Der Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die deutschen Massaker an den Nama und Herero im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika  als „Völkermord“ bezeichnet. Hat dies mehr als einen symbolischen Charakter?

Ja, denn hier bereitet ein weiterer deutscher Politiker eine Änderung der offiziellen deutschen Position vor. Vertreter der beiden Regierungen arbeiten offenbar mittlerweile an einer gemeinsamen Erklärung.

Warum erhält das Thema Völkermord an den Nama und Herero gerade jetzt so viel Aufmerksamkeit?

In diesen Tagen jährt sich das Ende des 1. Weltkrieges in Namibia am 9. Juli 1915 und damit das Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia. Der neue namibische Präsident Hage Geingob ist auch stärker als sein Vorgänger Hifikepunye Pohamba an einer Aufarbeitung interessiert. Zudem hat die Anerkennung der Gräueltaten der Türken an den Armeniern als Völkermord durch den deutschen Bundestag dem Thema neue Aufmerksamkeit verschafft.

Bereits 2004 hatte die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an der Gedenkfeier zum 100. Jahrestag der Niederschlagung des Herero-Aufstands in Namibia teilgenommen und das deutsche Massaker an der einheimischen Bevölkerung als „Völkermord“ bezeichnet. Ist dies nicht mittlerweile Konsens?

Zumindest hat diese Position in der letzten Zeit an Unterstützung gewonnen. Die offizielle deutsche Position ist aber nach wie vor, dass ein Völkermord verneint wird, da die UN-Völkermordkonvention von 1948 nicht rückwirkend angewandt werden könne.

Wie wird das späte deutsche Eingeständnis im heutigen Namibia aufgenommen. Was erwarten die Menschen dort von Deutschland?

In erster Linie wird das Thema von den Volksgruppen der Nama und der Herrero verfolgt, die aber beide eine Minderheit im heutigen Namibia darstellen. Ihre Vertreter erwarten teilweise auch finanzielle Entschädigungen. Die deutschstämmigen Namibier dagegen tun sich schwer mit der derzeitigen Position, da es hier Gruppen gibt, die den Völkermord heute noch leugnen.

Was hat die Bundesregierung bisher für die Nama und Herero getan?

2004 wurde eine besondere Versöhnungsinitiative gestartet, die mit 31 Millionen Euro ausgestattet wurde. Diese Maßnahme sollte 2015 auslaufen, eine Verlängerung wird aber für die im Herbst 2015 stattfindenden Regierungsverhandlungen vorbereitet.

Bedeutet die neue Aufmerksamkeit für die deutschen Verbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika nun eine von Historikern schon länger geforderte öffentliche Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte?

Die neue Debatte bereitet den Boden für eine Reihe von notwendigen Versöhnungsmaßnahmen, wie etwa eine gemeinsame Position der Regierungen, ein gemeinsames Bildungswerk, oder einen Jugendaustausch mit Hereros und Namas. Eine gemeinsame Historikerkommission könnte helfen, diesen notwendigen Versöhnungsprozess zu begleiten.

 

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