, bevor sie neue Instrumente ausprobieren. Der Auf- und Ausbau von Klimarisikoversicherungen ist jedoch sehr teuer und zeitaufwendig, da außerhalb der OECD de facto kein Versicherungsmarkt existiert. Es fehlt nicht nur an Daten und Regulierungen, sondern auch am grundlegenden Verständnis, was eine Versicherung ist. Der ressourcenintensive und durch Steuergelder finanzierte Aufbau von Klimarisikoversicherungen – zusammengenommen haben G20-Staaten rund 550 Millionen Dollar an Entwicklungsgeldern hierfür bereitgestellt – sollte sich auch lohnen. Dazu braucht es belastbare Evidenzen über die Wirksamkeit.

Eine schnelle Auszahlung allein beschleunigt noch nicht den Wiederaufbau

Auch wenn Staaten mit dem Kauf einer Klimarisikoversicherung eine Art Rechtsanspruch auf eine schnelle Auszahlung haben, garantiert eine rasche Zahlung allein noch keine beschleunigte Durchführung von ersten Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen. Nach wie vor müssen die Regierungen erst einmal zusammentreten und entscheiden, was mit dem Geld passieren soll. Jedes Ministerium hat hier seine eigene Präferenz und will ein Stück vom Kuchen. Dieser Prozess ist legitim, kostet aber unnötig Zeit.

Klimarisikoversicherungen sind kein Allheilmittel. Soziale Katastrophen werden durch sie jedenfalls nicht verhindert.

Damit Hilfe schnell ankommen kann, wo sie ankommen soll, bedarf es institutioneller Strukturen; Strukturen, die regeln, wem wie und mit welcher Summe geholfen werden soll. So könnten sich die Ministerien bereits im Vorfeld auf einen groben Notfallmaßnahmenkatalog einigen, der mit den ersten Geldern bezahlt werden kann und der im Katastrophenfall an lokale Bedürfnisse und Bedingungen angepasst wird. Eine zentrale Behörde – beispielweise der nationale Katastrophenschutz – könnte dabei nach Rücksprache mit der lokalen Behörde die Durchführung der Maßnahmen federführend beschließen und die Freigabe der Gelder veranlassen. Während die African Risk Capacity (ARC) hier mit gutem Beispiel vorangeht – sie verlangt bei Vertragsabschluss von den Staaten ein groben Aktionsplan, der darlegt, was mit dem Geld im Katastrophenfall geschehen soll – hinken die regionalen Versicherungsgesellschaften in der Karibik und im Pazifik (PCRAFI) noch hinterher. Mit anderen Worten: Klimarisikoversicherungen haben vor allem dann einen Mehrwert, wenn sie im nationalen Katastrophenmanagementsystem integriert sind.

Alternativen zu Klimarisikoversicherungen

Sozial- und Klimaanpassungsprogramme können einen ähnlichen – wenn nicht gar kostengünstigeren, besseren und nachhaltigeren – Beitrag zum Katastrophenmanagement als Klimarisikoversicherungen leisten. Ein Programm des sozialen Wohnungsbaus, beispielsweise, kann Menschen davon abhalten, sich in Gefahrenzonen anzusiedeln, und so einen langfristigen Beitrag zur Katastrophenprävention leisten; ein öffentliches Beschäftigungsprogram könnte sich auf die Herstellung von Dämmen und Deichen konzentrieren und so die Konsequenzen von Starkregen und Dürre begrenzen; soziale Transferprogramme, die direkte Auszahlungen in Folge von Extremwetterwarnungen, beispielsweise über Cash-Cards oder Überweisungen per Mobiltelefon ermöglichen, könnten einen Beitrag dazu leisten, die Notversorgung zu gewährleisten und zugleich das Korruptionsrisiko zu mindern.

Klimarisikoversicherungen sind kein Allheilmittel. Soziale Katastrophen werden durch sie jedenfalls nicht verhindert. Um Leben zu retten und Schaden in Zukunft effektiv zu begrenzen, bedarf es viel grundlegenderer Maßnahmen, nämlich massiver Investitionen in die Katastrophenvorsorge sowie eines umfassenden Auf- und Ausbaus sozialer Sicherungssysteme.