Es gibt Menschen, die von physischen Schmerzen berichten, wenn sie nur daran denken, dass Donald Trump nächster amerikanischer Präsident werden könnte. Ist das nur Gerede oder können einem nicht genehme politische Situationen echte Bauchschmerzen bereiten?

Grundsätzlich kann jeder Mensch mit Symptomen reagieren. Bereits unangenehme Aussagen können zu körperlichem Unbehagen führen. Den meisten ist nicht bewusst, dass unser Sprachverständnis zunächst ein körperliches ist. Ein Baby lernt die Bedeutung von „halten“ oder „geben“ zunächst einmal über das unmittelbare Tun, also ganz pragmatisch das Anspannen von Muskeln. In der weiteren Entwicklung werden dann durch das Hinzufügen von Vor- und Nach-Silben aus „Körper-Worten“ abstrakte Begriffe, wie Vorhaltung oder Nachhaltigkeit. Der Wortstamm „halt“ ist immer dabei, und damit auch immer eine unbewusste Aktivierung der Skelettmuskulatur. Deshalb können Gespräche uns im wahrsten Sinne des Wortes körperlich belasten.

Eine zweite Reaktionsweise, die unser Körper nutzt, ist das Körpergedächtnis. Haben wir eine „echte“ Krankheit durchlebt, merkt sich das Gehirn die Symptome, indem es die Sinneseindrücke aus dem Körper speichert. Wir denken nicht nur in inneren Bildern und können uns so spontan an Situationen erinnern, sondern können unbewusst auch diese Körper-Erinnerungsspuren einsetzen, etwa als Alarmsignal: Deshalb kann uns die Information über einen Wahlausgang Kopfschmerzen bereiten oder auf den Magen schlagen.

Stress ist nicht nur ein psychologisches Phänomen, sondern hinterlässt körperliche Spuren bis in unsere DNA hinein.

Für viele Europäer passieren in den letzten Jahren überraschende, bisher undenkbare Ereignisse wie die Annektierung der Krim, das Brexit-Referendum oder auch die Terroranschläge in Frankreich. Ab wann qualifiziert sich ein politisches Ereignis als Trauma?

Der Begriff Trauma ist ein psychologisches Konstrukt. Im klinischen Kontext verstehen wir darunter ein Ereignis, das erstens selbst erlebt oder bei einer nahestehenden Person miterlebt werden muss und zweitens so schlimm ist, dass es bei den meisten Menschen eine traumatische Reaktion auslösen könnte: etwa ein Erdbeben oder das unmittelbare Erleben von Kriegshandlungen. Auch gesellschaftliche Veränderungen, die den persönlichen Handlungsspielraum einschränken oder das eigene Leben unmittelbar bedrohen, beispielsweise die aktuelle Situation in der Türkei, können psychische und psychosomatische Symptome verursachen. Das haben uns auch die Anschläge von 9/11 eindrücklich gelehrt: Damals waren nicht nur in New York die mit eingepflanzten Herzschrittmachern registrierten Rhythmusstörungen statistisch nachweisbar deutlich erhöht. Stress ist nicht nur ein psychologisches Phänomen, welches man vielleicht aussitzen könnte, sondern hinterlässt körperliche Spuren bis in unsere DNA hinein.

Angenommen Trump würde zum Präsidenten gewählt. Mit welchen Methoden lässt sich ein solches Ereignis verarbeiten? Schließlich hätte dies das Potenzial, das Vertrauen in ein progressives Weltbild zu zerstören.

In der Menschheitsgeschichte, und wir reden jetzt von mindestens 100 000 Jahren, war die Bewältigung von Belastungen immer eine Aufgabe, der sich der Einzelne stellen musste. Entscheidend ist die Fähigkeit, die richtige Balance zu finden zwischen Aktivität und Ruhe, um unsere Zellschäden zu reparieren und Energien wieder aufzuladen. Das grundlegendste und jedem zugängliche Prinzip ist die entschleunigte Atmung. Meinen Patienten bringe ich „4711“ bei, also 4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden ausatmen und das 11 Minuten lang. Die langsame Atmung ist der gemeinsame Nenner aller Entspannungsverfahren, angefangen beim autogenen Training bis zum Yoga. Auch Kirchengesänge oder Litaneien würden sich hier einreihen lassen. Das ist auch der wichtigste Grund, warum sie in unserer Kulturgeschichte so verankert sind. Der Fehler, den die meisten machen, ist zu kurz entschleunigt zu atmen. Ein paar Atemzüge durchatmen reicht noch nicht, einige Minuten sollten es schon sein.

Im Sitzen oder auch im Stehen einige Minuten hin und her schunkeln.

Die zweite Technik ist das „sich wiegen“. Damit meine ich nicht „sich auf die Waage stellen“, sondern ruhig im Sitzen oder auch im Stehen einige Minuten hin und her zu schunkeln – genau deshalb sind auch Karnevalssitzungen entspannend. Viele machen das auch schon unwillkürlich ganz richtig, jeder kennt es aus seiner Kinderzeit, auch das Schaukeln oder der Schaukelstuhl hat eine knallharte psychophysiologische Grundlage. Also wiegen Sie sich doch einfach einmal 2-3 Minuten in Sicherheit! Sie müssen dabei gar nichts Spezielles denken und werden erleben, dass auch sorgenvolle Gedanken sich einfach in Luft auflösen können. Und dann ist wieder Raum für strukturiertes Denken, und Ihr autonomes Nervensystem wird es Ihnen ebenfalls danken. Wissenschaftlich heißt diese Methode SURE (Short oder somatic universal regulative exercise). Natürlich funktioniert 15 Minuten Spazierengehen genauso, wie jeder weiß, aber manchmal ist das nicht möglich. Wir dürfen uns an dieser Stelle ruhig verdeutlichen, dass unsere Existenz zunächst einmal immer eine körperliche ist, und alle psychischen Faktoren zwar bedeutsam, aber in letzter Konsequenz doch nachrangig sind – wer sich nicht bewegt, hat verloren. Jede Zelle in uns weiß, wenn der Leib nicht mehr funktioniert, nützt auch der beste Gedanke nichts mehr, deshalb ist das körperliche Sich-Beruhigen, also die Balance finden zwischen Sympathikus und Parasympathikus das letztlich Lebensentscheidende. Wenn wir gut mit unserem Körper umgehen, können wir damit auch etwas machen: denken, planen, handeln, auch politisch.

Der dritte Weg sich zu entlasten, und damit wäre dann auch die Psychologie im engeren Sinn im Spiel, ist der Humor: Kabarettisten und Karikaturisten würden dann viel zu tun bekommen. In Entenhausen weiß man schon lange, Donalds Neffen gehören zum Fähnlein Fies-el Schweif! Oder kennen Sie schon den Begriff „Trump-pet“?

Die Fragen stellte Hannes Alpen.