Das Jahr 2017 wird eine Vielzahl an für Afrika relevanten Gipfeltreffen und Initiativen sehen. Beim G20-Gipfel im Juli soll ein Pakt mit Afrika beschlossen werden, im November folgt das EU-Afrika-Gipfeltreffen. Am 18. Januar hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine lange angekündigte Strategie für die Zusammenarbeit mit Afrika vorgestellt, die nicht weniger als eine neue Form der Partnerschaft verspricht. Was ist von der aktuellen afrikapolitischen Agenda zu erwarten?

Den Auftakt der diesjährigen afrikapolitischen Diskussion macht die staatliche Entwicklungszusammenarbeit. Wie der Untertitel „Eckpunkte für einen Marshallplan mit Afrika “ des neuen Grundlagendokuments des BMZ schon besagt, soll Großes geleistet werden. Nicht weniger als eine neue Form der Partnerschaft ist vorgesehen. Der Plan nennt viele Schwerpunkte, im Kern geht es jedoch um eine Ausweitung der Entwicklungsfinanzierung. Diese wird an sogenannte Reformpartnerschaften geknüpft, mit denen sich die Entwicklungszusammenarbeit mit finanziellen Anreizen auf reformbereite Länder konzentrieren soll. Diese Akzentuierung dürfte einhergehen mit den zu erwartenden Beschlüssen des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli in Hamburg, der mit einem „Compact with Africa“ vor allem die Rahmenbedingungen für Investitionen in Afrika, also letztlich die Verbindung von Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit, verbessern will.

Die Beziehung zu den Staaten Afrikas auf die internationale Agenda zu heben, ist begrüßenswert. Dadurch können sich Spielräume ergeben, um Dinge zu verändern. Die Staaten Afrikas im globalen Ordnungsrahmen nicht nur mitzudenken, sondern konkrete politische Angebote zu formulieren, beispielswiese einen afrikanischen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, ist notwendig und entspricht der de facto gestiegenen Rolle des Kontinents auf der Weltbühne. Die gegenwärtige Motivation, dem afrikanischen Kontinent so viel Aufmerksamkeit zu schenken, rührt in Deutschland jedoch von der Diskussion über Flucht und Migration her. Es ist ein innenpolitischer Handlungsdruck in Deutschland entstanden, der Afrika auf die globale Agenda bringt, international jedoch nicht überall geteilt wird.

Widersprüche zwischen Zielen und aktueller Politik

Ein genauer Blick auf diesen Auftakt des „Afrika-Jahres“ lohnt sich; manch eine Forderung im „Marshallplan“ überrascht: Visa-Erleichterungen für Afrikaner und einfacherer Zugang zu legaler Migration, faire Handelspartnerschaft, die Einhaltung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards in den Handelsbeziehungen, zuletzt gar der Abbau wettbewerbsverzerrender Agrarsubventionen sowie ein gemeinsamer afrikanisch-europäischer Markt werden gefordert. Dies ist bemerkenswert, die Ideen fairer Handelspartnerschaft und legaler Migrationsmöglichkeiten werden von Experten schon lange gefordert. Leider findet man im Marshallplan Widersprüche zwischen diesen hehren Zielen und der konkreten Umsetzung. Viele Zielkonflikte bleiben ungelöst, denn der Marshallplan versucht, vielfältige politische Ziele unmittelbar mit der aktuellen Politik zu verknüpfen, was nicht gelingt.

So stehen ein gemeinsamer Markt und bessere Möglichkeiten zur legalen Migration komplett im Widerspruch zu den im Plan genannten Migrationspartnerschaften, die Europa aktuell mit einzelnen afrikanischen Staaten beschließt. Diese dienen vornehmlich dazu, Freizügigkeit einzuschränken. Ebenso ist es nicht plausibel, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Reformpartnerschaften einzufordern, gleichzeitig autoritäre Länder wie Ägypten und Togo beispielhaft als reformorientiert zu nennen. Die Förderung fairen Handels und lokaler Wertschöpfungsketten in Afrika klingen gut, doch werden die maßgeblichen Hebel zur Umsetzung, beispielsweise eine staatliche Industriepolitik, nicht einmal genannt. Die hier zu erkennenden Zielkonflikte zwischen einzelnen Politikfeldern und die Widersprüche zwischen Ziel und Umsetzung bedürfen kohärenter Antworten, die im Marshallplan zugunsten einer „Big Push“-Rhetorik nicht geliefert werden. Es droht stattdessen die Verengung der Afrika-Politik auf bestimmte Politikfelder, vor allem ohne die Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen eines stringenten Handlungsansatzes einzubeziehen.

