Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit 1966 hat die älteste Demokratie Afrikas die bisher regierende sozialkonservative BDP (Botswana Democratic Party) abgewählt. Die Wahl lief friedlich ab und laut Wahlbeobachtern gab es keine relevanten Probleme. Der amtierende Präsident Masisi hat das Ergebnis bereits anerkannt und den öffentlichen Dienst zur Zusammenarbeit mit der neuen Regierung aufgerufen. Das gewerkschaftsfreundliche und sozialistisch ausgerichtete Oppositionsbündnis UDC (Umbrella for Democratic Change) hat die Wahl überraschend deutlich gewonnen und kann nun mit Präsident Duma Boko vermutlich alleine regieren. Die sozialdemokratische BCP (Botswana Congress Party) stellt die erste Oppositionskraft, falls sie nicht von Boko in die Regierung eingeladen wird.

Die Abwahl der BDP reiht sich ein in eine Reihe schwieriger Wahlen für die Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika in diesem Jahr. Bereits der Verlust der Parlamentsmehrheit des südafrikanischen ANC (African National Congress) und die folgende Koalition der nationalen Einheit im Mai als auch die hochumstrittene Wiederwahl der mosambikanischen FRELIMO (Mosambikanische Befreiungsfront) im Oktober hatten in der Region Schockwellen ausgelöst. Diese Ergebnisse und die heftige Niederlage der botswanischen BDP werfen damit auch ihre Schatten auf die kommenden Wahlen im November in Namibia voraus, bei denen die SWAPO (South West Africa People’s Organisation) um ihre Mehrheit zittern muss. Die tief verankerte demokratische Kultur in Botswana, eine unabhängige Wahlkommission und auch ein faires Miteinander unter den Parteien haben zu einem demokratischen Wechsel in Botswana ähnlich wie in Südafrika beigetragen. Die vergleichsweise geringe Abhängigkeit der politischen Eliten von Staatsressourcen erlaubt es diesen, Wahlen zu verlieren, ohne sich um ihre Zukunft sorgen zu müssen.

Die ehemaligen Befreiungsbewegungen des südlichen Afrikas hadern mit einer veränderten, jüngeren, urbaneren und selbstbewussteren Wählerschaft, für die die Erfolge der Vergangenheit beim Erreichen der Unabhängigkeit von den Kolonialmächten weniger relevant sind als für ihre Eltern- und Großelterngeneration. Wahlkampfstrategien, die auf Patronage, Klientelismus und die Furcht vor Veränderung durch die Oppositionsparteien setzen, haben weniger Erfolg. Der Wunsch nach Wandel und die Suche der Wählerschaft nach Lösungen der überall grassierenden Probleme von Arbeitslosigkeit, sozialer Ungerechtigkeit und hohen Lebenshaltungskosten dominiert immer mehr. Spannend sind dabei nicht nur die urbanen Zentren, die im südlichen Afrika weitgehend oppositionsdominiert sind, sondern auch die Gruppe der urbanen Landwähler, welche für die Wahlen in ihre Dörfer zurückkehren. Durch ihre Ressourcen, ihre höhere Bildung und urbanen Diskurskreise beeinflussen sie auch immer mehr die Wahlergebnisse in ländlichen Gebieten.

Die Erfolge der Vergangenheit reichen gerade der jungen Generation nicht mehr aus.

In Botswana dominierten im Wahlkampf vor allem die schwächelnde Wirtschaft, die grassierende Arbeitslosigkeit (inklusive Unterbeschäftigung über 40 Prozent) und die zunehmend leeren Staatskoffer aufgrund mangelnder Diamantenverkäufe. Der im Wahlkampf gezeigte Mangel an kulturell so wichtiger Bescheidenheit durch die BDP, die abnehmende Fähigkeit, der Bevölkerung bei grundsätzlichen Einwänden zuzuhören sowie innerparteilich umstrittene Kandidatenentscheidungen erschwerten die letzten Wahlkampfwochen für die regierende BDP, die noch vor sechs Monaten fest im Sattel saß. Am Ende glaubte man der Regierungspartei nicht mehr, einen Plan für die Zukunft zu haben. Die Erfolge der Vergangenheit reichen gerade der jungen Generation nicht mehr aus.

