Die Frage, wie sehr sich das Videospielen auf das Verständnis von echten Kriegen und Konflikten auswirkt, wirft einen ganzen Strauß methodologisch schwer zu lösender Probleme auf. Vor allem ist zu fragen, wie die Auswirkungen militärischer Videospiele von all den anderen gesellschaftlichen Kräften, Informationen und Medien zu trennen sind, die sich auch mit Kriegen in unserer heutigen Gesellschaft befassen.

Erkenntnisse, hauptsächlich aus der Psychologie, lassen darauf schließen, dass man tatsächlich Medien, wie etwa Videospiele, isolieren und ihren Effekt auf die Spieler messen kann. Im Mittelpunkt dieser sogenannten „aktiven Medienperspektive“ stehen Versuchsreihen, die unter anderem Einstellungen und körperliche Reaktionen messen. Ein Großteil dieser Forschungsarbeiten legt nahe, dass Videospiele die Spieler tatsächlich gegenüber Gewalt abstumpfen lassen und sie zu Kriegsbefürwortern machen.

Die Forscher konnten bei Spielern keine andere Sichtweise zu Militär und Krieg feststellen als bei Nichtspielern.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie, in der die Einstellung zu Militär und Kriegen bei deutschen Probanden untersucht wurde, von denen ein Teil Videospiele spielte und ein Teil nicht, unterstützt diese Sichtweise nicht. Die Forscher konnten auch bei Spielern, die sich vorwiegend und häufig mit militärischen Spielen beschäftigen, keine andere Sichtweise zu Militär und Krieg feststellen. Auch wenn dazu sicherlich sehr viel mehr Forschung von Nöten ist, lässt auch meine eigene Arbeit eher darauf schließen, dass diese Spieler ihre ausgeprägte Kritikfähigkeit bewahren und sich häufig aktiv gegen eine öffentliche Verherrlichung von Krieg aussprechen.

Daher sollte neben einer Debatte darüber, wie Spieler auf militärische Videospiele reagieren, der Fokus auf dem tatsächlichen Inhalt der Spiele liegen. Diese Frage ist komplexer als man erwartet, aber entscheidend für die Erforschung, ob Spiele unser Verständnis von Konflikt und Krieg beeinflussen oder nicht.

Krieg erleben?

Eine Kernfrage ist, inwieweit Spiele ein „authentisches Erleben“ von Krieg bieten. Sowohl das US-Verteidigungsministerium als auch das chinesische Militär waren an der Entwicklung und Produktion „authentischer“ Kriegsvideospiele für Rekrutierungszwecke beteiligt. Im amerikanischen Fall wurde ausführlich über die Ethik einer solchen Beteiligung debattiert, wobei vor allem Bedenken laut wurden, ob es wirklich angemessen sei, dass der Staat sich auch an Minderjährige richtende Spiele finanziert, die Kriegsgräuel sozusagen „stubenrein“ machen. Das US-Militär räumte zwar ausdrücklich ein, dass sich das Videospiel tatsächlich an Minderjährige richte, rechtfertigte sich aber damit, dass das Spiel die dem Militär zugrundeliegenden „positiven Werte“ wie Ethik und Ehrenkodexe fördere.

In vielen dieser Spiele spielt man mit Waffen, die denen von echten Waffenherstellern frappierend ähneln.

Möglichst authentisch zu sein, ist auch bei vielen kommerziellen militärischen Videospielen ein vorherrschender Aspekt. Bei der Entwicklung der gängigsten „Shooter“ wie den Serien „Medal of Honor“, „Battlefield“ und „Call of Duty“ werden dazu ehemalige oder noch im Dienst stehende militärische Berater hinzugezogen. In vielen dieser Spiele spielt man mit Waffen, die denen von echten Waffenherstellern frappierend ähneln. Darüber hinaus griffen die meisten militärischen Videospiele bis vor einiger Zeit noch die Geschichten „realer Konflikte“ auf, spielten in der Gegenwart und ließen den Spieler gegen feindliche Gegner antreten, die der „Achse des Bösen“ des früheren US-Präsidenten George W. Bush entstammten.

In den vergangenen Jahren hat sich jedoch viel geändert. Schauplatz von „Battlefield 1“ (im Oktober 2016 auf den Markt gekommen) ist der Erste Weltkrieg, während die ab 2013 erschienenen Spiele der Serie „Call of Duty“ in der Zukunft spielen. Diese Schwerpunktverlagerung von der Gegenwart sowohl auf Vergangenheit als auch Zukunft ist vielleicht ein Zeichen, dass sich die Entwickler von Videospielen mit der realen Komplexität des Krieges in der heutigen Zeit der Ungewissheit auseinandersetzen. Konflikte wie der in Syrien sind weit weniger eindeutig als die scheinbar klaren Konflikte in der Zeit nach dem 11. September 2001. Wie sollte man in der gegenwärtigen konfliktreichen Zeit einen Schauplatz für ein Videospiel konstruieren, wenn gar nicht klar ist, wer oder was „richtig“ oder „falsch“ ist?

