Die South West Africa People’s Organisation (SWAPO) stellt nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 27. November 2024 erneut die Regierung Namibias und behauptet ihre absolute Mehrheit im Parlament. Die derzeitige Vizepräsidentin Netumbo Nandi-Ndaitwah (72) war als große Favoritin in das Rennen um die Präsidentschaft gegangen. Mit einem Stimmenanteil von 58 Prozent wird sie am 21. März 2025 als erste Frau die Spitze Namibias übernehmen.

Die SWAPO war zuletzt ähnlich wie andere ehemalige Befreiungsbewegungen des südlichen Afrikas zunehmend unter Druck geraten. Als Regierungspartei war sie seit 1990 mit viel Euphorie und unablässigem Erfolg an den Wahlurnen in die Unabhängigkeit gestartet, Wahlsiege der zur Staatspartei gewordenen Befreiungsbewegung mit 70 oder 80 Prozent der Stimmen waren die Normalität. Zwar hat sie grundlegende Veränderungen insbesondere im Bildungs-, Gesundheits-, Justiz- und Wohlfahrtsbereich vorangebracht, im Lauf der Jahre aber hat sie an Dynamik, Gestaltungsfantasie und Reaktionsfähigkeit eingebüßt.

Hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere unter der Jugend, Wohnungsnot, soziale Ungleichheit und die wachsende Frustration der Bevölkerung erhöhten den Druck auf die Regierungspartei spürbar. Bei den Wahlen 2019 zeichnete sich erstmals ein Wandel ab: Präsident Hage Geingob erhielt nur noch 56 Prozent der Stimmen, und die SWAPO verlor erstmalig ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Ende der kolonialen Unterdrückung und des Apartheidregimes gehört Namibia weiterhin zu den ungleichsten Ländern der Welt. Der weit verbreiteten Armut wird von staatlicher Seite nur unzureichend entgegengewirkt. Die Versorgung mit öffentlichen Gütern wie Strom, Wasser und Gesundheitsdiensten ist oft entweder ungenügend oder unbezahlbar. Nach der „Unabhängigkeit der Flagge“ blieb die wirtschaftliche Unabhängigkeit aus: Viele Bürgerinnen und Bürger warten nach wie vor vergeblich auf eine „Unabhängigkeitsdividende“. Der Staat reagiert weder ausreichend noch zeitnah auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und zeigt Anfälligkeit für Korruption sowie Vetternwirtschaft. Dies hat vor allem bei der jungen Generation zu einem deutlichen Vertrauensverlust in die SWAPO geführt.

Nach der „Unabhängigkeit der Flagge“ blieb die wirtschaftliche Unabhängigkeit aus.

Bereits mit der Öffnung der Wahllokale um sieben Uhr morgens bildeten sich vielerorts Schlangen von 100 oder mehr Wählenden. Diese Schlangen blieben den gesamten Tag über bestehen und wuchsen im Verlauf sogar noch weiter an. Die mangelhafte technische Ausstattung zur Registrierung der Wählenden und der landesweite Mangel an Stimmzetteln führten dazu, dass zahlreiche registrierte Bürgerinnen und Bürger am Ende frustriert nach Hause gingen, ohne ihre Stimme abgegeben zu haben.

Die Wahlbeobachtungsmission der Afrikanischen Union identifizierte in ihrer ersten Analyse den Hauptgrund für das Chaos: Wählende durften frei entscheiden, in welchem Wahllokal sie ihre Stimme abgeben wollten. Dies machte eine zuverlässige Planung und Ressourcenzuteilung nahezu unmöglich. Besonders im Großraum der Hauptstadt Windhoek kam es aufgrund massiver physischer Wählerbewegungen zu extremen Überfüllungen aller umliegenden Wahllokale, die bereits bei Öffnung völlig überlastet waren.

Trotz dieser erheblichen Missstände bewahrte die Bevölkerung eine bewundernswerte Ruhe und Gelassenheit. Am bedauernswertesten darf die nationale Wahlkommission ECN gelten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe offensichtlich restlos überfordert war. Nachdem sich im Verlauf des Wahltags in den Medien und sozialen Netzwerken immer häufiger und lauter die offensichtlichen Missstände Bahn gebrochen hatten, und nachdem an einigen Wahllokalen auch nach Schließung um 21 Uhr noch bis früh in den Morgen hinein Wählenden erlaubt wurde, ihre Stimme abzugeben, zeigte sich am Folgetag das ganze Ausmaß des Desasters.

