Am 5. November 2013 erklärte die M23-Bewegung im Ostkongo ihre blutige Rebellion gegen die Zentralregierung in Kinshasa für beendet, und verkündete, sie sei zur Entwaffnung bereit. Diese Erklärung folgte einer entsprechenden Aufforderung durch afrikanische Staatschefs auf einem regionalen Gipfeltreffen, nachdem die Rebellen eine schwere militärische Niederlage gegen die Regierungsarmee erlitten hatten.

Bemerkenswert ist die verlautbarte Begründung für diesen Schritt: Die Erklärung solle erfolgen, damit ein Friedensabkommen mit der Regierung in Kinshasa möglich werde.

Im Kongo deutet sich ein weiteres Mal eine inzwischen typische „Lösung“ für bewaffnete Konflikte in Afrika an: eine irgendwie geartete Beteiligung der Rebellen in einer verhandelten Nachkriegsordnung.

Zwei Ereignisse folgten diesem Schritt: Die kongolesische Regierung weigerte sich, von einem „Abkommen“ zu reden und ein solches zu unterzeichnen – die innenpolitischen Früchte eines militärischen Sieges sind eben süß. Und die M23-Rebellenbewegung spaltete sich in Befürworter und Gegner eines Abkommens. Trotz dieser Entwicklungen deutet sich im Kongo ein weiteres Mal eine inzwischen typische „Lösung“ für bewaffnete Konflikte in Afrika an: eine irgendwie geartete Beteiligung der Rebellen in einer verhandelten Nachkriegsordnung. Wie muss man das einordnen?

Hintergrund: 13 bewaffnete Konflikte in Afrika

Die Zahl der Kriege geht nach gängiger Messung in den letzten Jahren weltweit zurück – das renommierte Uppsala Conflict Data Program (UCDP) zählte für das Jahr 2012 „nur“ 32 bewaffnete Konflikte. Zum Vergleich: 1989 waren es noch 43. Afrika bleibt aber mit aktuell 13 gewaltsamen Konflikten konstant der am wenigsten friedliche Kontinent der Erde. Insgesamt 93.000 Soldaten beteiligen sich aktuell in elf Staaten an Friedensmissionen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder regionaler Initiativen.

Afrika bleibt mit aktuell 13 gewaltsamen Konflikten konstant der am wenigsten friedliche Kontinent der Erde.

Neue Eskalationen waren dabei auch im laufenden Jahr zu verzeichnen: Die Kämpfe im Osten der Demokratischen Republik Kongo, der militärische Sturz der Regierung in der Zentralafrikanischen Republik oder die Rückeroberung Nordmalis durch französische und afrikanische Truppen gegen Tuaregrebellen und islamistische Kämpfer sorgten auch in Europa für Aufmerksamkeit.

Weniger aufmerksam verfolgt wird dabei meist die Tatsache, dass Kriege in Afrika auch tatsächlich enden – selbst so blutige Auseinandersetzungen wie die zwischen Regierung und Sezessionisten im Südsudan oder im burundischen Bürgerkrieg. Die gute Nachricht aus Afrika ist daher: Zumeist werden hier bewaffnete Konflikte nicht bis zum Ende ausgefochten, sondern per Verhandlungslösung beendet. Entwicklungen wie in Mali oder in der Côte d’Ivoire 2011 bilden hier tatsächlich eher Ausnahmen von der Regel.

Wie Kriege enden…

Was der militärische Sieg einer Kriegspartei in der Regel mit sich bringt, ist dabei recht klar: Der Sieger bestimmt die politische Ordnung, Kriegsverbrechen werden nur auf einer Seite aufgeklärt, dem Verlierer werden möglichst keine Zugeständnisse gemacht, und die unterlegene Seite wird vom politischen Prozess umfassend ausgeschlossen.

Die gute Nachricht aus Afrika ist daher: Zumeist werden hier bewaffnete Konflikte nicht bis zum Ende ausgefochten, sondern per Verhandlungslösung beendet.

Eine solche erzwungene Sieg-Lösung mag zunächst mehr Klarheit schaffen als eine wacklige Interimslösung. Negative Folge ist allerdings, dass die militärisch bezwungene Seite mit einiger Wahrscheinlichkeit bald gewaltsam versuchen dürfte, einen Teil der Macht zurückzugewinnen – sofern sie dazu in der Lage ist.

Weiter auseinander streben die Ergebnisse im Falle der Verhandlungslösung eines Konfliktes. Beinahe überall, wo Kriege in Afrika auf dem Verhandlungswege beendet werden, geht es um Machtteilung („power-sharing“). Das heißt grundsätzlich: Wichtige Positionen im Staat werden zwischen den Streitparteien aufgeteilt. Das Vorgehen beruht auf der Hoffnung, dass dadurch eine kriegsursächliche Benachteiligung marginalisierter Gruppen überwunden wird. Eine grundsätzliche Stärkung von Inklusion und Demokratie als solche wird dabei häufig als zusätzliche Zielsetzung  angeführt. Doch diese Rechtfertigung sollte nicht in jedem Fall ungeprüft übernommen werden. Denn markante Unterschiede entstehen schon mit der Grundentscheidung, ob und welche weiteren Parteien in den politischen Prozess mit einbezogen werden.

Zentrale Frage ist hier, welche Positionen von der Regierung abgetreten werden. Sind darunter Ministerien, die über den Sicherheitsapparat wachen? Werden die Positionen geteilt, die über die größten Budgets verfügen? Kurz: Wird überhaupt Macht geteilt oder werden nur Pfründen verteilt?

