Die Fragen stellte Alexander Isele.

Der Beginn von Trumps erster Amtszeit war geprägt von großer zivilgesellschaftlicher Mobilisierung und vielen Protesten gegen den neuen Präsidenten. Dieses Mal scheint eine gewisse Apathie eingetreten zu sein. Wie ist die Stimmung in den USA?

Die Stimmung in den USA ist weiterhin stark gespalten – ähnlich wie vor der Wahl. Die Annahme, dass Trumps Wahlsieg überwältigend gewesen sei, trifft nicht zu. Zwar gewann er, anders als 2016, neben der Mehrheit der Stimmen im Electoral College auch die Popular Vote, also die Mehrheit der Stimmen im Land, was für viele ein Schock war. Doch sein Sieg war knapp und keineswegs ein Erdrutsch. Für diejenigen, die ihn unterstützt haben, blieb bis zum Wahltag eine gewisse Unsicherheit bestehen, und die Ergebnisse lassen Fragen offen. Beispielsweise, warum bestimmte Wählergruppen nicht für Kamala Harris und die Demokraten gestimmt haben.

Die derzeitige Stimmung lässt sich weniger als Apathie beschreiben, sondern vielmehr als eine Mischung aus Zurückhaltung und Erwartungshaltung. Viele fragen sich, wie Trump dieses Mal regieren könnte, insbesondere da die Republikaner nun die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses haben. Das macht die politische Dynamik heute anders als in der Zeit von 2016 bis 2020. Aktuell herrscht eine gewisse Unentschlossenheit, wie man mit der Situation umgehen soll. Gleichzeitig richten sich die Blicke bereits auf die nächsten Kongresswahlen 2026.

Trump hat seine zweite Amtszeit sofort mit einer Reihe von Präsidialerlassen begonnen. Was sind seine Ziele, und wie gut ist er darauf vorbereitet?

Bereits lange vor seiner Rückkehr ins Amt haben Unterstützergruppen einen umfassenden Plan für Trump vorbereitet. Dieses Project 2025 enthält viele Maßnahmen, die er durchsetzen möchte. Einige dieser Vorschläge wurden in der Vergangenheit bereits als Präsidialerlass angeordnet, stießen jedoch auf rechtliche Hürden und wurden von der Justiz blockiert. Auch dieses Mal stehen einige Erlasse im Widerspruch zu bestehenden Gesetzen oder zur Verfassung – sie sind verfassungsrechtlich kaum realisierbar, etwa die Abschaffung des Geburtsrechts, der Birthright Citizenship. Ein weiterer Faktor, an dem die Umsetzung scheitern könnte, ist die Geschwindigkeit, mit der diese Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Politische Prozesse benötigen Zeit, um durch alle rechtlichen und bürokratischen Instanzen zu gehen. Andere Vorhaben, wie die Förderung fossiler Energien, setzen Entwicklungen fort, die bereits zuvor in Gang waren. Und darum geht es: Viele seiner Ankündigungen sind eher wie ein symbolisches Panorama – ein politisches Signal an seine Anhänger, dass er handelt. Es ist eher eine Demonstration seiner Prioritäten und seiner Agenda als eine Garantie dafür, dass alle Vorhaben Realität werden.

In Trumps erster Amtszeit fiel die hohe Personalfluktuation auf. Jetzt scheinen Milliardäre wie Elon Musk erheblichen Einfluss zu haben. Wie weit reicht dieser?

Tech-Milliardäre, insbesondere Elon Musk, haben derzeit enormen Einfluss. Das liegt nicht nur in seinen Äußerungen, sondern auch in der Kontrolle über Kommunikationskanäle, die eine große Reichweite und Macht besitzen. Musk ist wichtig, um die Stimmung unter Trump-Anhängern anzuheizen. Anders als Steve Bannon, der durch seine mediale und strategische Arbeit direkt die politische Agenda Trumps beeinflusst hat, wirken Musk und andere Tech-Unternehmer eher indirekt. Sie schaffen durch ihre Plattformen und Netzwerke Räume für Debatten und verstärken bestimmte Narrative.

