Während andere BRICS-Mitglieder für ihre Präsenz in Afrika deutlich mehr Aufmerksamkeit aus dem Westen erhalten, sind die Vereinigten Arabischen Emirate (die 2024 Mitglied der BRICS+ wurden) still und leise zum größten ausländischen Investor auf dem afrikanischen Kontinent geworden: 2022 gaben sie rund 50 Milliarden  US-Dollar aus. Das verstärkte Engagement der VAE in Afrika basiert auf enormen finanziellen Ressourcen und einer klaren Strategie – mit weitreichenden Auswirkungen sowohl auf den afrikanischen Kontinent als auch auf die globalen geopolitischen Dynamiken.

Das Engagement der Emirate in Afrika lässt sich in drei Bereiche unterteilen, die sich gegenseitig beeinflussen und prägen.

Erstens erkannte das Emirat Dubai Anfang der 2000er Jahre seine im Vergleich zur Hauptstadt Abu Dhabi begrenzteren Ölreserven und versuchte daher relativ früh, seine Wirtschaft zu diversifizieren. In diesem Zusammenhang wurden afrikanische Länder wichtige Partner für Investitionen in Sektoren wie Infrastruktur, Tourismus, Agrarindustrie und dem Bergbau (insbesondere Gold).

Zweitens legten die VAE nach dem Arabischen Frühling in ihrer Außenpolitik ein verstärktes Augenmerk auf die Themen Sicherheit und regionale Konkurrenz. Insbesondere sollten die Rivalen Katar, Iran und Türkei am Horn von Afrika und im Roten Meer ausmanövriert werden. So wurden beispielsweise Allianzen mit Äthiopien und den separatistischen Regionen Somaliland und Puntland geschmiedet, um der türkisch-somalischen Partnerschaft entgegenzuwirken. Gleichzeitig unterstützten sie die sudanesische Opposition – eine Hilfe, die auch während des blutigen Bürgerkriegs fortgesetzt wurde.

Viele dieser politischen Maßnahmen dauern bis heute an, aber der außenpolitische Diskurs der VAE hat sich Anfang der 2020er Jahre verschoben. Nach dem ökonomischen Schock der Pandemie verfolgten die Emirate einen außenpolitischen Ansatz nach dem Motto Economy First: Die Wirtschaftsbeziehungen wurden ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt. In Dubai erkannte man die sich verändernden globalen Machtverhältnisse und den Trend zur Abkehr von fossilen Brennstoffen. In der Praxis bedeutete dies in Afrika, dass mit praktisch allen Regionen zusammengearbeitet, dass Partner und Ansätze diversifiziert sowie dass wirtschaftliche Fragen zur Erreichung politischer Ziele in den Vordergrund gestellt wurden.

Gleichzeitig ist das Engagement der VAE in Sachen Sicherheitsdynamiken in Afrika aber oftmals sehr direkt geblieben: Die Emirate errichteten mehrere Militärstützpunkte und mischten sich in Konflikte am Horn von Afrika, in Libyen und in der Sahelzone ein. Erwähnenswert ist dabei – obwohl offiziell von Abu Dhabi dementiert – die Unterstützung der VAE für die Rapid Support Forces (RSF) im sudanesischen Bürgerkrieg. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch  wirft den RSF Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen vor. Während die VAE die RSF weiterhin mit Waffen und logistischer Unterstützung versorgen, zieht sich der Konflikt in die Länge, er beeinträchtigt die Lebensgrundlagen vor Ort, hat Millionen Menschen zur Flucht veranlasst und zur aktuell schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt geführt.

Viele im Globalen Süden befürchten, dass die grüne Agenda die Entwicklung spätindustrialisierter Volkswirtschaften behindern könnte.