Höchste Bedeutung hat dabei auch, ob der Friedensprozess auf eine permanente Machtteilung hinausläuft. Eine solche kann nur gelingen, wenn Verfassungen geändert werden und Institutionen neu eingeführt werden – etwa ein neues Wahlrecht –, wenn Minderheiten über Quoten etwa im Parlament, Militär und Verwaltungsapparat beteiligt werden.

Kritisch zu sehen ist dabei das Risiko,  dass ein Versuch der „nachhaltigen“ Befriedung die kriegsursächliche Frontstellung zwischen Volksgruppen auch dauerhaft festschreiben kann.  

Theoretisch mag ein solcher Ansatz überzeugen. Kritisch zu sehen ist dabei allerdings das Risiko,  dass ein solcher Versuch der „nachhaltigen“ Befriedung  die kriegsursächliche Frontstellung zwischen Volksgruppen auch dauerhaft festschreiben und in Erinnerung halten kann.

Ruanda und Burundi, zwei Kleinstaaten mit ähnlicher ethnischer Zusammensetzung, haben zwei gegensätzliche Wege gewählt. In Rwanda endeten Genozid und Krieg 1994 mit einem eindeutigen Sieger: Die Rebellenarmee war siegreich und setzte ihre Vorstellungen vollständig durch. Dazu zählte  nicht zuletzt die verordnete Aufhebung der ethnischen Identitäten Hutu vs. Tutsi.

Burundis Friedensprozess 2000–2005 endete dagegen mit einer Verfassung, die auf allen Ebenen des politischen Systems Quotierungen vorsieht und die bislang herrschende Minderheit der Tutsi zwar ihrer Privilegien enthebt, aber immer noch überproportional beteiligt. Es gibt mithin erhebliche Unterschiede zwischen Ruanda und Burundi, genauer zwischen den beiden politischen Systemen und zwar gerade im Hinblick auf das „Management“ ethnischer Identitäten. Allerdings gibt es eben auch Konvergenzen: die durchaus umstrittenen Wahlergebnisse wenige Jahre nach Kriegsbeendigung (in Burundi seit 2010 und in Ruanda schon seit 2003) haben beiden Staaten „elektorale Autokratien“ beschert mit einer dominierenden, bisweilen repressiven und aus einer Rebellenbewegung hervorgegangenen Partei an der Spitze.

Was in der Realität möglich ist, hängt aber offensichtlich von ganz spezifischen Voraussetzungen ab: Von der Intensität des vorausgehenden Krieges, der Art der Kriegsbeendigung, und nicht zuletzt von der Größe des zu verteilenden „nationalen Kuchens“.

Ist da etwas schief gelaufen? Die Antwort ist nicht so einfach. Die Idee des „liberalen Friedens“ stößt in der Praxis auf viele Widerstände. Mehr oder minder besagt sie, dass alles Gute, das wir aus westlichen Staaten kennen, zusammenwirkt und -gehört. Im Wesentlichen eben Demokratie und Frieden, gerne auch noch das Subsidiaritätsprinzip.

Was in der Realität möglich ist, hängt aber offensichtlich von ganz spezifischen Voraussetzungen ab: Von der Intensität des vorausgehenden Krieges, der Art der Kriegsbeendigung, und nicht zuletzt von der Größe des zu verteilenden „nationalen Kuchens“. Eine universelle Lösung kann es da nicht geben.

Realitätstest für den „liberalen Frieden“

Wer Demokratie für die bessere Regierungsform hält, sollte schon in einer frühen Verhandlungsphase wichtige Weichen stellen. Konkret heißt das etwa: keine Privilegien für bewaffnete Gruppierungen! Zivile Parteien werden in Verhandlungen wie etwa in der Côte d’Ivoire oder in der Zentralafrikanischen Republik oft genug marginalisiert – mit negativen Folgen für die langfristige Entwicklung.

Daneben erscheint es auch wichtig, dass auf den Konflikt folgende Wahlen, die – ob manipuliert oder nicht – gerne zugunsten der militärisch stärksten Parteien ausfallen, nicht über sämtliche offenen Fragen entscheiden sollten.

Garantierte bürgerliche Freiheiten, freie Medien, eine funktionierende unabhängige Justiz, eine neutrale Polizei sind für die Nachkriegsordnung genauso wichtig wie die Abhaltung akzeptabler Wahlen.

Garantierte bürgerliche Freiheiten, freie Medien, eine funktionierende unabhängige Justiz, eine neutrale Polizei sind für die Nachkriegsordnung genauso wichtig wie die Abhaltung akzeptabler Wahlen. Wichtig ist dabei auch, dass die neue Ordnung konkrete Lösungen der Probleme vor Ort vorsieht – und zwar dort, wo die ursprüngliche Konfrontation und Eskalation ihren Ausgangspunkt nahm und wo der Krieg ausgefochten wurde. Leider erringen diese Punkte nur selten die Aufmerksamkeit der Vermittler, Beobachter und sogar der Konfliktparteien selbst.

Nachkriegsordnungen unterscheiden sich: in ihrer Form und in ihrer Bedeutung für Frieden und Demokratie. Bleibt zu hoffen, dass eine neue Lösung für den Ostkongo nun überzeugender ausfällt als am Ende früherer Konfliktphasen.