Was bedeutet die Kandidatur von Bernie Sanders für die US-Demokraten? Hat er, in einer Zeit junger, linker Lichtgestalten wie Alexandria Ocasio-Cortez, noch die nötige Strahlkraft?
Die Strahlkraft von Bernie Sanders ist nach wie vor sehr groß. Er hat die amerikanische Politik nachhaltig verändert. Seine Themen sind inzwischen die Leitlinien progressiver Politik in den USA, nur vertritt Bernie Sanders diese nicht mehr allein. 2014 startete der Sozialdemokrat als Außenseiter, nun geht es als einer der Favoriten ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten. Seine Stärke ist, dass er sich nicht als Person inszeniert, sondern Themen und Probleme anspricht, die viele Bürgerinnen und Bürger bewegen. Viele amerikanische Familien können sich trotz Wirtschaftswachstum das ganz normale Leben nicht mehr leisten. Das will er ändern. Er will die mächtigen Interessengruppen in Wirtschaft und Politik zurückdrängen. Damit spricht er auch Wählerinnen und Wähler der Republikaner an und hat gezeigt, dass er die junge Generation mobilisieren kann. Beides sind entscheidende Faktoren, um das Weiße Haus zu erobern. Allerdings wünschen sich die Demokraten eher ein jüngere Frau als Herausforderin von Donald Trump. Daher ist es gut möglich, dass eine starke Mitbewerberin oder ein Mitbewerber am Ende das Rennen machen wird.
Die Demokraten sind inhaltlich nach links gerückt, zahlreiche ihrer Kandidaten fordern wie Sanders sozialpolitische Reformen. Was für ein Wahlkampf erwartet uns mit diesem bislang eher homogenen Kandidatenfeld?
Nach den sehr erfolgreichen Zwischenwahlen im November 2018, bei denen es den Demokraten gelungen ist, das Abgeordnetenhaus mit sehr deutlicher Mehrheit zurückzugewinnen, ist die Partei für die begonnene politischen Auseinandersetzung um das höchste Amt im Staate sehr gut aufgestellt. Die Endzeit der Präsidentschaft von Donald Trump hat begonnen. Die eigentlichen Vorwahlen finden aber erst in einem Jahr statt. Wir werden bis dahin einen äußerst dynamischen Vorwahlkampf erleben. Es gibt bereits eine Reihe starker Kandidatinnen und Kandidaten, weitere werden ihren Hut in den Ring werfen. Bernie Sanders hat dabei die stark mobilisierende Organisation „Unsere Revolution“ hinter sich. Diese Organisation wird aber auch eine andere Kandidatin oder einen Kandidaten im eigentlichen Wahlkampf unterstützen. Die Dynamik des Vorwahlkampfes gibt den Wählerinnen und Wählern der Demokraten die Chance, eine Persönlichkeit auszuwählen, die einem Wahlkampf gegen Donald Trump, gegen sein Geld und seine Unterstützer gewachsen ist und den Sieg in dieser epischen Auseinandersetzung davontragen kann. Denn genau darauf kommt es an, das hat auch Bernie Sanders bei der Eröffnung seiner Kandidatur erklärt.
Wie bewerten Sie den Linksruck bei den Demokraten? Ist das eine kluge Ausrichtung oder eher die Garantie für eine zweite Amtszeit von Donald Trump?
Damit haben die Demokraten letztendlich auf die Bedürfnisse der amerikanischen Gesellschaft und auch der Basis reagiert. Das Thema Gesundheitsfürsorge als Recht und nicht als Privileg spielte schon bei den Zwischenwahlen 2018 eine zentrale Rolle für den Wahlerfolg der Demokraten. Nach dem Wahlsieg Trumps 2016 entwickelte sich eine neue Art und Weise des Engagements. Bis in die kleinsten Gemeinden beteiligen sich mehr und mehr Menschen. Seit Trump mit seinem Nepotismus und einer korrumpierten Regierung die Zügel in der Hand hält, gibt es zigtausende von Menschen, die die Politik von und für Reiche verneinen. Sie wollen den mächtigen Wirtschaftsinteressen etwas entgegenstellen. Sie engagieren sich in lokalen Gruppen, wie der Working Families Party, den Democratic Socialists of America, Gewerkschaften, Einwanderungs- oder Flüchtlingsvereinen, Umweltverbänden und vielen anderen Bewegungen und Gruppierungen. Was die Demokraten für 2020 brauchen, ist eine Kampagne gegen manipulierende Republikaner und Lobbyisten. Eine Kampagne, die gute Jobs, steigende Löhne, angemessene Gesundheitsversorgung, erschwingliche Bildung und ein Ende der Korruption und Vetternwirtschaft à la Trump verspricht. Es wird darauf ankommen, alle zu einen. Bernie Sanders sagt, es gibt nur einen Weg, wie wir 2020 gewinnen können - und zwar zusammen: „Not Me. Us.“
Die Fragen stellte Joanna Itzek.