Der friedliche und demokratische Regierungswechsel in Botswana ist als ein riesiger Erfolg über das südliche Afrika hinaus anzusehen. Vor allem angesichts der umstrittenen Wahlen in Mosambik sowie 2023 in Simbabwe, bei denen es auch zu Gewalt kam. Wichtig erscheint nun, dass die Opposition das nationale Interesse über das der Partei stellt und eine versöhnliche Haltung gegenüber der bisher regierenden BDP einnimmt. Während es sehr wahrscheinlich zu einem Austausch der Staatssekretäre, einiger Richter und Chefs der Sicherheitsorgane kommen wird, ist es im Interesse der neuen Regierung den Erfahrungsschatz des öffentlichen Dienstes zu nutzen und diesen nicht zu politisieren.

Der Wiederaufbau und die Diversifizierung der Wirtschaft werden für die neue, von der UDC geführte Regierung im Mittelpunkt stehen, auch um die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen und die zahlreichen Wahlversprechen bezahlen zu können. In diesem Zusammenhang werden die Gewerkschaften als Gründungsmitglieder der UDC eine wichtige Rolle spielen und darauf achten, dass sich Botswanas bisheriger Status als Niedriglohnland verbessert.

Spannend für die demokratische Entwicklung des Landes dürfte es vermutlich werden, weil die neue Regierung ein inklusiveres Wiederaufrollen des Verfassungsreformprozesses plant, in dem die Menschen in Botswana ihrem Land eine zeitgemäße Verfassung geben können. Weiterhin wird es Fortschritte für die Integration ethnischer Minderheiten geben, da der UDC-Vorsitzende Duma Boko selbst der Minderheit der Xhosa angehört und damit die Verhältnisse zwischen den dominierenden Tswana und anderen Minderheiten verbessert werden können.

Es wird der UDC auch darum gehen, außenpolitisch auf eine Äquidistanz zu Großmächten zu gehen.

Außenpolitisch sind kurzfristig keine Veränderungen zu erwarten, da für das vergleichsweise kleine Land Botswana vor allem die Beziehungen zu Südafrika wie auch die innerhalb der Staatengruppe SADC (Southern African Development Community) entscheidend sind und sich nicht verändern werden. Sicherlich wird eine von der UDC geführte Regierung einen engeren Draht mit Oppositionsbewegungen in anderen Ländern wie der von Nelson Chamisa geführten Opposition in Simbabwe, der von Julius Malema geführten EFF in Südafrika und der von Venancio Mondlane geführten Podemos in Mosambik suchen. Es wird der UDC auch darum gehen, außenpolitisch auf eine Äquidistanz zu Großmächten zu gehen, die traditionell neutrale Rolle Botswanas als „Schweiz Afrikas“ zu bewahren und die Beziehungen mit anderen Ländern des Globalen Südens zu vertiefen.

Nach Sambias Frederick Chiluba in 1991, Malawis Bakili Muluzi in 1994, Simbabwes Morgan Tsvangirai in 2008 ist Duma Boko nun schon der vierte Oppositionsführer im südlichen Afrika, der eine regierende Befreiungsbewegung ablöst. Mit Ausnahme von Tsvangirai ist allen die auf die erfolgreiche Wahl folgende Enttäuschung der hohen Erwartungen der Wähler in mehr Demokratie, eine sozialere Gesellschaft und eine geeinte Nation gemein. Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft betonten in ersten Analysen, dass es im nationalen Interesse sei, dass die UDC insbesondere in der Kommunikation und im Umgang mit der früheren Regierungspartei BDP Bescheidenheit, Sachlichkeit und Versöhnung in den Mittelpunkt rücken sollte.

Die älteste Demokratie Afrikas ist durch den friedlichen Regierungswechsel demokratisch gewachsen. Die Menschen wollen gehört und beteiligt werden. Auch die Jugend fordert ihren Platz. Die Demokratie ist weithin akzeptiert, hat kulturelle Wurzeln und hat nun eine „Lieferpflicht“, wenn es um sozioökonomische Probleme der Arbeitslosigkeit und Ungerechtigkeit wie auch um gesellschaftliche Herausforderungen wie die hohe geschlechtsbezogene Gewalt oder Alkoholismus geht. Die weiteren Entwicklungen in Botswana werden auch die Menschen in den Nachbarländern aufmerksam beobachten.