Bedrückend aber wahr: Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die Anzahl der Krisen und Konflikte zugenommen. Derzeit toben elf Bürgerkriege mit jährlich mehr als tausend Todesopfern – und der Jemen könnte Nummer 12 werden. Betroffen sind vor allem Subsahara-Afrika, der Nahe Osten sowie Afghanistan und Pakistan in Südasien. Millionen der Flüchtlinge, Verletzten und Opfer sind junge Menschen.
Die demografische Forschung untermauert dabei einen engen Zusammenhang zwischen Konfliktanfälligkeit und Jugend einer Gesellschaft: So fanden 80 Prozent der Konflikte zwischen 1970 und 2007 in Ländern statt, in denen 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 30 Jahre alt war. Impulsgeber für und Träger der Konflikte ist die immer weiter anwachsende junge Generation, die besser ausgebildet als ihre Eltern und gleichzeitig unterbeschäftigt ist.
Die Jugend will sich nicht mehr mit den ungerechten Lebensverhältnissen abfinden, bei denen die korrupten Regierungseliten immer reicher werden und die Mehrheit der Menschen verelendet. Gesellschaften, in denen über 60 Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahren alt und diese zu 90 Prozent arbeitslos oder nur im informellen Sektor beschäftigt sind, fehlt jede nachhaltige sozio-ökonomische Grundlage. Diese soziale Ungerechtigkeit ist so eklatant, dass traditionelle soziale oder religiöse Identitäten nicht mehr tragen. Vermeintliche Heilsbringer wie der Islamische Staat (IS) nutzen das Vakuum und erlangen insbesondere für junge Männer zum Teil große Attraktivität. Der Siegeszug extremistischer Gruppierungen wie al-Qaida, des IS und anderer Franchising-Djihadisten ist zu einem großen Teil mit wirtschaftlicher Frustration und Perspektivlosigkeit zu erklären.
Die Kriege und Grausamkeiten im Nahen Osten lösen bei uns Betroffenheit und Ratlosigkeit aus. Sie finden in unserer geographischen Nähe statt. Was ist also zu tun? Zunächst einmal ist Ehrlichkeit angesagt: Niemand hat auf die Herausforderungen in diesen Konfliktregionen eine abschließende Antwort. Und selbst wenn: Unsere Interventionsmöglichkeiten sind extrem beschränkt. Es wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis gesellschaftliche Grundlagen neu ausgehandelt sind. Diese werden lokal in den betroffenen Konfliktregionen erkämpft und erstritten, ob sie nun unseren westlichen Vorstellungen entsprechen oder nicht.
Dennoch sollten wir unseren Prinzipien treu bleiben, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit fordern und fördern sowie humanitäre Hilfe leisten. Wir sollten dabei auf die kurzsichtige Strategie verzichten, illegitime, korrupte und gewalttätige lokale Partner zu unterstützen, weil sie momentan das kleinere Übel zu sein scheinen. Die jüngste Vergangenheit hat nicht zuletzt in Afghanistan gezeigt, wohin das führt.
Einige dieser jungen, hochqualifizierten Menschen können unserer ergrauenden Gesellschaft nur gut tun.
Stattdessen sollten wir das riesige Potenzial der jungen, zum Teil gut ausgebildeten Menschen in unserer südlichen Nachbarschaft erkennen. Einige dieser jungen, hochqualifizierten Menschen können unserer ergrauenden Gesellschaft nur gut tun. Wirtschaftsvertreter beklagen den Fachkräftemangel schon jetzt. Einige haben sich wiederholt für eine bessere Integration von Flüchtlingen stark gemacht. Erste Programme und Pilotprojekte wie etwa von der Bundesagentur für Arbeit laufen bereits.
Bei einem Besuch in einem jordanischen Lager für syrische Flüchtlinge, das eine Delegation auf Einladung der Körber-Stiftung besuchte, sprachen wir vor kurzem mit einer Gruppe von etwa 20-jährigen Syrerinnen und Syrern. Sie alle hatten eine Schule oder Universität in ihrer Heimat besucht. Ihr größtes Problem war die Perspektivlosigkeit ihrer Lage. Sie wollen weiter studieren, arbeiten, ein selbstständiges Leben aufbauen – aber die Chance dazu wird ihnen vorenthalten.
Es ist kurzsichtig, solch qualifizierte und motivierte junge Menschen alleine durch eine flüchtlingspolitische Linse zu betrachten. Vielmehr sollte die Politik in Brüssel, Berlin und auf Länderebene verstärkt Partnerschaften mit der Wirtschaft eingehen, im Sinne des langfristigen Eigeninteresses aller Beteiligten. Gewinner einer solchen Partnerschaft wären nicht zuletzt die Babyboomer, deren Versorgung im Rentenalter nur von einer ausreichenden Anzahl gut verdienender Beitragszahler gewährleistet werden kann. Ein weiterer Gewinner wäre die deutsche Wirtschaft, für deren zukünftige internationale Konkurrenzfähigkeit gut ausgebildete und interkulturell kompetente Arbeitnehmer eine Voraussetzung sind. Gewinner wären natürlich auch jene Menschen aus Krisenregionen, denen wir so eine sichere Zukunftsperspektive bieten können.