Neben dieser Abkehr von der Darstellung gegenwärtiger Kriege lässt sich auch die Authentizität von militärischen Videospielen grundsätzlich anzweifeln. Diese Spiele zelebrieren häufig komplikationsfreie Konflikte, in denen die Soldaten generell als Helden dargestellt werden, die von den Traumata des Krieges unberührt bleiben. In militärischen Videospielen gibt es keine Erscheinungen wie Posttraumatische Belastungsstörungen. Eine ehrenwerte Ausnahme ist das aus dem deutschen Entwicklungsstudio „Yager Development“ stammende Spiel „Spec Ops: The Line“ (2012), das die Folgen des Krieges für den einzelnen Soldaten klar und deutlich auf den Bildschirm bringt. Insgesamt ist die Authentizität der Darstellungen von virtuellen Kriegen in vielen der heute gängigen militärischen Shooter-Spielen jedoch sehr begrenzt.

Wird ein realistisches Verständnis künftiger Kriege vermittelt?

Alles in allem ist diese Frage kurz und bündig zu verneinen. Militärische Videospiele spiegeln zwar rein zeitlich gesehen eine Zukunft wider, berücksichtigen aber kaum die Kenntnisse über die sich verändernde Kriegsführung.

Einerseits bestätigt die Darstellung des Krieges in militärischen Videospielen den sogenannten „CNN-Effekt“, wobei künftige Kriege als „Feuerwerksfestivals“ dargestellt werden, bei denen immer öfter High-Tech-Waffen wie Drohnen und Exo-Suits im Stil von „Iron Man“ zum Einsatz kommen. Wie Michael Shapiro schon sagte, wird der Krieg den Bürgern immer häufiger als ein Kampf zwischen fernsteuerbaren Techniken präsentiert, wobei auch die Realitäten von Tod und Blutvergießen in die Ferne rücken – genau das spiegelt sich auch in vielen der Videospiel-Darstellungen von zukünftigen Kriegen wider.

In militärischen Videospielen, die sich auf die Zukunft beziehen, ist viel zu finden, das sich erheblich von der Wirklichkeit gegenwärtiger Kriege unterscheidet.

Dennoch ist in militärischen Videospielen, die sich auf die Zukunft beziehen, viel zu finden, das sich erheblich von der Wirklichkeit gegenwärtiger Kriege unterscheidet. Mary Kaldor behauptet, dass sich ein wichtiger Wandel vollzogen hat: weg von den „alten Kriegen“, die von Soldaten für ihre Staaten gefochten werden, hin zu „neuen Kriegen“ zwischen nichtstaatlichen Akteuren. Bei den „neuen Kriegen“ kommt es auch zu immer höheren Zahlen ziviler Opfer. Das wird jedoch in den Darstellungen künftiger Kriege in militärischen Spielen völlig außer Acht gelassen. Auch nichtstaatliche Akteure werden stark militarisiert dargestellt, und der Spieler übernimmt immer noch die Rolle eines Angehörigen einer „stehenden Armee“, wobei die Gefechte in der Regel so dargestellt werden, als würden sie auf der Grundlage militärischer Auseinandersetzungen zwischen staatsähnlichen militärischen Einheiten ausgetragen. Wie schon angedeutet, schrecken die Spieleentwickler noch davor zurück, zivile Opfer darzustellen. In den Spielen tauchen so gut wie nie Ereignisse auf wie die, die sich gerade im syrischen Aleppo abspielen, wo die Zivilbevölkerung in einem Belagerungszustand leben muss und von massiver Gewalt bedroht ist. Eine überaus wichtige Ausnahme ist das Spiel „This War of Mine“ (2014), bei dem der Spieler eine Gruppe von Zivilisten anführt, die in einer vom Krieg gebeutelten Stadt ums Überleben kämpft.

Kritik

Neben den beiden oben positiv herausgestellten Spielen „This War of Mine“ und „Spec Ops: The Line“ sind weitere wichtige Beispiele von kritischen Botschaften in Videospielen zu erwähnen. Ein wenig kontraintuitiv erscheinen vielleicht die Andeutungen in vielen gängigen Spielen, dass undurchsichtige pro-militärische Kräfte im Innersten der US-Regierung möglicherweise Kriegstreiber sind, um die weitere Unterstützung des Militärs durch die Regierung sicherzustellen. Es gibt auch einige wichtige „kritische“ militärische Videospiele wie die Serie „Metal Gear Solid“, in der ein auf Stealth-Elementen basierendes Computerspiel mit Geschichten einhergeht, in denen der Krieg kritisiert wird.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass es in den vergangen Jahren zu wichtigen Neuerungen bei den Darstellungen von Krieg in militärischen Videospielen gekommen ist, in denen sich die Komplexität aktueller Kriege und Konflikte zumindest zu einem gewissen Grad in den Darstellungen auf dem Bildschirm widerspiegelt. Ebenso bieten Videospiele Raum für verschiedene Reaktionen auf den Krieg – von Duldung über Verherrlichung bis hin zu Kritik – was letztlich die Reaktionen von Bürgern auf den „echten Krieg“ widerspiegelt. Daraus lässt sich auf eine Verwischung zwischen dem Realen und dem Virtuellen schließen – eine Hinwendung zu mediengestalteter Darstellung von Krieg (was Jean Baudrillard Simulacra nennt). Der Krieg und seine Darstellung in der Öffentlichkeit haben sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert, wobei militärische Videospiele erheblich zur veränderten Darstellungsweise beigetragen haben.