Der Druck auf die politischen Entscheidungsträger ist beim Thema CO2-Preis erheblich gestiegen. Dass er kommt, scheint aufgrund der Wucht der gesellschaftlichen Diskussion so sicher wie das Amen in der Kirche. Bei der letzten Tagung des Klimakabinetts vor der Sommerpause wurde deutlich, dass auch in der Bundesregierung parteiübergreifend eine Bereitschaft zur CO2-Bepreisung der Bereiche Verkehr und Gebäude besteht. Dass dabei – wie von vielen kritisiert – nur über das Wie beraten und wenig beschlossen wurde, ist angesichts der Komplexität des Themas und der zu klärenden Fragen durchaus verständlich: Sind Steuern und Abgaben der richtige Weg oder doch eher ein Zertifikathandel? Wie wirkt ein CO2-Preis auf Steuern und Abgaben? Sollen die Einnahmen pro Kopf rückerstattet werden oder in die Reduzierung der Stromsteuer fließen? Sollte der Anfangspreis bei 30, 40, 60 Euro pro Tonne CO2 oder doch höher liegen?

Unzweifelhaft kann ein CO2-Preis dazu beitragen, eine nachhaltige Lenkungswirkung auf Investitionen und Nutzungsverhalten zu erzielen. Doch wie diese sich konkret auf eine CO2-Minderung auswirkt, scheint noch nicht hinreichend klar. Im Bereich Verkehr und Gebäude haben wir es vielfach mit Gütern zu tun, auf deren Nutzung Preissignale nur sehr verhalten oder zeitlich verzögert Wirkungen entfalten. So werden zum Beispiel Öl- und Gasheizungen häufig weit über 20 Jahre hinweg betrieben. Und als Mieter hat man auf den Neuerwerb oftmals gar keinen Einfluss.

Die Lenkungswirkung aber ist entscheidend für die klimapolitische Bedeutung einer CO2-Bepreisung. Denn ein CO2-Preis wird nur dann wirken, wenn es Alternativen für die Bürger gibt. Diese Alternativen müssen bezahlbar sein. Ein neues Elektroauto, ein Pendlerticket oder eine moderne Wärmepumpenheizung aber sind für viele Familien eben nicht bezahlbar. Man muss kein Psychologiestudium absolviert haben, um zu wissen, dass Sanktionen ohne die Möglichkeit einer Verhaltensänderung nur eins erzeugen: Ein hohes Maß an Ungerechtigkeitsempfinden. In Zeiten anstehender Landtagswahlen mit womöglich erstarkenden Rechtspopulisten kein gutes Signal.

Wer die CO2-Steuer einführt, muss auch dafür sorgen, dass Alternativen für die Bürgerinnen und Bürger erstens zur Verfügung stehen und zweitens finanziell tragbar sind.

Das heißt, wer A sagt, muss auch B sagen. Wer die CO2-Steuer einführt, muss auch dafür sorgen, dass Alternativen für die Bürgerinnen und Bürger erstens zur Verfügung stehen und zweitens finanziell tragbar sind. Der Staat ist entsprechend bei einer höheren CO2-Bepreisung in der Pflicht, massive Förderprogramme aufzulegen. Er muss für eine ausreichende Finanzierung der für die Energie-, Verkehrs- und Wärmewende notwendigen Infrastruktur sorgen.

Und hier liegt die Crux der gesamten Klimadebatte, die im öffentlichen Raum zu wenig Beachtung findet: Gerechte Klimapolitik bedeutet Industrie- und Investitionspolitik; Investitionspolitik bedeutet Finanzpolitik; und Finanzpolitik bedeutet auch immer Verteilungspolitik. Der zusätzliche Investitionsbedarf bis 2030 für die Finanzierung der Verkehrswende allein wird auf etwa 250 Milliarden Euro geschätzt. Schon das geben die derzeitigen Überschüsse des Bundeshaushalts nicht her. Und damit ist noch nicht über die Milliarden gesprochen, die gleichzeitig in die Wärmewende und die Sanierung des Gebäudebestands fließen müssten.

Die Frage ist also, wer diese Rechnung zahlt. Die Gelbwesten in Frankreich haben Ende letzten Jahres deutlich gemacht: Wir nicht! Insbesondere dann nicht, wenn diejenigen, die Geld haben, nicht zur Kasse gebeten werden. Höhere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften, eine Steuer auf Finanztransaktionen und Gewinne von Digitalkonzernen sowie das Schließen von Steuerschlupflöchern gehören eben auch zu einer klimagerechten Transformation unserer Gesellschaft.

Und selbst das wird nicht ausreichen: Um eine Schuldenfinanzierung der sozial-ökologischen Transformation werden wir angesichts des immensen Investitionsbedarfs nicht herumkommen. Wer von Klimapolitik redet, kann daher über die Aufhebung der schwarzen Null nicht schweigen. Es ist richtig, wenn der Finanzminister sagt, ihm seien bei der Aufstellung des Haushalts und bei der Erhöhung der Investitionen wegen der verfassungsmäßigen Verankerung der Schuldenbremse die Hände gebunden. Aber die von der Politik angelegten Fesseln muss die Politik selbst auch wieder lösen. Nötig ist daher eine politische Debatte darüber, wie wir uns wieder von dieser schwarzen Nullnummer befreien können. Eine Nullnummer, die auch die Zukunft der deutschen Industriebeschäftigten in ohnehin unsicheren Zeiten gefährdet. Ein klimapolitisches Investitionsprogramm muss sichere und gut bezahlte Arbeit fördern. Dann steckt darin sogar die historisch große Chance, Arbeit und Umwelt, Sozial- und Klimapolitik gemeinsam voranzubringen.