In den vergangenen Tagen wurden wiederholt Erfolge im Kampf gegen Boko Haram vermeldet. Steht ein militärischer Sieg über die Islamisten bevor?
Zumindest hoffen wir das. Doch es ist schwer zu sagen. Seit neun Monaten steht das kamerunische Militär im Gefecht mit den Terroristen von Boko Haram. Ich spreche von rund 6 000 kamerunischen Soldaten, die sich Boko Haram mutig und heroisch entgegenstellen. Bislang ist kein Zentimeter unseres Landes von Boko Haram besetzt.
Was auffällt ist, dass sich die Art des Konfliktes in den vergangenen Monaten verändert hat. Der Kampf hat sich von einem asymmetrischen Konflikt mit Überraschungsattacken und Geiselnahmen hin zu einem konventionellen Krieg gewandelt. Boko Haram ist immer gefährlicher geworden. Heute verfügt die Bewegung über schwere Waffen und gepanzerte Fahrzeuge. Das hat die Natur der Auseinandersetzung deutlich verändert. Mittlerweile sind 30 000 Menschen ums Leben gekommen, hauptsächlich in Nigeria. Die Grausamkeit hat unglaubliche Ausmaße angenommen.
Wie würden Sie die Reaktion der Region auf die Herausforderung durch Boko Haram beschreiben?
Klar ist, dass wir regional aktiv werden müssen. Der Präsident Kameruns, Paul Biya, hat zu Beginn des Jahres mit Recht darauf hingewiesen, dass auf eine globale Bedrohung nur mit einer globalen Antwort reagiert werden kann. Er verband dies mit einem Appell an die internationale Gemeinschaft, tätig zu werden. Der Präsident des Tschad hat diesen Aufruf positiv beantwortet und Truppen bereitgestellt. Derzeit kämpfen rund 2 000 Soldaten aus dem Tschad in einer bilateralen Koalition Seite an Seite mit den Kräften Kameruns. Parallel dazu haben sich die Staatschefs von Kamerun, Tschad, Nigeria, Niger und Benin im Rahmen des Lake Chad Basin Committees darauf verständigt, eine multinationale Einheit aufzustellen. Dieser Ansatz hat am 30. Januar auch Unterstützung durch den Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union erfahren, der das Mandat dieser Truppe auf zwölf Monate angelegt hat. Der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union hat seine Hausaufgaben gemacht.
Der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union hat seine Hausaufgaben gemacht.
In Jaunde haben sich Anfang Februar militärische Experten der Europäischen Union, der Vereinten Nationen und der sogenannten „P3“ – also der westlichen ständigen Mitglieder – versammelt, um die Einsatzregeln zu erstellen. Jetzt bemühen wir uns um ein Mandat des UN-Sicherheitsrates. Die Afrikanische Union wird dem UN-Sicherheitsrat eine Vorlage für eine Resolution zukommen lassen. Wir hoffen, dass ein solches Mandat auch behilflich sein wird, die benötigte finanzielle und logistische Unterstützung der internationalen Gemeinschaft einzuwerben. Gerade die finanzielle Unterstützung ist zentral.
Die regionale Streitmacht soll rund 8 700 Mann umfassen. Ist das angesichts der Bedrohung ausreichend?
Nun, man darf nicht vergessen, dass es sich hierbei um zusätzliche Streitkräfte handelt. Es geht um eine Aufstockung der bestehenden Kräfte um 8 700 Mann. 8 500 Mann haben wir schon vor Ort im Rahmen der Koalition zwischen Kamerun und dem Tschad.
Immer wieder ist auch Kritik an der nigerianischen Regierung laut geworden. Der Vorwurf lautet, sie tue längst nicht alles, was in ihrer Macht stünde. Wieso fällt es dem „Giganten Afrikas“ so schwer, die Lage unter Kontrolle zu bringen?
Diese Frage sollten Sie meinem nigerianischen Amtskollegen stellen.
Haben Sie ihm diese Frage gestellt?
Hinter verschlossenen Türen, ja.
Und hat Sie seine Antwort überzeugt?
Es war hinter verschlossenen Türen.
Immer wieder hört man auch Stimmen, die dazu aufrufen, nicht nur auf militärische Mittel zu setzen, sondern die sozialen Antworten nicht außer Acht zu lassen. Welche Rolle spielen soziale Faktoren?
Sicher, es geht auch um soziale Faktoren. Aber wir müssen zunächst den Krieg gewinnen. Boko Haram kontrolliert weite Teile Nigerias, vor allem im Nord-Osten. Wir haben es hier mit gewaltsamen Extremismus und unbeschreiblichen Grausamkeiten zu tun.
Wichtig ist auch: die Terroristen haben keinerlei öffentliche Unterstützung. Sie begreifen sich als Vertreter des reinsten Islam. Doch im Fall Boko Haram hat das nichts mit der Kluft zwischen Sunniten und Schiiten zu tun – alle Muslime in Nigeria sind Sunniten. Die Rationale hinter diesen massenhaften Tötungen ist wirklich nur schwer zu verstehen. Die Kämpfer töten um des Tötens willen. Zunächst besteht deshalb die absolute Notwendigkeit, den Krieg zu gewinnen.
Die Fragen stellte Michael Bröning





2 Leserbriefe
ist das Elend, die Perspektivlosigkeit und die Frustration vor allem der Jugend in der Region.
Die militärische Bekämpfung des Terrorismus ist unumgänglich. Jedoch wird auch ein
militärischer Sieg den Terror nicht auf Dauer beenden. Der Sieg wird das Bestehende
manifestieren. Ohne eine positive Veränderung der sozialen Situation werden immer wieder
terroristische Formationen entstehen. Sie sind das Resultat der gegebenen Situation - Anreize
der Moderne, Kultureinfluss des Westens, Luxus und Bereicherung der Eliten gegen extreme
Entwicklungsblockaden sind der Ausgangspunkt für Hass, Radikalisierung und Gewalt. Die
religiöse Begründung ist die legitimatorische Form, nicht die strukturelle Ursache des
Problems.