Die großen Oppositionsparteien erklärten noch am Abend des Wahltags, dass sie die Ergebnisse dieser – aus ihrer Sicht missglückten – Wahl nicht anerkennen und gerichtlich annullieren lassen wollen. In einer umstrittenen Entscheidung ordnete die Wahlkommission (ECN) an, dass an den beiden Folgetagen erneut gewählt werden dürfe, jedoch nur in ausgewählten Gebieten, die vorwiegend den nördlichen Hochburgen der Regierungspartei SWAPO zuzurechnen sind. Im gesamten Ballungsraum Windhoeks hingegen wurde lediglich ein einziges Wahllokal wieder geöffnet. Damit hat die ECN zu noch mehr Unverständnis und Verärgerung, um nicht zu sagen Verblüffung ob dieser ziemlichen Unverfrorenheit sowohl bei den politischen Parteien als auch bei weiten Teilen der Bevölkerung beigetragen.

Die Ereignisse werfen schon jetzt einen Schatten auf den – für viele Beobachter überraschend eindeutigen – Wahlerfolg der künftigen Präsidentin. Der Start ins höchste Staatsamt ist unter diesen Umständen alles andere als ideal, insbesondere angesichts der gewaltigen Herausforderungen, vor denen Namibia steht. Auch im Parlament wird die SWAPO nur eingeschränkt agieren können, da die Oppositionsparteien in ihrer Gesamtheit deutlich an Stärke gewonnen haben.

Auch im Parlament wird die SWAPO nur eingeschränkt agieren können.

Ja, diese Wahlen haben ein Ergebnis erbracht. Bereits kurz vor Ende der Auszählung erklärte die SWAPO, dass sie damit durchaus zufrieden sei. Viele Namibierinnen und Namibier sind jedoch bestürzt und beschämt darüber, wie dieses Ergebnis zustande kam. Selbst wenn das Ergebnis vor Gericht Bestand haben sollte, wird es nicht in der Lage sein, das Land innerlich, gesellschaftlich in einem Maße zu befrieden, dass man den kommenden fünf Jahren Regierungszeit zuversichtlich entgegenblicken könnte.

Der von einigen Beobachtern erwartete Epochenwechsel, der die SWAPO in einer Koalitionsregierung mit einer oder mehreren Oppositionsparteien gesehen hätte, blieb aus. Möglicherweise haben die jungen Wählerinnen und Wähler unter 35 Jahren – die immerhin etwa 60 Prozent der registrierten Wählerschaft ausmachen – nicht in der erwarteten Zahl an der Wahl teilgenommen. Besonders die sogenannten Born Frees, die nach der Unabhängigkeit 1990 Geborenen, könnten bei dieser Wahl nicht ausreichend zum Zuge gekommen sein. Alles dieses wird aufgearbeitet werden müssen, und es wird gegebenenfalls auch einer der Aspekte sein, den die Opposition in ihrem gerichtlichen Überprüfungsverfahren anführen wird.

Was die Gemengelage konkret für die Übergangszeit bis zur Vereidigung der neuen Regierung am 21. März, dem traditionellen Unabhängigkeitstag, bedeutet, lässt sich nur schwer abschätzen. Das Land und seine Bevölkerung haben mit einer solchen Situation noch keinerlei Erfahrung. Die Frustration, vor allem der jungen Bevölkerung, über die Regierungsleistung der SWAPO bleibt groß und wird vermutlich unabhängig von einem gerichtlichen Entscheid zur Rechtmäßigkeit der Wahlergebnisse nicht so schnell verschwinden.

Der Politikwissenschaftler Ndumba Kamwanyah bringt die Lage treffend auf den Punkt: „Die Menschen verdienen etwas Besseres als einen fehlerhaften Prozess, der sie an der Legitimität ihrer Führer zweifeln lässt. Wenn diese Probleme nicht angegangen werden, läuft das Land Gefahr, in eine Zukunft abzurutschen, in der Wahlen nicht als Feier der Demokratie, sondern als Wettkampf darum gesehen werden, wer das System besser manipulieren kann. Namibia kann und muss es besser machen.“ Für das Land, die Demokratie und insbesondere die neue Regierung unter der Führung der alternden, zur Staatspartei gewordenen Befreiungsbewegung SWAPO zeichnet sich damit eine äußerst herausfordernde Phase der postkolonialen Ära ab.

Letztlich konnte sich im Wettbewerb um die Gunst der Wählenden noch einmal die jahrzehntelange Regierungs- und Mobilisierungserfahrung der SWAPO durchsetzen. Keine andere Partei ist landesweit so gut organisiert und in Gemeinden, Gewerkschaften, Verbänden sowie Kirchen verankert. Die politische Opposition hingegen ist zwar in der öffentlichen Debatte und in den Medien präsent und laut, jedoch inhaltlich und strategisch oft schwach und fragmentiert. Nur geeint hätte sie der SWAPO ernsthaft gefährlich werden können – ein Szenario, das bei den nächsten Wahlen im Jahr 2029 durchaus Realität werden könnte.