Im Taifun Haiyan sind offenbar mehr als 10.000 Personen ums Leben gekommen. In Teilen des Katastrophengebietes scheint Anarchie ausgebrochen zu sein. Wie ist aktuell die Lage?
Es ist schon gespenstisch und surreal. Hier in Manila hat man von dem Sturm fast überhaupt nichts mitbekommen, doch in anderen Landesteilen herrscht nur Leid und Zerstörung. Die Lage ist gegenwärtig noch sehr, sehr unübersichtlich. Die Versorgungs- und speziell die Kommunikationsinfrastruktur in der Katastrophenregion ist weitgehend zusammengebrochen.
Die Lage ist gegenwärtig noch sehr, sehr unübersichtlich. Die Versorgungs- und speziell die Kommunikationsinfrastruktur in der Katastrophenregion ist weitgehend zusammengebrochen.
Die bekannt gewordenen Zahlen über Opfer sind wirklich nur sehr grobe Annahmen, da die Hilfskräfte auch heute noch nicht in alle betroffenen Orte gelangt sind. Die Stromversorgung ist in vielen Teilen nach wie vor unterbrochen. Die Zahl der Toten kann sowohl nach oben als auch nach unten gehen. Allerdings halte ich letzteres für eher unwahrscheinlich. Einigermaßen sicher dürfte die Einschätzung sein, dass es sich um die größte Katastrophe handelt, die das häufig gebeutelte Land bisher heimgesucht hat.
Die EU-Kommission hat 3 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt. Was wird denn jetzt an internationaler Hilfe benötigt? Und was kommt ins Land?
Ja, die Hilfe läuft jetzt an. Und auch Deutschland hat als erste Reaktion nun offenbar 25 medizinische Hilfskräfte und Ärzte auf den Weg in die Philippinen geschickt.
Das philippinische Department of Social Welfare and Development geht aktuell von mindestens 9 Millionen betroffenen Personen aus.
Das ist sinnvoll aber zugleich natürlich alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts des Ausmaßes der Zerstörung. Das philippinische Department of Social Welfare and Development geht aktuell von mindestens 9 Millionen betroffenen Personen aus, die jetzt auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Problematisch ist bei der Planung und Durchführung von Hilfsmaßnahmen dabei auch, dass die Transportkapazitäten im Land begrenzt sind. Viele Flughäfen sind beschädigt und es ist unklar, ob beispielsweile die Rollfelder in den betroffenen Regionen genutzt werden können. Da sind bislang noch viele Fragen offen.
Kritische Stimmen sind auch in Bezug auf das Management der Krise durch die Regierung zu vernehmen. Wie ist da Ihre Einschätzung?
Das fatale ist, dass zwar einigermaßen verlässliche meteorologische Angaben über die relative Stärke und Zugrichtung des Sturm vorlagen, aber sich niemand weder innerhalb noch außerhalb der Regierung und Verwaltung so richtig vorstellen konnte, welch apokalyptische Wirkungen dies letztendlich auf der Erde haben würde. Man kann daher darüber spekulieren, ob die Vorsorge nicht schneller und umfangreicher hätte sein können.
Der Regierung einen "Schwarzen Peter" zuschieben zu wollen, entbehrt beim gegenwärtigen Kenntnisstand der Grundlage.
Ich denke, der Regierung einen wie auch immer gearteten "Schwarzen Peter" zuschieben zu wollen, entbehrt beim gegenwärtigen Kenntnisstand der Grundlage. Und die Frage, wie man in einem geographisch so schwierigen Land überhaupt eine adäquate Vorsorge für eine derartige Katastrophe treffen könnte, ist auch nicht wirklich zu beantworten, einmal abgesehen davon, dass die Präsenz staatlicher Stellen in abgelegeneren Landesteilen und Inseln generell nur sehr schwach ist.
Diese Woche startet in Warschau die UN-Klimakonferenz: Wie wird denn auf den Philippinen die Katastrophe wahrgenommen? Sehen die Menschen eine Verbindung zum globalen Klimawandel?
In Warschau wird die Regierung nun eindringlich die Folgen des Klimawandels belegen können. Der wird natürlich auch auf den Philippinen wahrgenommen und diskutiert. Der Taifun ist ja nicht das erste extreme Wetterphänomen, das wir in den vergangenen Jahren beobachten mussten.
Vielleicht ist der aktuelle Taifun ein Ausreißer nach oben, aber eine Tendenz zu immer extremeren Unwettern existiert natürlich.
Vielleicht ist der aktuelle Taifun ein Ausreißer nach oben, aber eine Tendenz zu immer extremeren Unwettern existiert natürlich. Politisch wird die Frage dabei übrigens nicht zuletzt vor dem Hintergrund aktueller Regierungsentscheidungen aufgeladen. „Disaster Prevention“ ist und war ein Thema für die Regierung, zugleich aber wird der Ausbau von Kohlekraftwerken vorangetrieben. Dass da ein Spannungsverhältnis besteht, nehmen natürlich auch viele Menschen hier wahr und das wird durchaus kontrovers diskutiert.