Die strategische Bedeutung Afrikas ist offenkundig, sei es in Bezug auf Energiesicherheit, Zugang zu natürlichen Ressourcen, strategische Handelsrouten oder Verbrauchermärkte. Europäische und andere westliche Länder setzen derzeit auf Dekarbonisierung und grünen Wandel als Top-Priorität. Dies hat zu Spannungen mit afrikanischen Nationen geführt: Viele im Globalen Süden befürchten, dass die grüne Agenda die Entwicklung spätindustrialisierter Volkswirtschaften behindern könnte. Das soll nicht heißen, dass afrikanische Nationen – weder die Regierungen noch die Bevölkerung – sich nicht um den Klimawandel sorgen, denn das tun sie ganz offensichtlich. Tatsächlich leiden diese Staaten bereits jetzt unverhältnismäßig stark unter dem Klimawandel und sie werden in den kommenden Jahren auch mit harschen wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen haben.

Der offensichtliche Interessenkonflikt zwischen dem Westen und Afrika rührt von der Frage nach Reformen und weiterer Entwicklung her. Zu den zentralen Forderungen afrikanischer Länder gehören die Reform multilateraler Institutionen, Schuldenerlasse und die Bestätigung ihres Rechts auf nachhaltige Entwicklung. Der Süden ruft den Globalen Norden auf, seine Klimaverpflichtungen einzuhalten und Klimaschutzmaßnahmen weltweit zu finanzieren. Dies sind übrigens keine rein afrikanische Forderungen, wie der BRICS+-Gipfel in Kasan gezeigt hat: In der dortigen Abschlusserklärung wurden ebenfalls Reformen der multilateralen Institutionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit für eine gerechte Entwicklung als zwei Kernforderungen gelistet.

Die VAE spielen hier eine Schlüsselrolle. Sie fungieren als Sprachrohr für diese Forderungen und sind selbst insbesondere beim Thema Energieversorgung aktiv, wobei sich die Ansätze sowohl auf grüne Energie als auch weiterhin auf Öl fokussieren. Abu Dhabi verfolgt in diesem Sinne eine Doppelstrategie: So werden grüne Alternativen (insbesondere mit in Afrika abgebauten Rohstoffen) gefördert, während gleichzeitig ein lediglich gradueller Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen unterstützt wird, indem man weiterhin raffiniertes Öl liefert.

Wie bereits erwähnt, präsentieren die VAE ihre Afrikastrategie als hauptsächlich geschäftsorientiert. Das Land bietet Waren und Dienstleistungen an – raffiniertes Erdöl, Infrastruktur, Logistik – und kauft seinerseits afrikanische Erzeugnisse wie Gold, Edelsteine und wichtige Erze für seine Tech-Industrie.

Gold, das wichtigste Exportgut aus afrikanischen Ländern in die VAE, bietet allerdings einen interessanten Einblick in die tatsächlichen, tiefergehenden Verflechtungen von Wirtschaft und Politik in den Beziehungen. In internationalen Berichten wird dem Land vorgeworfen, Goldeinnahmen sowohl für den Kreml als auch für Teile der Wagner-Gruppe in Afrika zu waschen. Darüber hinaus gibt es Vorwürfe, dass Gold aus von Rebellen kontrollierten Minen in Darfur importiert wird. Hinzu kommen weitere Aktionen, die den wirtschaftlichen Interessen der VAE dienen, wie die Sicherung des Zugangs zu Goldminen und Häfen an der Rotmeerküste, ein fortgeführtes Anheizen des Bürgerkriegs im Sudan und das Anwerben von südsudanesischen Kämpfern für den Krieg im Jemen.

Tatsächlich haben die VAE China als größten Geldgeber für neue Business-Projekte in Afrika sogar überholt.

Trotz dieser geopolitischen Interessen vermeiden es die VAE, allzu politische und ideologische Diskurse zu führen. Vielmehr wollen die Emirate sich als außerhalb des Wettstreits der Großmächte stehend präsentieren. Diese Darstellung spiegelt die grundsätzliche Weltanschauung der politischen Entscheidungsträger in den VAE wider: Sie sehen die Welt nicht als Nullsummenspiel mit zwei Polen, sondern als ein verwobenes Netzwerk aus sich gegenseitig ergänzenden Knotenpunkten. In diesem Netzwerk wollen die VAE ein solcher zentraler Knotenpunkt sein, ein Dreh- und Angelpunkt zwischen den Kontinenten. Dieses Image dient aber auch dazu, andere Aspekte ihres Tuns in Afrika, beispielsweise im Sudan, zu verschleiern.

