Diplomatische Fauxpas, russische Militärs und schwierige Kommunikation. Das Verhältnis zwischen Mali und seinen europäischen Partnern ist so angespannt wie seit langem nicht mehr. Knapp 18 Monate nach dem Putsch vom August 2020 ist in Mali vieles unklar. Nur eines ist gewiss: So schnell, wie anfangs verlautet, wird es keine Rückkehr zur Normalität geben. Die regionale Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS und weitere internationale Partner drängten die malische Übergangsregierung dazu, einen verbindlichen Fahrplan bis zum Ende der 18-monatigen Frist vorzulegen. Durch einen konsultativen Prozess auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene wurden Empfehlungen für den Übergang und Reformvorschläge zusammengetragen. Angesichts des Umfangs der Reformen und der Fragilität der aktuellen Situation im Land enthielten diese auch Überlegungen in Richtung einer möglichen Verlängerung der Übergangszeit.

Die vom Militär dominierte Übergangsregierung leitete hieraus ein Mandat für weitere fünf Jahre ab. Der Ende des Jahres der ECOWAS vorgelegte Zeitplan sieht umfangreiche Reformen bis 2023 und Wahlen für 2026 vor. Wenig überraschend wies die Regionalgemeinschaft ECOWAS ihn als unangemessen zurück und verhängte weitreichende Sanktionen gegen die Übergangsregierung, darunter die Schließung der Grenzen zu den umliegenden ECOWAS-Staaten für Personen und Warenverkehr sowie der Abzug aller ECOWAS-Botschafter aus Bamako.

Die ECOWAS-Sanktionen treffen Mali hart und führen bis jetzt vor allem dazu, dass sich die Bevölkerung hinter der Übergangsregierung versammelt und sich gegen die regionale Staatengemeinschaft stellt.

Anfang Februar sprach die EU individuelle Sanktionen gegen fünf prominente Mitglieder der Übergangsregierung aus. Ihnen wird vorgeworfen, den erfolgreichen Abschluss des politischen Übergangs in Mali zu behindern. Unter anderem dürfen die fünf Personen, darunter Premierminister Choguel Maïga, nicht mehr in die EU einreisen. Ihre Vermögenswerte wurden eingefroren.

Wie bereits nach dem Putsch 2020 treffen die ECOWAS-Sanktionen Mali hart. Allerdings führen sie bis jetzt vor allem dazu, dass sich die Bevölkerung hinter der Übergangsregierung versammelt und sich gegen die regionale Staatengemeinschaft stellt. Mit ihrer Verhängung hat ein diplomatisches Tauziehen eingesetzt. Beide Seiten suchen Verbündete für ihre Positionen. Sie beharren auf ihren Standpunkten, betonen aber Gesprächsbereitschaft. Ein Vorschlag der Afrikanischen Union und Vermittlungsversuche zusammen mit den Nachbarstaaten Algerien und Mauretanien wecken derzeit die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Sanktionen und einen realistischeren Abschluss der Übergangszeit.

Nicht nur Malis Beziehungen zu den regionalen Partnern sind momentan angespannt. Insbesondere das Verhältnis zu Frankreich ist auf einem Tiefstand. Die Übergangsregierung folgt einem populistischen, anti-französischen Kurs, welcher vor allem durch Premierminister Maïga und seine Anhänger in der Hauptstadt getragen wird. Die ehemalige Kolonialmacht muss für vieles, was in Mali nicht funktioniert, als Sündenbock herhalten: von der Korruption bis hin zur desaströsen Sicherheitssituation. Die französische Regierung wirft der malischen Übergangsregierung wiederum fehlenden Reformwillen und ein Festhalten an der Macht um jeden Preis vor. Da sich Präsident Emmanuel Macron gerade im Wahlkampf befindet und sich keine Schwächen erlauben kann, hat sich Frankreich in vielen Auseinandersetzungen mit Mali wenig taktvoll verhalten. Wiederholt gab es aus dem französischen Außenministerium, aber auch von Macron selbst harsche Worte gegenüber Mali. Nach einer Eskalation am 31. Januar wurde der französische Botschafter in Mali dazu aufgefordert, binnen 72 Stunden das Land zu verlassen.

Nicht nur Malis Beziehungen zu den regionalen Partnern sind momentan angespannt. Insbesondere das Verhältnis zu Frankreich ist auf einem Tiefstand.

Die diplomatische Konfrontation mit Frankreich ist nicht das Einzige, was das malische Verhältnis zu den europäischen Partnern belastet. Seit Herbst verstetigen sich Gerüchte, dass die russische Sicherheitsfirma Wagner in Verhandlungen mit dem malischen Regime über die Entsendung von Söldnern steht, was von der EU scharf kritisiert wird. Während die malische Seite vor allem von russischen Ausbildern im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit spricht, deutet für viele Beobachter einiges auf hochausgebildete Spezialkräfte von Wagner hin. In einer Pressekonferenz Anfang Februar gab Präsident Putin an, dass sich derzeit keine russischen Ausbilder, sondern lediglich private Sicherheitsakteure in Mali befänden.