Musk verfolgt seine eigene Agenda, die manchmal mit Trumps Zielen übereinstimmen mag, aber keineswegs deckungsgleich ist.

Musk befindet sich in einer ambivalenten Situation. Einerseits setzt er sich für Deregulierung ein und nutzt seine Plattformen, um seine Agenda und Ideen zu verbreiten. Andererseits hängen viele seiner Unternehmen, wie SpaceX oder Tesla, stark von staatlichen Subventionen und Förderprogrammen ab. Das schafft eine gewisse Interessenkollision. Zudem könnten Spannungen entstehen, insbesondere bei Themen wie China, wo Trumps nationalistische und protektionistische Ansichten mit Musks global ausgerichteten Geschäftsinteressen kollidieren könnten. Musk verfolgt letztlich seine eigene Agenda, die manchmal mit Trumps Zielen übereinstimmen mag, aber keineswegs deckungsgleich ist.

Andere Tech-Unternehmen zeigen eine gemischte Reaktion. Während etwa Facebook seine Moderationspraktiken überarbeitet – eine Geste an Trump –, scheinen andere sich eher zurückzuziehen und abzuwarten, wie sich die politische Landschaft entwickelt. Dennoch testen die Tech-Milliardäre erstmal aus, was es ihnen bringt, Trumps Agenda zu unterstützen. Das kann aber auch nach hinten losgehen und eine Gegenreaktion hervorrufen, etwa wenn auf unzensierten Plattformen jegliche Hemmungen fallen gelassen werden, was viele Nutzer abstößt.

Die Demokraten haben nicht nur die Präsidentschaftswahl verloren, sondern auch die Mehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus. Was bedeutet das für die Zukunft der Partei?

Die Demokraten befinden sich in einer Identitätskrise. Die zentrale Frage lautet nicht: Warum hat die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner für Trump gestimmt? Sondern sie lautet: Warum haben sie nicht für uns gestimmt? Vor allem muss die Partei analysieren, warum einige Gruppen, die traditionell demokratisch wählten, sich dieses Mal abgewandt haben. In gewissem Sinne haben die Demokraten und die Republikaner die Rollen getauscht: Früher galt die Grand Old Party als die vertrockneten Konservativen, die das Land vor jeglicher Veränderung abschotten wollten. Nun scheinen es, als hätten die Demokraten diese Rolle angenommen. Dieses Image macht es ihnen schwer, bei einem breiteren Spektrum der Wählerschaft wieder Fuß zu fassen. Ein Teil des Problems ist, dass die Partei in ihrer Basis stark auf Staaten wie Kalifornien und New York fokussiert ist und in vielen anderen Regionen der USA an Einfluss verliert. Um wieder eine breitere Wählerschaft anzusprechen, müssen die Demokraten strategisch überdenken, welche Themen und Botschaften landesweit relevant sind. Die Partei erinnert aktuell an die Republikaner nach der Wahlniederlage 2012, die ebenfalls mit Identitätsfragen rangen, bevor Trump als starke Führungsfigur auftauchte. Ob und wann die Demokraten eine solche charismatische Figur finden, bleibt offen.

Wie beeinflusst die innenpolitische Polarisierung der USA die Außenpolitik und die internationale Zusammenarbeit?

Die Außenpolitik der USA wird stark von den Akteuren geprägt, die sie gestalten. Donald Trump ist in diesem Kontext natürlich die zentrale Figur. Neben der Wiederherstellung amerikanischer Macht und des Respekts und dessen, was er sich darunter vorstellt, will er aber auch bestimmte Dinge bewusst nicht: Er will keine Interventionen. Er will sich aus Angelegenheiten heraushalten, die die USA aus seiner Sicht nichts angehen. Dieser Ansatz knüpft an eine lange Tradition in den USA an, die davon ausgeht, dass die Vereinigten Staaten nicht die Rolle eines Weltpolizisten übernehmen müssen. Da entsteht aber ein Widerspruch: Trump möchte zwar weniger direkte Verantwortung übernehmen, aber dennoch anderen Staaten vorschreiben, was sie zu tun haben. Dieser Widerspruch ist schwer aufzulösen und spiegelt sich in den Diskussionen innerhalb verschiedener politischer Lager wider.