Insgesamt ist der Business-Ansatz das Hauptelement des Engagements der VAE in Afrika – vor allem durch staatliche Unternehmen: Dubai Ports World (DP World) und die AD Ports Group (ADP) fungieren sozusagen als „Brückenköpfe“. Sie betreiben 13 Häfen in acht afrikanischen Ländern. In den vergangenen vier Jahren wurden sechs neue Verträge unterzeichnet. Die beiden Staatsunternehmen unterhalten außerdem ein ausgedehntes Verkehrsinfrastrukturnetz, zu dem unter anderem Eisenbahnstrecken und Trockenhäfen gehören. Einige Fachleute meinen sogar: „Die VAE sind das einzige Land, das in Ost- und Westafrika mit China konkurrieren kann.“ Tatsächlich haben die VAE China als größten Geldgeber für neue Business-Projekte in Afrika sogar überholt.

Ein weiterer Newcomer in der BRCIS+-Gruppe, Ägypten, war der größte Nutznießer dieser Investitionen aus Abu Dhabi. In dem afrikanischen Land befinden sich 34 von den VAE finanzierte Projekte mit einem Gesamtwert von 27,6 Milliarden  US-Dollar. Ägypten ist ein interessantes Beispiel, um die Doppelstrategie der VAE zu veranschaulichen: Die Emirate investieren in Hafeninfrastruktur, Windparks und Solaranlagen, um die Gunst Kairos zu gewinnen. Das dient im Gegenzug aber auch der Sicherung strategisch wichtiger Handelsrouten (Stichwort Rotes Meer und Suezkanal) wie auch den VAE-Interessen in regionalen Streitigkeiten (beispielsweise durch Unterstützung für die von General Haftar geführte Miliz in Libyen gegen türkische Interessen).

All dies zeigt: Es gibt einen klaren Spillover-Effekt von Hafen-/Infrastrukturprojekten auf Verteidigungs- und Sicherheitspartnerschaften. Dies gilt in Bezug auf viele afrikanische Länder: Nicht selten folgen auf Infrastrukturprojekte von DP World und ADP Waffenexporte, Deals in der Verteidigungsindustrie oder Ausbildungsabkommen für Militär und Polizei.

Der BRICS+-Gipfel im Oktober 2024 in Kasan bot interessante Einblicke in eine sich verändernde Welt. Die Gruppe stellt das traditionelle „Blockdenken“ in Frage, das im Westen nach wie vor vorherrschend ist. Ihre eigene Heterogenität spiegelt aus Sicht der BRICS+ wider, wohin die Reise gehen soll: Man will kein alternatives Modell zur westlich dominierten Weltordnung sein, sondern eine ständig wachsende Gruppe von Ländern, die mit dieser gegenwärtigen Weltordnung unzufrieden sind, die Reformen fordern und sich künftig nicht mehr in derartige „Blöcke“ einteilen lassen wollen.

Die VAE haben diesen Wandel schon lange verstanden. Sie sind der BRICS+ nicht beigetreten, um sich vom Westen abzuschotten, sondern um sowohl mit diversen Rivalen als auch mit Partnern an einem Tisch zu sitzen. Die Regierung der VAE kann sich nun darauf verlassen, dass mindestens einmal im Jahr ein hochrangiges Treffen mit China und Russland abgehalten wird. Angesichts der Komplexität ihrer Beziehungen ist es sogar wahrscheinlich, dass dies noch ausgeweitet wird.

Auch mit Blick auf die bilateralen Beziehungen zu afrikanischen Ländern haben die VAE nun ein Forum, in dem sie direkt mit einigen ihrer langjährigen Partner – vor allem den BRICS+-Mitgliedern Südafrika, Ägypten und Äthiopien – in Kontakt treten sowie sich mit den neuen sogenannten BRICS-Partnerstaaten Nigeria, Algerien und Uganda weiter austauschen können.

Aus dem Englischen von Tim Steins