Der Blick in andere afrikanische Länder, beispielsweise die Zentralafrikanische Republik, zeigt, dass der Einsatz von Wagner-Söldnern die Sicherheitssituation im Land nicht verbessert, sondern im Gegenteil noch weiter destabilisiert hat. Der Gruppe werden immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. All dies geschieht unter dem Vorwand, die entsprechenden Staaten zu unterstützen. Als Gegenleistung erhält Wagner zum Teil Zugriff auf Rohstoffe und Edelmetalle. Auch in Mali wird vermutet, dass Rechte an Goldminen angeboten wurden. Im Dezember wandten sich Deutschland und 14 weitere Partnerländer Malis in einem offiziellen Schreiben an die Regierung. Sie kritisierten die Kooperation mit Russland und deuteten eine mögliche Veränderung der eigenen Zusammenarbeit an.

Der Blick in andere Länder wie die Zentralafrikanische Republik zeigt, dass der Einsatz von Wagner-Söldnern die Sicherheitssituation im Land nicht verbessert, sondern im Gegenteil noch weiter destabilisiert hat.

Bei einer Diskussion um die Weiterführung des internationalen Engagements in Mali muss zwischen den verschiedenen Missionen unterschieden werden. Die deutsche Beteiligung in Mali findet im Rahmen der Europäischen Trainingsmission (EUTM) und der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (MINUSMA) statt. Während sich die EUTM insbesondere auf die Ausbildung und Unterstützung der malischen Streitkräfte konzentriert, umfasst das Mandat von MINUSMA den Schutz der Zivilbevölkerung und die Umsetzung des Stabilisierungs- und Friedensprozesses von 2015.

Die Arbeit der EUTM ist nicht zuletzt durch die Putsche von August 2020 und Mai 2021 verstärkt in die Kritik geraten. Bereits zuvor wurde die fehlende Nachhaltigkeit der Ausbildungsmission bemängelt. Die Mission befindet sich nun in einem Umstrukturierungsprozess, den es voranzutreiben gilt. Um die Mission erfolgreicher aufzustellen, ist es wichtig, dass die Aus- und Weiterbildung der malischen Verteidigungskräfte konkreter nachgehalten und begleitet wird. Die Mission muss sich an klaren Meilensteinen abarbeiten. Auch ein intensives Monitoring über absolvierte Ausbildungen und Trainings, was lange Zeit nicht erfolgte, ist unerlässlich. Die Militärführung zeigt derzeit wenig Interesse an einer umfassenden Reform des Sicherheitssektors. Die EUTM muss sich auch auf die Zeit nach der Übergangsregierung vorbereiten und entsprechende Weichen stellen. Eine demokratische Einbettung des Sicherheitssektors ist unabdingbar für die langfristige Stabilität in Mali. Nur wenn sich die Streitkräfte als Teil des malischen Staates verstehen und entsprechend unter demokratischer Kontrolle stehen, können künftige Putsche vermieden werden.

Eine kurzfristige Beendigung des Engagements und der militärischen Unterstützung wäre ein fatales Signal.

Da sich die Sicherheitssituation in den letzten Jahren verschlechtert hat, stand auch die MINUSMA wiederholt in der Kritik. Als Reaktion darauf wurde ihr Mandat 2019 um die Komponente des Schutzes der Zivilbevölkerung erweitert. Dieser Aspekt muss weiter gefördert werden. Während in Bamako politische Ränkespiele stattfinden, ist es die malische Bevölkerung, die unter der seit fast zehn Jahren andauernden Krise leidet. Sollte die internationale Unterstützung für MINUSMA aufgrund der derzeitigen politischen Situation abnehmen, wären es die verwundbarsten Teile der Bevölkerung, die dies am meisten zu spüren bekämen.

Mit EUTM und MINUSMA stehen damit zwei sehr unterschiedliche Missionen auf dem Prüfstand. Beide Mandate laufen nach aktuellem Stand Ende Mai aus und müssen vorher im Bundestag diskutiert werden. Angesichts der politischen Lage in Mali steht fest, dass es für die Missionen kein Weiter-so geben kann. Dafür sind die Erfolge zu vereinzelt und die Missionen zu kostspielig. Eine kurzfristige Beendigung des Engagements und der militärischen Unterstützung wäre jedoch ein fatales Signal. Ein Abzug oder eine Reduzierung der Beteiligung könnten den Eindruck erwecken, dass man Mali aufgegeben hat und einem Akteur mit anderen Interessen das Feld überlässt. Ließen die europäischen Partnern russischen Söldnertruppen in Mali freie Hand, gäben sie auf, was über Jahre hart erarbeitet wurde.

Mali steht einmal mehr am Scheideweg. Die anfänglichen Hoffnungen, die in das Übergangsregime gesetzt wurden, sind fast vollständig erloschen. Die Sanktionen der ECOWAS treffen das Land hart, sind aber angesichts der problematischen Bestrebungen des Regimes, sein Mandat zu verlängern, nachvollziehbar. Der Bruch mit Frankreich stellt für Mali eine Zäsur dar und ist eine besondere Herausforderung für die europäischen Partner. Dass Deutschland einerseits klar an der Seite Frankreichs steht, muss es nicht davon abhalten, andererseits eine eigene Strategie zu entwickeln, wie die weitere Zusammenarbeit mit Mali aussehen sollte. Ein Besuch vor Ort, wie ursprünglich für diese Woche von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht geplant, wäre ein wichtiges Dialogsignal. Deutschland genießt einen sehr guten Ruf in Mali. Das besondere Verhältnis, das Deutschland nach über 60 Jahren Partnerschaft zu dem Sahelstaat hat, könnte als Grundlage für eine mögliche Vermittlerrolle Deutschlands dienen.