Trump möchte zwar weniger direkte Verantwortung übernehmen, aber dennoch anderen Staaten vorschreiben, was sie zu tun haben.

Nehmen wir als Beispiel den Krieg in der Ukraine: Man kann davon ausgehen, dass Trump versuchen wird, direkt mit Wladimir Putin zu verhandeln. Solche Gespräche könnten jedoch wenig konkrete Ergebnisse liefern und letztlich unbefriedigend enden. Anders als nach dem Zweiten Weltkrieg, als die USA langfristig in Deutschland stationiert blieben, scheint Trump kein Interesse an einer dauerhaften militärischen Präsenz zu haben.

Letztendlich hängt sein außenpolitisches Handeln stark von seinen persönlichen Zielen ab. Nationale Interessen treten dabei häufig in den Hintergrund. Für Trump steht im Vordergrund, was er selbst als Erfolg betrachtet – und nicht zwangsläufig eine kohärente Strategie oder ein übergeordnetes Ziel. Beispiele wie seine Aussagen zu Grönland oder zum Panamakanal unterstreichen das. Während solche Positionen innenpolitisch als Signal der Stärke wahrgenommen werden, erzeugen sie auf internationaler Ebene Unsicherheit über die Verlässlichkeit der USA als Partner. Die zentrale Frage für viele Verbündete bleibt, wie langfristig verlässlich die USA unter einer Führung wie der von Trump agieren werden und inwieweit internationale Kooperation möglich ist, wenn nationale Interessen einseitig priorisiert werden.

Ist Europa auf sich alleine gestellt?

Trump und die USA sind in vielerlei Hinsicht auf Europa angewiesen. Die enge wirtschaftliche und politische Verflechtung macht eine völlige Abkopplung unmöglich. Europa spielt eine Schlüsselrolle, etwa durch seine wirtschaftliche Stabilität und seine geostrategische Bedeutung.

Trump und die USA sind in vielerlei Hinsicht auf Europa angewiesen.

Zwar mag Trumps America First-Politik nach außen den Eindruck erwecken, die USA könnten auf sich allein gestellt agieren – wobei sie vor allem an das heimische Publikum gerichtet ist. Doch die Realität zeigt, dass viele globale Probleme nur durch internationale Zusammenarbeit lösbar sind, sei es der Klimawandel, Russlands Krieg gegen die Ukraine oder die Eindämmung Chinas. Insbesondere bei der Einhegung Chinas, das als Partner, Konkurrent und Rivale wahrgenommen wird, sind die USA auf enge Kooperation mit Europa und weiteren Partnern wie Australien oder den Philippinen angewiesen.

Gleichzeitig bleibt ein Spannungsfeld zwischen traditionellem Isolationismus und der Notwendigkeit, Allianzen zu pflegen. Europa ist hierbei von zentraler Bedeutung, um langfristige Stabilität und gemeinsame Interessen zu gewährleisten.

Was müssen Deutschland und die EU tun, um mit einer möglichen Trump-Regierung zusammenzuarbeiten?

Zunächst einmal muss die Realität anerkannt werden, dass Trump gewählt wurde, und das darf nicht infrage gestellt werden. Eine konstruktive Zusammenarbeit setzt voraus, dass Deutschland und die EU ihre eigenen Interessen klar definieren und diese aktiv in die Verhandlungen einbringen. Darüber hinaus ist es wichtig, gemeinsame Herausforderungen zu identifizieren und aufzuzeigen, wie sie auch die USA betreffen – etwa Themen wie Klimawandel, Sicherheitspolitik oder wirtschaftliche Stabilität. Es geht darum, eine gemeinsame Basis zu finden und konkrete Lösungen vorzuschlagen, die für beide Seiten von Vorteil sind.

Deutschland und die EU sollten zudem ihre eigenen nationalen, regionalen und globalen Interessen klar formulieren und synchronisieren. Nur so können sie als glaubwürdige Partner auftreten, die in der Lage sind, handfeste Argumente und Ziele einzubringen. Dies erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und klare Prioritäten, um auf Augenhöhe mit den USA – auch unter einer Trump-Regierung – agieren zu können.