Entwicklungspolitisch wird man sich zudem vom Geber-Nehmer-Denken nicht verabschieden, solange die angedachten Reformpartnerschaften als wesentlichen Hebel Mittelflüsse und sichere Investitionsbedingungen vorsehen. Doch selbst wenn die Intention stimmte: Mit den aktuellen Migrationspartnerschaften, die genauso wie die <link kommentar artikel ein-binnenmarkt-fuer-afrika-1713>Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement – EPA) der EU mit Afrika vor allem ein Instrument europäischer Interessenpolitik sind, wird man die afrikanischen Partner eher vergrätzen. Ein Marshallplan, der in einem einzelnen Ministerium entwickelt wird, ohne Abstimmung mit den afrikanischen Partnern, geschweige denn den europäischen Nachbarn, kann eigentlich kein Partnerschaftsangebot sein.

Neue Formen der Partnerschaft zwischen Europa und Afrika müssen politisch sein und weit über die Idee von Wirtschaftspartnerschaft und Entwicklungszusammenarbeit hinausgehen. In Zeiten globaler Umbrüche muss im Kern eines Angebots für eine Partnerschaft mit Afrika für unser demokratisches Gesellschaftsmodell geworben werden.

G20 – Neue Anstöße, doch keine neue Partnerschaft

Im Unterschied zum Marshallplan, einem Debattendokument, das per se kaum strukturbildende Wirkung für politische Prozesse haben wird, besteht beim Gipfeltreffen der G20 die konkrete Möglichkeit, einen Beitrag zu einer verbesserten Wirtschaftszusammenarbeit mit Afrika zu leisten. Dass sich die G20 mit Afrika befasst, hat schon eine gewisse Tradition. Auf dem letzten <link kommentar artikel chinesische-medizin-oder-chinesischer-virus-1601>Gipfel im September 2016 wurde im chinesischen Hangzhou eine industriepolitische Initiative für Afrika beschlossen. Mit dem geplanten „Compact with Africa“ soll Afrika nun nicht mehr nur in der „G20 Development Working Group“ diskutiert, sondern umfassender behandelt werden.

Nach jetzigem Diskussionstand ist zu erwarten, dass das Ergebnis ein Arrangement für bessere Rahmenbedingungen für Investitionen in Afrika und eine verbesserte Wirtschaftskooperation sein wird und dass Anregungen zur Fragen der Entwicklungsfinanzierung, der Regulierung illegaler Finanzströme und – bedingt – zu den Fragen wirtschaftlicher Transformation des afrikanischen Kontinents entwickelt werden. Zudem können beim Gipfel auch durch begleitendes zivilgesellschaftliches Engagement positive Anstöße für einzelne Themen erzielt werden. Doch neue Formen der Partnerschaft wird es auch durch den G20-Gipfel nicht geben, denn ohne die Einbindung afrikanischer Partner, die im Club mit Ausnahme von Südafrika nicht vertreten sind, kann man keine Akzente für eine neue Partnerschaft setzen.

Die anstehende afrikapolitische Agenda zeigt, dass eine Lösung globaler Probleme nicht mehr ohne die Berücksichtigung Afrikas gedacht wird – dies ist ein großer Schritt nach vorn. Das Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und Afrika im November – dort werden die Staaten Afrikas im Unterschied zum G20-Gipfel anwesend sein –  wird ein Gradmesser dafür sein, wie die neuen Ideen auf afrikanischer Seite wahrgenommen werden.