Natürlich sind nicht alle Flüchtlinge Fachkräfte, die den deutschen Arbeitsmarkt bereichern werden. Doch auch diesen Menschen, die ohne eigenes Verschulden unter Lebensgefahr aus ihrer Heimat vertrieben wurden, muss Deutschland aus humanitären Gründen einen Zufluchtsort bieten. Aber jede junge Ärztin aus Syrien, jeder junge Ingenieur aus Mali leistet einen Beitrag, die finanziellen Kosten dieser Hilfe nicht nur zu mindern, sondern sie langfristig zu einer gewinnbringenden Investition in die Zukunft Deutschlands zu verwandeln.
7 Leserbriefe
Abgesehen von diesem neoliberalen, menschenverachtenden human capital Ansatz, der in den Menschen eben nur einen Wirtschaftsfaktor sieht, der bei guter Gewinnausicht nutzt, ansonsten aber der Armuts- und Elendsfürsorge anvertraut wird, gibt es im ganzen Artikel auch keine Verlierer. Dazu nur 2 Fragen: Was passiert konkret mit den übrigbleibenden „vielen“ Menschen (sog. „Nur-Flüchtling), die für das deutsche Kapital nicht profitabel verwertbar sind? Und wie sollen eben jene Krisenregionen, zu denen man inzwischen ja auch Griechenland zählen muss, wieder auf die Beine kommen, wenn die jungen Ärzt_Innen, Ingeneur_Innen usw. hierher geschleust werden um vom deutschen Kapital zu Gunsten Deutschlands ausgebeutet zu werden?
Frau Wieland-Karimi muss wohl irgendwo irgendetwas ueber junge Afrikaner gelesen haben die in die 1. Welt zur Ausbildung von ihren reichen Eltern geschickt worden sind...und sie verwechselt ganz offensdichtlich diese mit den afrikanischen Fluechtlingen...
Das ist nicht nur peinlich sondern trifft den Zeitgeist der Utopisten genau... von den Utopisten, die sich die Wirklichkeit so zurechtbiegen muessen, wie es ihrer verqueren Ideologie entspricht die sich aus Wunschtraeumen und Zukunftsvisionen einer Spezies zusammensetzt die den Status 'Mensch' lange hinter sich gelassen hat.
Diese Fluechtlinge haben nun rein garnichts vorzuweisen was gut ausgebildeten Afrikanern auch nur im entferntesten gleichen wuerde.
Fluechtlinge aus Afrika sind in der Regel immer politisch verfolgte Menschen, die im Heimatland keine Ausbildung, keine Qualifikationen und keine Ahnung von den 1. Welt Verhaeltnissen haben... und damit nicht qualifiziert sind fuer eine Gesellschaft, die vollkommen anders lebt als der Durschnittsafrikaner sich das auch nur vorstellen kann...
...und Stichwort 'Fachkraeftemangel': wer das Gerede vom 'Fachkraeftemangel' ernst nimmt, glaubt auch an Eismagel in Groenland und an Sandmangel in der Sahara. Solange die 'Wirtschaft' hochqualifizierte deutsche Mitfuenfziger 'aus Altersgruenden' nicht einstellt, erstklassigen Universitaetsabsolventen mit jeder nur wuenschenswerten Vorbildung keine Stelle gibt... aus 'Mangel an Erfahrung'... und sich darueber beklagt dass sich nur zehn anstatt hundert geeignete Bewerber auf eine Stellenanzeige melden - der soll sich geistig pensionieren lassen, wie ich das fuer Frau Wieland-Karimi vorschlage...
"Doch auch diesen Menschen, die ohne eigenes Verschulden unter Lebensgefahr aus ihrer Heimat vertrieben wurden, muss Deutschland aus humanitären Gründen einen Zufluchtsort bieten." Wieso muss Deutschland das? Deutschland ist doch nicht das einzige Land auf der Welt.
"Aber jede junge Ärztin aus Syrien, jeder junge Ingenieur aus Mali leistet einen Beitrag, die finanziellen Kosten dieser Hilfe nicht nur zu mindern, sondern sie langfristig zu einer gewinnbringenden Investition in die Zukunft Deutschlands zu verwandeln." Wie viele junge Ärztinnen aus Syrien gibt es denn? Wie und wo wurden sie denn ausgebildet? Wie viele junge Ingenieure aus Mail gibt es denn. Wo wären diese denn ausgebildet? Etwa in Mali?